Das Smart Home wird energieautark

Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, eine Batterie im Keller – immer mehr Hausbesitzer tun etwas für die Energiewende. Neueste Rechnungen zeigen: Sie sparen dabei sogar Geld.

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Von
  • Bernd Müller

"Willkommen." Mit einer Handbewegung bittet Martin Öller die Gäste in das Haus, das außen futuristisch mit Holzlatten verkleidet ist. Im Wintergarten herrscht rotes Dämmerlicht, dazu gibt es sanfte Musik passend zur Abendstimmung. Der Duft von frischem Nadelholz liegt in der Luft, alles wirkt natürlich und irgendwie öko. Doch wo naturverbundene Hausbesitzer auf jeglichen Elektronikschnickschnack verzichten, fährt Öller das volle Programm auf, was das Smart Home heute zu bieten hat. Perpetuum Smart Home heißt ein Demohaus, das Loxone in Niederösterreich errichtet hat. Es soll zeigen, was heute technisch möglich ist und warum es sich lohnt, einiges Geld für ein System des österreichischen Unternehmens auszugeben.

Loxone-Chef Öller öffnet einen Schaltschrank, wie man ihn aus kleineren Industriebetrieben kennt. Darin steckt das Gehirn des Demohauses – ein grünes und mehrere schwarze Module, die wie große Bausteine aneinandergereiht und über hunderte Kabel verdrahtet sind. In einem zweiten Schrank steckt der Rechner, der sämtliche Räume mit Musik nach Lust und Laune beschallt. Dann folgt noch ein Wechselrichter für die Photovoltaikanlage, darunter steht eine Batterie, die Energie zwischenspeichern kann. Mehr Smart Home geht nicht.

Aber ist das überhaupt sinnvoll? Öller kontert mit einer Gegenfrage: "Wie oft knipsen wir das Licht an, wie oft die Hifi-Anlage oder den Rolladenantrieb?" 50.000 solche Handgriffe seien es pro Jahr im Haushalt, schätzt er. Das sei zu viel. Mit seinem Unternehmen möchte er eine Art Autopilot für das Smart Home bereitstellen, der den Bewohnern möglichst viel Arbeit abnimmt. Eine angenehme Temperatur, eine passende Lichtstimmung oder Musik – vieles soll die intelligente Steuerung im Hintergrund übernehmen. Das System kennt die Komforttemperatur der Bewohner und lernt, wie sich die Räume verhalten, etwa wenn die Sonne durchs Fenster fällt. Dazu ist das Zusammenspiel wichtig und nicht Einzellösungen, etwa Heizungsthermostate, Jalousien oder Beleuchtung, die sich per App steuern lassen, die aber getrennt reagieren. "Wichtig ist, dass man das Smart Home nicht bemerkt", fordert Öller. Energiesparen, Komfort und Sicherheit seien die drei Triebfedern und die gelte es zu optimieren. Er nennt das Smart Home 3.0.

50.000 Smart Homes hat Loxone nach eigenen Angaben schon realisiert. Dabei ist der Komfort nicht billig. Zwischen 5.000 und 7.000 Euro muss der Kunde fürs Material rechnen, hinzu kommt die Installation ins Stromnetz, denn Loxone steuert darüber alle Verbraucher. Unterm Strich kommen so für ein Einfamilienhaus 15.000 Euro zusammen. Für Mieter ist das eher nichts, aber wer sich ein neues Haus baut, wird sich leichteren Herzens für die Zusatzinvestition entscheiden. Dafür bekommen die Kunden ein Raumbedienkonzept aus einem Guss. Das Licht wird dabei ganz klassisch über Tasten geschaltet, allerdings intuitiv mit wenigen Tasten und in jedem Raum gleich.

Während sich die Gäste verwöhnen lassen, sparen die Photovoltaikanlage und die Batterie elektrische Energie, und zwar so viel, dass der Einbau auch wirtschaftlich sinnvoll ist. "Die Preise für Photovoltaikmodule sind in den letzten Jahren dramatisch gefallen – jetzt sinken auch die Speicherkosten", sagt Andreas Gutsch, Geschäftsführer des Technologiezentrums Solarwatt Innovation. Mit einem Komplettsystem von Solarwatt in einem Einfamilienhaus sei der Strom bereits deutlich günstiger als aus dem Netz. Erst letztes Jahr ist Gutsch zu dem Familienunternehmen nach Dresden gewechselt, das kurz zuvor den Batteriehersteller E-Wolf übernommen hatte. Damit hat das Unternehmen alle notwendigen Technologien wie Photovoltaikmodule, Batterien, Leistungselektronik und Software im eigenen Haus.

Bevor Gutsch zu Solarwatt kam, hatte er sich am Karlsruher Institut für Technologie wissenschaftlich mit stationären Speichern befasst. Unter anderem hat er einen Sicherheitsleitfaden verfasst. Anlass waren Beobachtungen auf der Intersolar-Messe 2014. "Dort habe ich üble Sachen gesehen", sagt Gutsch, darunter Batterien, die nicht kurzschlussfest oder gegen Überladung gesichert waren. "Die waren buchstäblich brandgefährlich." Doch das habe sich nicht zuletzt dank des Leitfadens stark gebessert.

Solarwatt hat für ein typisches photovoltaikbestücktes Einfamilienhaus mit Batteriespeicher berechnet, was der Besitzer sparen kann. Auf dem Dach sind Solarmodule mit vier Kilowatt Leistung installiert, im Keller hängt ein Speicher mit 6,6 Kilowattstunden Energieinhalt. Die Rechnung geht von einem Vierpersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden aus. Der Eigenverbrauch liegt bei 2.700 Kilowattstunden, an sonnigen Tagen reicht der Solarstrom, um insgesamt 1.200 Kilowattstunden ins Netz einzuspeisen und dafür EEG-Umlage zu kassieren. Hat die Familie vorher 1.200 Euro pro Jahr für ihren Strom bezahlt, sind es nun nur noch 240 Euro. Die komplette Anlage, die nach heutigem Stand 11.000 Euro plus 4.000 Installation kostet, hat diese Investition nach 14 Jahren wieder eingespielt, wobei Alterung der Anlage und Strompreiserhöhungen eingerechnet sind.

In den letzten Jahren hätten hauptsächlich Liebhaber einen Stromspeicher gekauft, denen die Wirtschaftlichkeit nicht so wichtig war. "Jetzt kauft jedermann", sagt Gutsch. Die Kunden wollten sich von künftigen Strompreiserhöhungen abkoppeln. Trotz weiter fallender Preise lohne es sich nicht, zu warten. "Schon jetzt sparen die Käufer bares Geld."

Die Nachfrage sei deshalb dramatisch angestiegen, sagt Gutsch. Derzeit erreichen Solarwatt mehrere tausend Anfragen im Monat. Auch wenn nicht alle kaufen, geht man bei dem Unternehmen für 2017 von deutlich mehr als den rund 2.000 im Jahr 2016 verkauften Speicher aus. Die meisten der Kunden interessieren sich dabei für Komplettsysteme, es handelt sich also vorwiegend um Haushalte, die noch keine Photovoltaikanlage auf dem Dach haben.

Die Technologieentwicklung wird sich in den kommenden Jahren verlagern, weg von der Speichertechnologie und hin zu Software und Netzdienstleistungen. In Italien ist vorgeschrieben, dass Batteriespeicher die Netzspannung stabilisieren, das wird auch in Deutschland so kommen. Zudem werden Steuerungssysteme zusammenwachsen. Heute ist die Steuerung eines Solarstrom-Speicher-Systems vom Smart Home getrennt. Wachsen beide zusammen, lassen sich weitere Effizienzvorteile durch höheren Eigenverbrauch erzielen. So kann ein Energiemanager Verbraucher im Haus steuern, etwa die Waschmaschine oder die Heizung fürs Aquarium, zum Beispiel über eine Funksteckdose – und natürlich das Elektroauto aufladen. Andreas Gutsch: "Die Verheiratung von Stromspeichersystemen mit Smart Home kommt in den nächsten fünf Jahren."

(jle)