Post aus Japan: Das Roboterreich Nippon schwächelt

Technikgeschichte scheint sich zu wiederholen. Erst Displays, dann Solarzellen – und nun Roboter. Sobald eine Technologie global abhebt, verliert Pionier Japan an Kraft. Abhilfe naht.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Schaut man sich den jüngsten globalen Roboterboom an, drängt sich aus japanischer Sicht eine Sorge auf: Fällt das Land wieder einmal just dann zurück, wenn andere Länder die neue Technik als Markt entdecken? Bei Solarzellen sonnte sich Japan zwei Jahrzehnte lang in dem Glauben, die führende Nation zu sein. Doch die Hersteller wurden abgehängt als der Boom in Europa losging. Bei Flachdisplays wiederholte sich das Drama.

Nun warnt der Unternehmensberater Frost & Sullivan in einer Studie über die Robotik, dass sich die Dominanz in Entwicklung und Anwendung von Automaten und smarten Systemem "vom frühen Epizentrum Japan auf die USA verschoben hat." Eine Studie des britischen Centre for Economics and Business Research zeichnet einen ähnlichen Trend. Demnach hat sich Japans Roboterpopulation seit ihrem Rekordhoch 1993 um 20 Prozent reduziert.

Dies erlaubt es den USA, Südkorea (das Deutschland überholt hat) und Deutschland, die Lücke zu Japan zu schließen. Aber das Zentrum auf der Suche nach Robotern und Geschäftsmodellen der automatisierten Zukunft scheint wieder einmal ins Silicon Valley zu wandern, dem Schnellen Brüter digitaler Ideen. Denn dort treffen sich bisher Wissen, Ambition und Investoren aus aller Welt und quer durch die Industrien.

Japans Pioniere hingegen drohen wieder einmal Opfer ihrer eigenen Gründlichkeit zu werden: Sie streben Perfektion und sichere Gewinne an. Aber damit sind sie in der Welt der Start-ups schlicht zu langsam bei der Markteinführung guter Einfälle. Zudem fehlt ihnen oft auch das Auge und Verständnis für digitale Geschäftsmodelle und besonders die Welt außerhalb ihres Inselreichs.

Dazu addieren sich noch amtliche und kulturelle Hindernisse vor allem in einem Bereich, der als große Wachstumschance gilt: dem Gesundheitswesen. Japaner stehen Robotern zwar im Allgemeinen positiver als die Menschen in den meisten anderen Ländern der Welt gegenüber. Aber wenn es in Krankenhäuser oder Altersheimen konkret um den Einsatz des Kollegen Maschine geht, sperren sich die Mitarbeiter oft.

Zusätzlich schränken enge Regeln daheim die Hersteller ein. Und so testen sie ihre Produkte oft in anderen Ländern wie Singapur oder Dänemark. Die gute Nachricht für Japan: Das Land könnte auch weiterhin das Tempo mitbestimmen.

Erstens erkennt die Politik, dass die Regeln gelockert werden müssen, um den neuen Ideen auch in Japan Flügel zu verleihen. Zweitens wird Japan plötzlich wird Japan von einem waren Fieber für künstliche Intelligenz und Robotik erfasst.

Bisher gab es wenig Technik, die sich für die Firmen rechnete, meint Morton Paulson, Robotikexperte des Investmenthauses CLSA in Tokio. "Aber seit der zweiten Hälfte 2016 sehen wir einen großen Wandel, Maschinenlernen kommt jetzt wirklich."

Dieser Bewusstseinswandel in der Industrie spielt wiederum Japans Stärke in der verarbeitenden Industrie und vor allem im Maschinen- und Anlagenbau in die Hände. Roboterhersteller wie Fanuc und Yaskawa oder auch Werkzeugmaschinenhersteller wie der deutsch-japanische Konzern DMG Mori haben einen riesigen Kundenstamm, der seine Produktionsanlagen nun digital aufrüsten will. Und die Firmen liefern.

Doch der Wettkampf wird hart werden – und vielleicht nicht einmal wegen Alphabet, Amazon & Co.. Die Meister der Datennetze tun sich schwer, wenn sie mit Hardware umgehen müssen. Aber erstens wird es einen starken Preisverfall geben, zweitens eine radikale Konsolidierung. Von derzeit 50 IoT-Plattformen würden wohl nur eine Handvoll überleben, sagt Paulson voraus. Die Japaner werden sich anstrengen müssen, um wenigstens ein Unternehmen in dieser Elite zu platzieren. ()