Spaltungstendenzen beim Bitcoin: Börsen stellen Notfallplan vor

Der Streit, wie der Bitcoin schneller und leistungsfähiger werden kann, eskaliert immer mehr. Die sich spinnefeinden Lager versammeln sich hinter zwei Vorschlägen für Protokolländerungen.

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Bitcoin

(Bild: dpa, Jens Kalaene)

Lesezeit: 4 Min.
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Der Streit über größere Datenblöcke in der Bitcoin-Transaktionsdatenbank Blockchain wird schärfer. Zwei unterschiedliche Vorschläge für Protokolländerungen, SegWit und Bitcoin Unlimited, polarisieren zunehmend die Community. Die wichtigsten Handelsplätze der Kryptowährung haben darauf in einem offenen Brief ihren Notfallplan offenbart: Sollte es tatsächlich zu einer Spaltung des Netzwerks kommen, wollen sie künftig den Bitcoin und Bitcoin Unlimited als separate Einheiten handeln, heißt es in dem Schreiben vom vergangenen Freitag. Auch der größte Walletdienst Coinbase nahm inzwischen Stellung, wie er nach einer Spaltung agieren wolle.

Entwickler von Unlimited erklärten daraufhin gegenüber dem Fachdienst Coindesk, dass nach einer Spaltung die Bezeichnung Bitcoin und das zugehörige Börsenkürzel doch jenem Strang der Blockchain gehöre solle, der die größere Mining-Leistung hinter sich habe. Gerade die großen Miningpools in China stehen hinter Unlimited. Auf der Gegenseite äußerte sich etwa der namhafte Core-Entwickler und SegWit-Unterstützer Peter Todd und sprach auf Twitter vom Versuch einer 51-Prozent-Attacke "einiger Miner". Das bezeichnet ein Angriffsszenario, bei dem die Mehrheit der Miningleistung in Händen bösartiger Akteure liegt.

Hintergrund ist, dass das Bitcoin-Netzwerk an die Grenzen seiner Kapazitäten gerät. Bitcointransaktionen werden in kryptografisch miteinander verketteten Datenblöcken eingetragen – das Größenlimit ist dabei auf 1 MByte pro Block festgelegt. Die erreichten Blockgrößen nähern sich immer mehr dem Limit, zugleich schwillt die Zahl der auf Eintragung wartenden Transaktionen häufiger zu großen Backlogs an. Um das zu lösen, muss das Protokoll geändert werden – keine triviale Angelegenheit in einem laufenden dezentralen Netzwerk, in dem derzeit Milliardenwerte verwaltet werden.

Die Entwickler des Referenzclients Bitcoin Core haben bereits vergangenen November die Protokolländerung SegWit (kurz für Segregated Witness) vorgeschlagen. Die tastet nicht das Limit an, sondern soll vereinfacht gesagt die Transaktionseintragungen ändern, was rund 70 Prozent mehr Kapazität bringen könnte. Der Vorteil: Segwit kann auch als sogenannter Soft Fork umgesetzt werden und wäre so auch für ältere Clientversionen verträglich, die den Wechsel nicht vollziehen. Dadurch würde vermieden, dass ältere Clients eine abgespaltene Version der Blockchain erzeugen.

Der Vorschlag hat die Rückendeckung zahlreicher Unternehmen und Dienstleister der Bitcoinszene. Allerdings müssen über einen Zeitraum von zwei Wochen 95 Prozent der erzeugten Blöcke durch einen Eintrag im Blockheader Unterstützung signalisieren. Das heißt: Abgestimmt wird nur von den Teilnehmern, die ihre Rechenleistung fürs sogenannte Mining bereitstellen. Und die Miner wollen offenbar nicht. Die Zustimmung stagniert seit längerem leicht über 25 Prozent.

Vielen Kritikern ist der Vorschlag offenbar zu konservativ. Die momentan prominenteste Alternative Bitcoin Unlimited sieht flexible Blockgrößen ohne Limitierung vor. Das würde allerdings einen harten Fork bedeuten – ältere Clients würden also solche Blöcke als ungültig zurückweisen und an einer eigenen Version der Blockchain weiterarbeiten. Ein solcher Hard Fork ereignete sich kürzlich bei der Kryptowährung Ethereum, die mittels Protokolländerung die Folgen eines Softwarefehlers der virtuellen Investmentgesellschaft The DAO ausbügelte. Ein Teil der Nutzer verweigerte sich der Änderung und läuft seitdem unter dem Namen Ethereum classic als separate Währung.

Eine vergangene Woche bekannt gewordene Sicherheitslücke, die DoS-Angriffe auf Unlimited-Nodes ermöglichte, sorgte nur für einen kurzen Dämpfer. Die Zahl der Nodes fiel nach Bekanntwerden steil ab, stieg aber mit Verfügbarkeit einer gepatchten Softwareversion dann wieder auf den alten Stand von etwas über 750.

Große Miningpools wie Antpool und ViaBTC, hinter denen das chinesische Unternehmen Bitmain steht, machen jedenfalls kein Hehl daraus, dass sie Unlimited favorisieren. Die Zahl der Blöcke mit Unlimited-Unterstützung stieg am Wochenende laut Zahlen von Blockchain.info sogar auf über 40 Prozent an. Ob das nur ein kurzfristiger Trend ist, bleibt abzuwarten. Die Unlimited-Macher wollen bei einer länger anhaltenden Zustimmungsrate von über 75 Prozent loslegen.

Eine gütliche Einigung der beiden Lager ist nicht in Sicht. Vom ursprünglichen Anspruch, das Finanzsystem der Banken und staatlich beeinflussten Zentralbanken ersetzen zu können, scheint der Bitcoin im Moment weiter denn je entfernt. Derzeit ist sich die Community offenbar Gegner genug.

[UPDATE, 20.03.2017, 17:45]

Eine frühere Fassung bezeichnete die beiden Vorschläge für Protokolländerungen fälschlicherweise als "miteinander inkompatibel". Das wurde korrigiert. (axk)