Butler aus der Dose

Das Smart Home hört künftig aufs Wort – dank Helfern wie Amazon Echo oder Google Home. Als Nächstes ziehen soziale Roboter ein, die uns mehr Aufgaben abnehmen sollen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Bernd Müller

"Wie nennt man ein junges Pferd?" "Man nennt es Fohlen." Cayla weiß auf fast alle Fragen eine Antwort. Sogar auf diese: "Wie backt man einen Kuchen?" "Eier, Mehl, Milch, Butter und Backpulver zusammenrühren", lautet Caylas etwas unpräzise Antwort. "Fantastisch, was sie alles weiß", wirbt die Vivid Toy Group um Eltern, damit die ihren Töchtern das neue Hightech-Spielzeug mit den blauen Augen und den blonden Haaren kaufen.

Damit ist es zumindest in Deutschland vorbei. Die Bundesnetzagentur hat die smarte Puppe kürzlich verboten, weil sie darin eine illegale Abhörtechnik sieht. In Cayla steckt ein Mikrofon und Funktechnik, sie schickt alles, was im Kinderzimmer gesprochen wird, an den US-Konzern Nuance Communications. Dort wird die Sprache ausgewertet, vermutlich zu Zwecken der Marktforschung. Nuance arbeitet aber auch mit Geheimdiensten zusammen.

Cayla kam 2014 auf den Markt und ist eine Vorreiterin für Sprachassistenten, die in der Wohnung auf Stimmen lauschen und darauf reagieren. Nach demselben Prinzip arbeiten auch die neuen Sprachbutler wie Amazons Echo beziehungsweise Echo Dot oder Googles Home. Ihre Mikrofone erkennen Stimmen auch in mehreren Metern Entfernung, schicken diese zur Analyse in die Cloud und senden eine Antwort zurück, die vorgelesen wird oder die eine Aktion auslöst, etwa das Licht zu dimmen. Der Unterschied zu Cayla: Bei Echo oder Home geschieht das nicht verdeckt, weshalb diese Geräte von der Bundesnetzagentur nicht als Spionagewerkzeuge eingestuft werden.

Die Nachfrage scheint riesig zu sein. Amazon verschickte Echo anfangs nur auf Einladung, jetzt ist der schicke Zylinder frei erhältlich und dürfte ein Erfolg werden. Denn Echo weiß nicht nur, wie das Wetter wird, es spielt auch Musik (selbstverständlich aus Amazons Music) oder liest Kochrezepte vor, sofern die entsprechenden Zusatzapps, Skills genannt, installiert wurden. Der Konzern plant weitere solcher Skills, die gemeinsam mit Webdienstleistern entwickelt und ähnlich wie eine App aufgespielt werden. Einige Anbieter von Smart-Home-Lösungen springen auf den Echo-Zug auf, zum Beispiel digitalSTROM, auch Google Home lässt sich in die Plattform des deutsch-schweizer Unternehmens integrieren.

Mit Echo und Home bricht eine neue Ära der Heimautomation an. Die begann in den 1990ern mit regelbasierten Systemen. "Wenn es 19 Uhr ist, dann schließe die Rollläden." Doch solche Regeln sind zu starr, vielleicht möchte man im Sommer ja auch mal bis 22 Uhr in den Garten schauen. Deshalb fügten die Hersteller Sensorik hinzu, etwa einen Helligkeitssensor, der die Rollläden je nach Lichteinfall schließt. Mit dem Siegeszug der Smartphones übernahmen dann Apps die Aufgabe, Rollläden, Heizung oder Licht zu steuern.

Hier gibt es heute eine unüberschaubare Zahl von Systemen Dutzender Hersteller. Beispielhaft sei Hue von Philips genannt. Unter diesem Namen hat der niederländische Konzern ein umfangreiches Beleuchtungssystem im Angebot, zum Beispiel Lampen, die man per Smartphone dimmen kann, sogar die Lichtfarbe lässt sich ändern. Viele Anbieter von Smart-Home-Lösungen binden die Hue-Lampen ein, teilweise lassen sich Lichtszenarien hinterlegen. Wacht man morgens auf, erwartet einen im Badezimmer weißes Licht mit einem hohen Blauanteil, das macht wach. Abends dagegen, vor dem Schlafengehen, ist das Licht eher rötlich, das macht müde.

Die Zeit der Insellösungen scheint vorbei, die Anbieter bemühen sich, möglichst viele Herstellerstandards zu unterstützen. So erlaubt es digitalSTROM neuerdings, auch Geräte zu integrieren, die auf dem KNX-Protokoll basieren. Und Küchenhersteller Tielsa kooperiert bei seiner Produktreihe Tielsa:connect mit Philips (Licht), Osram (Licht), Sonos (Musik), WHD (Musik), Future Shape (intelligenter Fußboden) und Miele (Haushaltsgeräte). Auch Tielsa setzt auf Spracherkennung: Der Sprachbefehl „Tielsa, bitte bereite die Küche auf das Frühstück vor!“ stellt ein individuelles Lichtszenario ein, die Soundanlage spielt die Lieblingslieder ab, der Wasserkocher erhitzt das Wasser für den Morgentee und die Essbar stellt sich auf die Wunschsitzhöhe ein.

"Die Nutzer werden Technologien mischen", prophezeit Prof. Sahin Albayrak, Direktor von Connected Living, einem Netzwerk von 50 Unternehmen, Verbänden und Forschungseinrichtungen, das über Kooperationen und Projekte die Zukunft des vernetzten Lebens vorantreiben möchte. Der Markt sei nun reif, sagt Albayrak, viele neue Produkte würden in nächster Zeit auf den Markt kommen, dabei werde die Zahl der Anbieter sogar noch steigen. Um die deutschen Anbieter macht sich der Informatiker keine Sorgen. US-Firmen würden immer die einfachste Lösung anbieten, siehe Nest von Google, Smart Home sei aber sehr komplex. "Deutsche Anbieter entwickeln dagegen komplette Systemlösungen und sind gut aufgestellt." Der Markt ist riesig: Detecon Consulting beziffert den Markt für Connected Living auf 731 Milliarden Dollar für 2020, wobei hier auch Anwendungen am Arbeitsplatz und in der vernetzten Stadt inbegriffen sind.

Viele der Systemlösungen fürs Smart Home entwickeln sich in Richtung Automatisierung. Apps zur Steuerung, die einfach einen Lichtschalter aufs Smartphone übertragen, sind dabei ein Auslaufmodell. Viele Kunden werfen App-Steuerung und Smart Home aber immer noch in einen Topf. „Ein Smart Home muss ohne App funktionieren“, fordert Stefan Heinle, Autor des Buches "Heimautomation mit KNX, DALI 1-Wire und Co." aus dem Rheinwerk-Verlag und Besitzer eines Hauses, das mit dem KNX-Standard automatisiert ist. Das sieht auch Boris Rupnik so, Geschäftsführer von TID-concept, einem Anbieter von Smart-Home-Lösungen in Bonn. "Früher haben wir uns über fünf Fernbedienungen geärgert, heute haben wir fünf Apps – wo ist da der Fortschritt?" TID-Concept nutzt das Automatisierungssystem Control4, das Sicherheit, Audio, Heimkino und vieles mehr über Wanddisplays in jedem Raum steuert oder über Taster und Wippen, die wie herkömmliche Lichtschalter an der Wand sitzen. Sie lassen sich beliebig programmieren, gravieren und mit unterschiedlichen Farben hinterleuchten.

Schaut man sich die Vorankündigungen zur CeBit 2017 an, scheint die Herrschaft der Apps tatsächlich gebrochen. Viele Anbieter beschäftigen sich mit natürlicheren Formen der Interaktion. So haben einige Hersteller ihr System für Amazons Echo geöffnet, das damit immer mehr zur Anlaufstelle für alle Steuerungsaufgaben im Smart Home wird. Für die Anbieter hat das Vorteile, weil sie das am weitesten fortgeschrittene System zur Spracheingabe und -ausgabe nutzen können, ohne es selbst entwickeln zu müssen. Und Amazon profitiert, weil sämtliche Informationen, was im Haus gedimmt, geschaltet, geschützt und gesprochen wird, über die Amazon-Cloud laufen. Das ist ein riesiger Schatz an Informationen über die Lebensweise von Millionen Kunden, aus denen der Handelsriese wichtige strategische Entscheidungen ableiten kann.

Daran ist auch Google interessiert. Google Home kann Tickets bestellen, Einkaufslisten schreiben und vieles mehr. Und natürlich ist der digitale Butler mit weiteren Google-Angeboten verknüpft, etwa mit dem Musikstreamingdienst Google Play Music und mit Nest, dem intelligenten Heizungsthermostat. Doch die 3,2 Milliarden Dollar, die der Suchmaschinenriese für die Übernahme von Nest hingeblättert hat, gelten keineswegs dem Heizungsregler, sondern den Daten, die dieser über die Lebensgewohnheiten der Nutzer sammelt.

"Die Fähigkeit, Sprache und Kontext zu verstehen sowie Abläufe durch Sensorik oder Bilder zu erkennen, erlaubt eine ganz natürliche Interaktion mit dem Haus", sagt Martin Vesper, CEO der digitalSTROM AG. Jeder digitalSTROM-Haushalt habe damit einen eigenen unsichtbaren Butler. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel bekomme diese Entwicklung eine besondere Bedeutung. Menschen jeden Alters und unabhängig von ihrer Technologieaffinität würden somit in die Lage versetzt, auch komplexere Technologien nutzen zu können.

Der Smart-Home-Pionier setzt dabei auf Bots. Sie verleihen elektrischen Geräten wie dem iKettle-Wasserkocher, dem V-ZUG Kombi-Backofen MSLQ, dem Dornbracht-eUnit-Wasserhahn oder dem Rehau-Geno-Inovent-Fenster eine eigene Intelligenz. Diese Geräte sind damit nicht nur lernfähig, sondern auch in der Lage, sich situationsbedingt automatisch an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. So weiß der Wasserkocher, auf welche Temperatur er das Wasser für Grünen Tee erhitzen soll. Das Abfotografieren der Verpackung einer Tiefkühlpizza reicht aus, um den Backofen automatisch auf die richtige Temperatur und Zubereitungsdauer der Pizza einzustellen. Und der Wasserhahn erkennt, ob ein Apfel gewaschen oder eine Tasse mit Wasser gefüllt werden soll.

Um die Bedienung noch natürlicher zu machen, setzt digitalSTROM auf humanoide Roboter als Helfer im Haus. Die Interaktion zwischen Mensch und Roboter erfolgt dabei ganz natürlich – wie zwischen Menschen. Der Roboter Pepper kann Kaffee kochen, wenn man ihm das mimisch mitteilt. Andere Geräte im Haus nutzen den Roboter und erweitern so ihre Funktionalität. Die Kaffeemaschine kann Pepper bitten, ein Foto der Maschine zu machen, um zu analysieren, ob eine beziehungsweise welche Tasse unter dem Kaffeeauslauf steht. Pepper wurde gemeinsam entwickelt vom französischen Unternehmen Aldebaran Robotics SAS und dem japanischen Telekommunikations- und Medienkonzern SoftBank Mobile Corp. Pepper sieht entfernt menschlich aus und reagiert auf Mimik und Gesten, um daraus Emotionen zu erkennen. Der Gefährte wurde eigentlich konzipiert für Aufgaben in Verkaufsräumen oder im Gesundheitswesen, könnte nun aber auch zu Hause einziehen.

Eine Mischung aus Echo und Roboter ist Jibo. Auf Sprachbefehle reagiert Jibo mit einem Kopfnicken und Blinzeln, dann schaltet er das Licht ein oder führt andere Aktionen im Haushalt aus. Jibo ist ein etwa 30 Zentimeter hoher "sozialer Roboter", der erste der Welt, wie das Startup Jibo betont. Das gelenkige Kerlchen kann Kopf und Taille drehen, gibt Lichtsignale von sich und kommuniziert mit Menschen über das in seinen Kugelkopf eingebaute Display. Jibo sieht nicht aus wie ein Mensch, aber man meint doch, menschliche Verhaltensweisen zu erkennen. Das Jibo-Projekt wurde durch eine Crowdfunding-Kampagne auf Indiegogo finanziert. Wie bei vielen solchen Kampagnen lässt das Ergebnis auf sich warten. Der bereits mehrfach verschobene Start wurde im Oktober erneut verschoben, derzeit kann man sich in eine Warteliste eintragen. Deutsche Kunden sollten sich das gut überlegen, denn das Startup hat zugegeben, dass die Spracherkennung bisher nur in Englisch gut klappt und dass andere Sprachen erstmal nicht unterstützt werden.

Spracherkennung und Soziale Roboter sind die Zukunft – auch wenn sie sich aufgrund limitierter Fähigkeiten nicht so schnell durchsetzen werden, wie es die Unternehmen erhoffen. Vielleicht gibt es aber auch eine Umkehr zu mehr Einfachheit. Ikea hat mit Tradfri (schwedisch für drahtfrei) Lampen vorgestellt, die sich über ein Tastenfeld steuern lassen, per Funk, aber ohne App – darin unterscheidet sich das Ikea-Produkt deutlich von Philips Hue oder Osram Lightify. Dimmen und Lichtfarbe ändern kann die Schweden-Lampe auch, bei manchen Funktionen versteht sich die Fernsteuerung auch mit den Produkten von Philips oder Osram.

(jle)