4W

Was war. Was wird. Von seltsamen Gewölben und noch seltsameren Gewohnheiten.

Wenn Populisten und Nationalisten unter sich sind, entsteht eine eigene Filterblase, die manch Beobachter für die reale Welt hält. Die Zukunft aber, sie gehört ihnen nicht und nicht dem tiefen Staat. Hal Faber ist sich sicher. Ja, ist er. Ja, verdammt!

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 69 Kommentare lesen
Was war. Was wird. Von seltsamen Gewölben und noch seltsameren Gewohnheiten.

(Bild: Unsplash, Public Domain (CC0))

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Tralala, Tralala, schon wieder nach diesem lauten Abschied für Armin beginnt die kleine Wochenschau mit einem Lied. Who can cypher anything with zeros? Not well known, but simply worth the heros. Fucking-a man ... Tagelang twitterte Wikileaks geheimnisvolle Sachen über "Vault 7". Suchmaschinen wurden gepeitscht und spuckten einen Saatgut-Bunker in Norwegen aus, fesch in einer dieser Einöden gelegen, in der sonst James Bond oder Lara Croft herumballern. Genau dort, wo die Trolle hausen und liebevoll gepflegt werden, soll ein furchtbares Geheimnis stecken? Dann erklärten weitere Wikileaks-Tweets den Dienstag zum Tag des großen Showdowns, der universalen Nackigmachung der USA. Der Tag, an dem endlich die zentrale Forderung von Wikileaks aus dem Jahre 2013 realisiert wurde, als man sich beim 30C3 an die Zuhörer wandte: "Get the ball out!". Jawohl, der Ball ist draußen und wird gekickt: Die CIA ist erfolgreich von Hackern unterwandert und Vault 7 geöffnet worden, wenn es auch vielleicht nicht ganz die große Sensation geworden ist. Rom wurde ja auch nicht an einem Tag zerstört.

*** Wegen der Vorankündigungen von Wikileaks wurden wieder Kameras vor der ecuadorianischen Botschaft in London postiert, in der Julian Assange lebt. So wurde Nigel Farage fotografiert, wie er die Botschaft verließ, jener UKIP-Politiker, der noch vor zwei Wochen mit Donald Trump dinierte. Überraschend ist das nicht, denn die europafeindliche UK Independence Party hat sich schon frühzeitig für Assange engagiert, weil sie den europäischen Haftbefehl ablehnt. Nun darf spekuliert werden, ob Farage als Emissär vom wieder einmal Golf spielenden Trump (aber damit ist nun genug der T-Nachrichten, liebe(r) bgks) eine Nachricht für Assange hatte. Nach einer anderen Lesart ist Farage der Wikileaks-Kontaktmann von Roger Stone. So sind die Populisten unter sich und können über die umfassende Inkompetenz der Dienste lästern. Die Nacht darauf gehörte den Verliebten.

*** Knapp unter Norwegen mit seinen Gewölben liegt das Rhein-Main-Gebiet, jedenfalls von den USA aus gesehen. Hier hat die CIA also eine Zweigstelle, hier ist die Drehscheibe für Logistik aller Art, auch Ramstein ist nicht weit entfernt. Als Assange vom Kater Schmitt genug hatte, zog er bekanntlich von der Wiesbaden-Area zum Kongress des Chaos Computer Clubs, trat dort auf und wurde dabei von einem Undercover-Agenten beobachtet. Orte wie Frankfurt sind Proxies an denen man die Verbindungsoffiziere anderer Länder treffen kann, erläuterte Assange. Und überhaupt, irgendwo muss die CIA ja ihre gefürchtete Drohnenflotte hinstellen können.

*** Donald Trump mag in seinem früheren Leben vielleicht ein Baulöwe gewesen sein, doch eigentlich ist es dieses Silicon Valley, das den US-Präsidenten und den gesamten US-amerikanischen Individualismus-Kurs geprägt hat, dieses Tal der Ahnungsvollen mit den rücksichstlosen Hippies, die in ihren Kommunen wundervolle Individuen hervorbrachten, aber nichts für die Obdachlosen taten. Wie rücksichtsvoll es hier vor sich geht, zeigt sich bei den Bros von Uber, die auf der South by Southwest genauso ein Thema sind wie der Ersatz von Passwörten und Passphrasen durch Passgedanken, die durch EEG-Sensoren in den Hörgeräten oder Kopfhörern von Starkey übertragen werden und schweinisch sein können. Wobei Uber dort in Austin gar nicht am Start ist, was ausgewiesene Digerati wie Dieter Zetsche nicht irritieren dürfte. Sharing is caring is ausbeuting, wissenschon.

*** OK, diese Digitalisierung durch das Tal der Ahnungsvollen ist noch in einem sehr frühen Staudium, sodass niemand weiß, ob die Begriffe digital und Demokratie überhaupt noch einmal zusammenkommen werden. Dort, wo heute auf der norddeutschen Tiefebene in einer etwas anderes Sprache die Lijsttrekker das Kommando haben, gibt es den Endspurt eines Populisten mit seltsamer Frisur. Geert Wilders Parteiprogramm füllt nicht einmal eine DIN-A4-Seite und besteht eigentlich nur aus einem Satz: Europa kaputt machen. Dagegen und gegen andere seines Schlages steht Pulse of Europe, aber auch diese IT-Branche und die fortschreitende Digitalisierung? Der Vorschlag, nur Programmierer zu wählen, mag nach dem Abrutschen der Piratenpartei kurios erscheinen, dennoch gibt es ihn:
"Wir brauchen wieder die produktive Verrücktheit, aus der die EU entstanden ist, und weniger von der de­struk­tiven Vernunft, nach der sie gerade funktioniert. Warum lassen wir Algorithmen nicht mal etwas Nützliches tun und politische Probleme mit lösen? Dann wählen wir aber auch Programmierer dieser Algorithmen wie Abgeordnete oder Verfassungsrichter. Und was ist eigentlich dran an der Idee, Politiker auslosen zu lassen, statt sie zu ­ wählen?"

*** Das Auslosen der Politiker war damals im alten Griechenland, im Quellgrund der Demokratie, üblich und wäre mal eine tragfähige Idee für das Hier und Jetzt, gegen den dröhnenden Populismus und andere verschrobene Ideen. Zukunft wird aus Mut gemacht, Tralala, Tralala, irgendwie fängt irgendwann Irgendwo die Zukunft an (ja, ich gebe zu, der vorangegangene Link ist fast schlimmer als Rickrolling). Und Politiker werden ausgewürfelt, das ist nachweislich kostengünstiger. Sind wir nicht alle Herdentiere am Smartphone, vulgo in der Filterblase trötend? Irgendwo hört Zukunft auf.

(Bild: Pulse of Europe )

*** Aber erst einmal muss sie anfangen. Also nochmal, damit es keiner vergisst: Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, Europa aber möglicherweise noch schneller zerstört, wenn die Populisten und Nationalisten und Rassisten und Identitären und andere Menschenverächter ihr übles Spiel ungestört betreiben können. Also: Der #PulseOfEurope schlägt stark, und er kann jeden Sonntag um 14 Uhr stärker werden.

Was wird.

Aber wo fängt sie denn nun an, die Zukunft? Eine schlechte Gewohnheit treibt mich Jahr für Jahr auf die CeBIT, die Jahr für Jahr etwas mit Zukunft im Blick hat und mit Future Talk gar ein besonderes "aufregendes Format für die Vermittlung von IT-Forschung", wie es die Pressestelle formuliert. Früher rechtfertigte ich den Trott zur CeBIT mit der Masse an Pressekonferenzen, auf denen erst Papier, dann CD-ROMs und schließlich USB-Sticks verteilt wurden, zusätzliche Gadgets und Kugelschreiber nicht zu vergessen.

Gelegentlich gab es auf der CeBIT sogar interessante Produkte. Etwa genau vor 20 Jahren: diese Supertechnologie MMX in den neuesten Pentium-Prozessoren von NetPCs, die erstmals keine Erweiterungsslots hatten, zur "Erhöhung der Bedienungssicherheit", wie es Intels PR-Abteilung formulierte. Die Vorstellung dieser Wegschmeißtechnologie für Unternehmen war so ein CeBIT-Knaller, dass Intel und Microsoft das noch einmal in den USA wiederholten. Wer sich die neuen NetPC nicht leisten konnte, machte es damals wie die IG Metall und versiegelte die Diskettenlaufwerke mit Superkleber. Fortschritt macht erfinderisch und Mut ist manchmal nichts anderes, als auf die Tube zu drücken.

In diesem Jahr wird die Masse der Pressekonferenzen von der Deutschen Bahn gestellt, wenn man dem Messeplaner trauen darf, der neben dem autonomen Bahnfahren allerlei Seltsamkeiten als Pressetermine aufführt. Kann sich jemand etwas unter "Radikalisierung der Denkweise über New York" vorstellen? Genau, ein neuer Grund, die CeBIT zu besuchen, dieses Schaufenster der Digitalwelt. Vielleicht treten da ja nicht nur billige Schauspielkräfte auf, sondern gestählte ITler, die wirklich wissen, was sie tun. Denn es klingt gefährlich, so weitab weg vom Tal der Ahnungsvollen. Chatbots im Tal des Todes, da wimmert die Mundharmonika unter der Schlinge. Wie schön, dass zeitgerecht in Hannover die erste Cyberversicherung vorgestellt wird, mit "Cyberschutz" in allen Bereichen, selbst bei diesen Drohnenfliegern. Denn diese Hüpferli hat nicht nur die CIA, sondern auch der Chaos Computer Club. Da ist Gefahr im Anflug. (jk)