Konflikte um Afrikas größtes Wasserkraftwerk

Mehr als genug Strom für die gesamte Bevölkerung: Ein Nilstaudamm zwanzig Kilometer vor der Grenze zum Sudan soll Äthiopien diesen Traum erfüllen. Aber es gibt Streit.

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Von
  • Roman Goergen

Für das zu Beginn des Jahrzehnts gestartete Projekt wendet der ostafrikanische Staat enorme Mittel auf. Es ist Teil eines größeren Plans für Talsperren und damit verbundenen Hydro-Kraftwerken, in den Äthiopien in den kommenden zwanzig Jahren insgesamt rund zwölf Milliarden US-Dollar investieren will.

Das Prunkstück dieser Agenda steht mit dem Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) kurz vor der Vollendung. Die Talsperre in der westäthiopischen Provinz Benishangul-Gumuz wird am Ende eine Höhe von rund 170 Metern haben und den Blauen Nil auf einer Breite von 1800 Metern stauen. Ihr Reservoir hat eine prognostizierte Kapazität von 74 Milliarden Kubikmetern – das entspricht quasi dem gesamten Wasservolumen des Flusses.

Im Juli dieses Jahres soll das Mammutprojekt fertig werden, auch wenn auf vielen Seiten Skepsis herrscht. Der US-Nachrichtendienst Bloomberg zum Beispiel meldet die Fertigstellung erst für das kommende Jahr. Um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen, erlaubt die äthiopische Regierung allerdings wenig Widerspruch. Oppositionelle Kritiker der gigantischen Bauprojekte landen oft im Gefängnis. Das Wasser der Talsperre soll insgesamt 16 Turbinen mit einer Gesamtkapazität von 6000 MW antreiben – ein Rekord für Afrika. "Es ist zwar fraglich, wie oft man wirklich diese Gesamtkapazität erreichen kann", sagt Kevin Wheeler, Ingenieur für Wasserressourcen an der Oxford University. Aber auch wenn die Stromerzeugung unter dem Plan liegt, wäre sie ein Segen für das Land.

Gegenwärtig verfügt nur ein Viertel aller Äthiopier über regelmäßigen Zugang zu Elektrizität. GERD würde die Stromerzeugungskapazität in Äthiopien auf einen Schlag mehr als verdoppeln. "Das Land sieht das Projekt als Schlüsselfaktor, um sich aus seiner Armut zu befreien", sagt Wheeler, der seine Doktorarbeit über GERD geschrieben hat.

Skeptisch begegnen allerdings die Nachbarstaaten dem Staudammprojekt. Vor allem Ägypten fürchtet, Äthiopien könne ihm buchstäblich den Hahn abdrehen. Das Land deckt etwa 87 Prozent seines Bedarfs an Wasser aus dem Nil und pocht daher auf seinem 1959 vertraglich zugesicherten Anspruch auf 55,5 Milliarden Kubikmeter.

Seit neue Präsidenten in Addis Abeba und Kairo an die Macht gekommen sind, hat sich der Ton allerdings entschärft. Im März 2015 unterschrieben die Staatsoberhäupter beider Länder gemeinsam mit der sudanesischen Regierung eine Erklärung, welche die Talsperre am Blauen Nil billigt, solange sie "keinen signifikanten Schaden" für die Länder stromabwärts verursache. Ob dies wirklich der Fall ist, sollen zwei französische Gutachterfirmen klären.

Besonders heikel ist das Füllen der Talsperre. Denn dann muss viel mehr Wasser einlaufen als herausfließt. Laut Wheeler wird dies rund sieben Jahre dauern "und sollte mit großer Vorsicht vonstatten gehen". Der Oxford-Wissenschaftler schlägt vor, eine Quote festzulegen, wie viel Wasser die Talsperre jährlich freigeben muss. Aber auch später noch müssten Äthiopien, Ägypten und der Sudan in Sachen GERD eng zusammenarbeiten. (bsc)