Analyse: Ist die neue Google-Bildersuche rechtmäßig?

Anfang Februar schaltete Google seine neue Bildersuche in Deutschland frei. Doch die Rechtslage zur Foto-Suchmaschine ist problematisch: Verstößt Google gegen das Urheberrecht?

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Analyse: Ist die neue Google-Bildersuche rechtmäßig?
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Brian Scheuch
Inhaltsverzeichnis

Am 7.Februar startete Google in Deutschland seine überarbeitete Bildersuche für die Desktop-Ansicht, die in den USA bereits seit mehreren Jahren läuft. Die gesuchten Bilder zeigt die Bildersuche nun stark vergrößert an. Mit nur einem Klick lassen sich Bilddateien in voller Größe speichern oder in sozialen Netzwerken teilen. Im Vergleich zur alten Bildersuche muss der Nutzer die Webseite des Bildes nicht mehr besuchen, um das Bild in voller Größe zu bekommen – dieses Vorgehen ist umso ärgerlicher für Webseitenbetreiber, die sich mehr Traffic über die Bildersuche erhofft hatten.

Eine Analyse von Brian Scheuch

Brian Scheuch ist Rechtsreferendar im Heise-Verlag. Während des Studiums befasste er sich mit IT-Recht und geistigem Eigentum. Seine Schwerpunktarbeit umfasste unter anderem die rechtliche Zulässigkeit der Google-Bildersuche.

Neun Verbände haben Google bereits aufgefordert, "zu einer rechtskonformen Suchanzeige von Bildern zurückzukehren". Für sie und andere stellt sich die Frage, ob die überarbeitete Google-Bildersuche mit geltendem Recht vereinbar ist.

Bei Bildern, die auf Webseiten veröffentlicht werden, handelt es sich um persönliche geistige Schöpfungen im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG in Form von Werken der Bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), Lichtbildwerken (§2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) oder Lichtbildern (§ 72 Abs. 1 UrhG). Sie genießen daher grundsätzlich urheberrechtlichen Schutz.

Bereits die ursprüngliche Bildersuche war anfangs juristisch sehr umstritten. Google zeigte den Nutzern in der Regel daumengroße Miniaturansichten (Thumbnails), die per Link auf die Ergebnisseite verwiesen. Nach einem Klick auf ein Bild erschien bei Google eine zweigeteilte Seite, auf der sich im oberen Viertel erneut das Thumbnail befand, was den Nutzer nach erneutem Anklicken direkt zur Originalgröße und zur eigentlichen Webseite führte.

In der Anzeige der Vorschaubilder liegt grundsätzlich ein Eingriff in das Urheberrecht vor. Denn diese werden nach § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht, da eine unbestimmte Personenanzahl (jedermann) auf diese zugreifen kann.

Die neue Bildersuche zeigt die gefundenen Bilder in hoher Auflösung an. Ist das mit geltendem Recht vereinbar?

Der Bundesgerichtshof entschied im Jahr 2010 erstmalig über die Zulässigkeit von Vorschaubildern in der Bildersuche. Eine Künstlerin hatte Google vorgeworfen, dass ihre Kunstwerke ohne ihre Einwilligung dort auftauchten. Der BGH stellte mit Urteil vom 29. April 2010 klar, dass mit der Bildersuche grundsätzlich in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG eingegriffen wird. Jedoch erachtete der BGH die Wiedergabe der Bilder nicht als rechtswidrig.

Nach Auffassung des Gerichts habe die Klägerin eine "schlichte Einwilligung" abgegeben. Diese liegt nach Ansicht des BGHs darin, dass die Künstlerin keinen Schutz angewandt hatte. Die Künstlerin hätte etwa die robots.txt-Datei anpassen müssen, um eine Suchmaschinen-Indexierung ihrer Bilder zu verhindern.

Von einer Einwilligung ist auch auszugehen, wenn der Webseitenbetreiber noch Suchmaschinen-Optimierung (SEO) betrieben hat. Diese Einwilligung kann nach Auffassung des Gerichts auch nur wirksam widerrufen, wer entsprechende Schutzmaßnahmen trifft, die das Auffinden der Bilder durch die Crawler verhindern. Ein einfacher schriftlicher Widerruf ist nicht ausreichend.

Die Rechtslage zur neuen Bildersuche ist problematisch. Eine Tendenz hierzu gibt das Landgericht Hamburg: Es hatte in einem Fall über die neue Bildersuche zu entscheiden – jedoch nicht im Desktop-Bereich, sondern für mobile Anwendungen. Das LG Hamburg bezog sich dabei auf die Entscheidung des BGH und ging davon aus, dass auch die neue Bildersuche bereits von der Einwilligung der Nutzer gedeckt sei, wenn eine wesentlich geringere Bildauflösung verwendet wird. Dabei durfte es sich nicht um die optimale Auflösung handeln. In dem konkreten Fall hatte das Originalbild eine Auflösung von 596 × 430 Bildpunkten; Google zeigte es mit nur 225 × 225 Bildpunkten an.

Hierzu existiert allerdings noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung und die Desktop-Version der Bildersuche stellt wiederum einen anderen Fall dar. Denn in der Desktop-Variante werden die Bilder teilweise nicht wie vom LG Hamburg gefordert, "wesentlich verkleinert" dargestellt. Offen bleibt, ob sich auch für die neue Bildersuche eine Einwilligung konstruieren lässt. Denn die bisherige Lösung des BGH bezeichnen einige Juristen als "juristische Krücke". Auch aufgrund der Tatsache, dass Bilder nun stark vergrößert dargestellt und so möglicherweise die Seitenaufrufe verringert werden, bleibt abzuwarten, ob dies noch von einer Einwilligung gedeckt sein kann.

Nutzer der Bildersuche sollten die Teilen-Funktion mit erhöhter Vorsicht genießen – es könnte sogar eine Abmahnung drohen.

Problematisch erscheint auch die eingeführte "Teilen-Funktion" in der Bildersuche. Nutzer teilen über den jeweiligen Social-Media-Kanal nur den Link zur Google-Bildersuche und nicht zur eigentlichen Seite, die das Bild veröffentlicht hat. Auch hier wird das Bild stark vergrößert angezeigt.

Unklar ist nicht nur, ob ein solches Vorgehen seitens Google zulässig ist, sondern auch, ob Nutzer durch das Teilen haften können. Das Landgericht Frankfurt entschied zum Beispiel, dass der Betreiber einer Webseite mit dem Einfügen eines Teilen-Buttons die "schlichte Einwilligung" zum Teilen der Inhalte gibt. Das LG Frankfurt hatte den Beklagten dennoch verurteilt, da dieser nicht die Teilen-Funktion an sich benutzt, sondern den Artikel vollständig kopiert hatte. Aus diesem Grund wurde das Urteil anfangs ein wenig missverstanden. Das LG Frankfurt folgt also doch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Vorschaubildern auch hinsichtlich des Teilen-Buttons.

Die Besonderheit in der neuen Bildersuche besteht jetzt darin, dass die Webseitenbetreiber den Teilen-Button gar nicht selber eingefügt haben, sondern Google. Deshalb ist fragwürdig, ob man darauf noch eine Einwilligung hinsichtlich des Teilens konstruieren kann. Auch Nutzer der Bildersuche sollten die Teilen-Funktion mit erhöhter Vorsicht genießen, da mit dem Teilen eine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG vorliegen könnte und sie deshalb sogar Gefahr laufen, abgemahnt zu werden.

Möglicherweise kann die "Framing"-Rechtsprechung eine Legitimationsgrundlage bilden: Der Europäische Gerichtshof entschied mit Beschluss vom 13. Februar 2014, dass Framing – also das Einbetten von fremden Videos auf einer Webseite – keinen Urheberrechtsverstoß darstelle, wenn die Videos frei veröffentlicht wurden. Das ist etwa bei YouTube-Videos der Fall, die jeder in eine Webseite einbinden kann.

Der BGH urteilte daraufhin, dass Framing grundsätzlich zulässig ist, wenn der Rechteinhaber seine Zustimmung erteilt hat. Offen lässt er aber, wie mit illegalen Inhalten umzugehen ist. Mit der neuen Suche speichert Google die Bilder nicht mehr auf seinen Servern, sondern bettet sie ebenfalls nur noch in der Suchmaschine ein. Offen ist aber, ob diese Rechtsprechung überhaupt auf Bilder übertragbar ist.

Google hat es wieder einmal geschafft, die Rechtsprechung vor neue Fragen zu stellen. Es ist denkbar, dass die Gerichte zukünftig davon ausgehen, dass auch die neue Bildersuche von einer Einwilligung abgedeckt ist. Möglicherweise wird die Einwilligung auch dahingehend konstruiert beziehungsweise erweitert, dass mittlerweile jeder von der neuen Bildersuche weiß und sich entsprechend schützen kann. Ob auch die Framing-Rechtsprechung eine Legitimation bilden kann, bleibt abzuwarten. Insbesondere problematisch könnte sowohl für Google als auch für die Nutzer die neu eingeführte Teilen-Funktion sein. (dbe)