Post aus Japan: Nippon entdeckt die Internetsicherheit

Besser spät als nie. Später als die meisten anderen Länder rüstet der Pionier des mobilen Internets in Sachen Cybersecurity auf. Doch nun drückt das Land aufs Tempo, auch aus Angst vor blamablen Attacken während der Olympiade 2020.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Japan ist ein Land der Koexistenz der Widersprüche. Als ich nach Japan kam, war das Inselreich zwar ein Hort der Hightech, aber in Sachen Internet empfand ich Japan als Entwicklungsland. Dann holte die Nation auf und wurde zum Pionier im mobilen Internet. Doch eine Begleiterscheingung der Vernetzung wurde lange Zeit noch weniger Ernst genommen als anderswo: Cybersecurity.

Während Vorstände in den USA und Europa schon lange IT-Sicherheit auf der Tagesordnung hatten, war das Problem in Vorstandssitzungen in Japan kaum ein Thema, berichten japanische Cybersecurity-Experten. Außerdem tauschten laut einer internationalen Umfrage des Unternehmensberaters PWC weniger als ein Drittel der japanischen Firmen Informationen über Angriffe aus, während es im Durchschnitt der Studie über 60 Prozent waren.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Ein Grund sind vielleicht fehlende Organisationen, die solchen Austausch strukturieren, meint Mihiko Matsubara, regionale Sicherheitschefin des Palo Alto Networks in Japan. Aber auch die Scham-Kultur spiele wohl eine Rolle. Japanischen Firmen falle es daher noch schwerer als westlichen, Angriffe und Datenlecks einzugestehen.

Doch seit ein paar Jahren haben sowohl die Wirtschaft als auch die Regierung begonnen, den Rückstand aufzuholen. 2015 schlossen sich japanische Firmen wie der Telekommunikations- und Datenriese NTT sowie die Technikkonzerne NEC und Hitachi zusammen, um ein Informationsnetz über Cybersecurity zu bilden.

Das überraschte Matsubara positiv. Denn anders als in den USA zeigen Firmen selten Eigeninitiative, sie reagieren vielmehr erst auf Anweisung der Regierung, erklärt die Expertin. Auch die Regierung baut nicht nur Abteilungen für Cyberverteidigung auf, sondern stärkt auch die Ausbildung von IT-Personal. Denn Japan fehlen nach Schätzungen von Experten 80.000 bis 130.000 Cybersecurity-Fachleute.

Ein Grund für den plötzlichen Aktionismus waren riesige Datenlecks in Firmen und Behörden, ein anderer Cyberattacken Netze der Regierung und des Militärs. Besonders gefährlich sind demnach Hacker aus China und Nordkorea.

China hat neben dem Weltall auch die IT-Infrastruktur zum militärischen Ziel erklärt. Auch Nordkorea hat eine Hackerarmee aufgebaut, die aus Nordkorea oder kleinen Zellen in anderen Ländern auf digitalen Beutezug geht. Die Schätzungen über ihre Größe schwanken zwischen 7.000 und 30.000 Cyberkriegern. Und die Risiken für die Gegner – in Ostasien Südkorea und Japan – wachsen. "Die Qualität verschiebt sich von vielen nichtprofessionellen Angriffen auf wenige hochprofessionelle", meint ein Cyberexperte des Militärs.

Darüberhinaus drängen zwei andere Großereignisse Japans Regierung, mehr für Cybersicherheit zu tun. Das erste ist die Einführung von persönlichen Kennnummern für jeden Bewohner Japans, die Bankkonten, Steuerzahlungen, Krankenakten und vielen anderen Prozessen zugeordnet werden. In einem Land, das bisher keinen Personalausweis kennt, werden damit auf einmal zentralisierte Datenbanken möglich. Dies wiederum erhöht die Chance, dass riesige Mengen an persönlichen Daten gestohlen werden oder in die Öffentlichkeit geraten.

Lecks vorzubeugen wird daher immer wichtiger. Noch dringlicher wird die Herausforderung durch die Alterung der Gesellschaft. Denn Gesundheitsexperten drängen darauf, die Patientendaten wenigstens anonymisiert zu sammeln, mit Künstlicher Intelligenz auszuwerten und so effizienter Kranke zu behandeln.

Zweitens wird Tokio 2020 die Sommer-Olympiade veranstalten. Die Japaner sorgen sich nun, dass die Sportveranstaltung nicht nur ein attraktives Ziel für Terroristen, sondern auch für Hacker sein könnte.

Eine Lähmung der Infrastruktur durch Cyberangriffe oder ein anderes Malheur würden nicht recht ins Bild passen. Schließlich will Japans Ministerpräsident Shinzo Abe die Spiele zu einer Leistungsschau für Hightech aus Japan machen, von selbstfahrenden Autos bis zu Robotern. Ich könnte mir daher vorstellen, dass Japan die Olympiade nutzt, um auch im Bereich Cybersecurity erneut eine Aufholjagd zu starten. Genug Geld ist da, der Olympiade sei Dank.

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