Bundestag genehmigt Ausbau der Videoüberwachung

Unverändert hat das Parlament einen Regierungsentwurf durchgewinkt, wonach die Videoüberwachung an "öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen" ausgeweitet werden soll. Die Bundespolizei erhält Bodycams und Kennzeichen-Scanner.

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Überwachung, Kamera
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Der Bundestag hat mitten in der Nacht zum Freitag den umstrittenen Entwurf der Bundesregierung für ein "Videoüberwachungsverbesserungsgesetz" unverändert beschlossen. Mit der damit einhergehenden Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes sollen mehr Kameras an "öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen" angebracht werden dürfen. Das Parlament will damit die Sicherheit vor allem in Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen sowie in Einrichtungen und Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs erhöhen.

Für die Initiative stimmten die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD, die Opposition war geschlossen dagegen. Der Bundesrat hatte im Vorfeld keine Bedenken erhoben, sodass das Vorhaben die Länderkammer auch im zweiten Durchlauf problemlos passieren dürfte. Die Datenschutzbehörden der Länder müssen dann künftig in ihren Genehmigungsverfahren für öffentlich angebrachte Videokameras den "Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit" von Menschen besonders berücksichtigen. Bisher stehen die Kontrolleure derlei Vorhaben privater Betreiber in frei zugänglichen Räumen eher skeptisch gegenüber.

Das Vorhaben soll den Verantwortlichen nun die Entscheidung erleichtern, "einen Beitrag zur Sicherheit der Nutzer ihrer Einrichtungen zu leisten – in ihrem eigenen, aber auch im öffentlichen Interesse". Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zog den Plan im Herbst als Reaktion auf die Gewalttaten von München, Ansbach und Würzburg aus der Tasche. Nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt erhielt das Vorhaben im Dezember mehr Zuspruch, stieß während seiner Beratung aber immer wieder auf heftige Bedenken von Datenschützern und Bürgerrechtlern.

Am Montag hatten die Abgeordneten noch eine Anhörung zu dem Entwurf anberaumt. Der Ex-Bundesdatenschutzbeauftragte Hans Peter Bull wertete ihn dort als "richtig, angemessen, legitim, verfassungsgemäß". Ganz anders schätzte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar die Initiative ein, da diese "einen Weg für eine Totalüberwachung des öffentlichen Raums" ebne, ohne jedoch Terroristen abzuschrecken. Der Passauer Rechtsprofessor Kai von Lewinski meinte, es gehe wohl "um so etwas wie eine informationelle Sozialpflichtigkeit: dass man sich im Dienste der allgemeinen Sicherheit beobachten lassen muss".

Sprecher der Koalition erklärten bei der abschließenden Lesung zur ungewöhnlich späten Stunde rund um Mitternacht, dass der Gesetzgeber mit dem Vorstoß eine Lücke schließe und die Videoüberwachung voraussichtlich maßvoll erweitert werde. Linke und Grüne hielten dagegen, dass der Entwurf keinen Sicherheitsgewinn bringe, dafür aber massiv in Grundrechte eingreife und Private zu einer weiteren Form der Vorratsdatenspeicherung auf eigene Kosten anhalte. Sie beklagten auch das Eiltempo, mit dem Schwarz-Rot die Initiative durchs Parlament gejagt habe. Am Donnerstag hatten zuvor Aktivisten von Digitalcourage gemeinsam mit drei Abgeordneten der Grünen und der SPD vor dem Reichstag gegen den laufenden "Datenschutz-Ausverkauf" demonstriert.

Parallel verabschiedete der Bundestag einen weiteren Gesetzentwurf, wonach Bundespolizisten mit Bodycams bestückt werden soll. Die kleinen, an den Uniformen befestigten Kameras hätten sich im Einsatz in verschiedenen Bundesländern bewährt, meinte die Koalition bereits voriges Jahr. Die Aufzeichnungsgeräte könnten helfen, Übergriffe aufzuklären, oder in bestimmten Situation deeskalierend wirken.

Mit diesem zweiten Vorhaben will das Parlament zudem die Fahndung nach Fahrzeugen und deren Insassen "bei besonderen Gefahrenlagen" verbessern. Dafür kann die Bundespolizei künftig auch die umstrittenen automatischen Kfz-Kennzeichenscanner vor allem in grenznahen Regionen vorübergehend einsetzen. Zudem sollen die Befugnisse der Ordnungshüter ausgebaut werden, Telefongespräche in Einsatzleitstellen aufzuzeichnen. Die Opposition stimmte auch gegen diese Initiative, da vor allem die Nummernschilderfassung an Massenüberwachung und Schleierfahndung erinnere. Auch der Einsatz mobiler Videotechnik sei mangelhaft angelegt. (kbe)