Copyright-Urteil: Webstream ist kein Kabel-TV

Eine Übertragung über das Internet erfolge nicht über "Drähte, Kabel, Richtfunk oder andere Kommunikationskanäle" im Sinne des Copyright, meint ein US-Gericht. Für US-Verbraucher ist das eine schlechte Nachricht.

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Kind sitzt vor Fernseher

(Bild: Aaron Escobar CC BY 2.0)

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US-Kabelnetze haben seit 1976 Anspruch auf eine Copyright-Lizenz zu festgelegten Preisen, die ihnen die Weiterleitung terrestrisch frei empfangbarer TV-Programme erlaubt. Doch wenn statt klassischer Kabel-Technologie das Internet für die Weiterübertragung genutzt wird, gibt es diesen Anspruch nicht. So sieht es das US Copyright Office und nun bereits das zweite Bundesberufungsgericht. Das jüngste Urteil bezeichnet zwar das Gesetz für undeutlich, schließt sich im Zweifel aber der Ansicht der Copyright-Behörde an. Das Ergebnis schützt die klassischen Kabelnetze vor neuer Konkurrenz, womit die Kabel-TV-Tarife hoch bleiben dürften.

Der einschlägige Paragraph 111 des US-Copyright-Gesetzes definiert Kabel-Netze als Einrichtungen, die TV-Signale unverändert über "Drähte, Kabel, Richtfunk oder andere Kommunikationskanäle" an zahlende Kunden weiterleiten. Was aus technischer Sicht zweifellos für Internet-Übertragungen zutrifft, wird von Juristen erstaunlich unterschiedlich ausgelegt. Das US Copyright Office meint, der Gesetzgeber habe damit 1976 nur lokale Kabelnetze legalisieren wollen, nicht aber die überregionale Online-Übertragung.

Das Logo FilmOns

Anlass für die Entscheidung ist ein Streit zwischen dem Streamingdienst FilmOn, der sich als Kabel-TV-Betreiber ohne eigene Kabel bis zum Endkunden betrachtet, und den großen TV-Sendern, die gerne deutlich höhere Lizenzgebühren hätten, als die Copyright-Zwangslizenzen einbringen. Ein kalifornisches Bundesbezirksgericht hatte für FilmOn geurteilt, doch diese Entscheidung hat das übergeordnete Bundesberufungsgericht des Neunten Gerichtsbezirks nun aufgehoben (Fox Television Stations v. Aereokiller).

"FilmOn und andere Internet-basierte Wiederübertragungsdienste sind weder eindeutig berechtigt noch eindeutig unberechtigt, eine Zwangslizenz [nach Paragraph 111 zu bekommen]", heißt es in der einstimmigen Urteilsbegründung der drei Richter, "Das Copyright Office sagt, dass sie keinen Anspruch haben. Weil die Ansichten des Copyright Office überzeugen, und weil sie vernünftig sind, fügen wir uns dem." Fachbehörden bei der Auslegung einschlägiger Bestimmungen im Zweifelsfall den Vortritt zu lassen, ist im US-Rechtssystem seit den 1940er-Jahren üblich.

Das Bundesberufungsgericht des Zweiten Gerichtsbezirks hat 2012 in einem ähnlichen Fall ebenfalls gegen ein Unternehmen entschieden, das damals ein Kabel-TV-Äquivalent über das Internet anbot (Fall WPIX v. ivi). Gegenwärtig ist der Konflikt zwischen FilmOn und den TV-Sendern auch beim Bundesberufungsgericht der Hauptstadt Washington, DC, anhängig. Dort hat bereits die erste Instanz für die TV-Sender und gegen FilmOn entschieden.

Ausschnitt aus einer Phalanx tausender Mini-Antennen, wie sie Aereo vermietet hat.

(Bild: Aereo)

Für US-Verbraucher schwinden also die Aussichten auf radikal günstigere TV-Gebühren. Endgültig geklärt ist die Sache aber nicht. Denn 2014 hat der US Supreme Court im aufsehenerregenden Aereo-Fall die Weiterübertragung von TV über das Internet durchaus als "überwältigend ähnlich der Kabel-Betreiber, [für die das Copyright-Gesetz 1976 angepasst wurde]" bezeichnet (American Broadcasting v. Aereo).

Die Firma Aereo hatte einzelne TV-Antennen an jeweils einen Kunden vermietet, und die damit empfangenen TV-Programme dem jeweiligen Kunden als Streams übermittelt. Im Unterschied zu FilmOn wollte Aereo nicht als Kabel-Betreiber gelten. Nachdem die ersten beiden Instanzen für Aereo entschieden hatten, erkannte der Supreme Court gegenteilig. Weil Aereo keine Lizenz gelöst hatte, hatte es das Copyright der TV-Sender verletzt. Das kam so teuer, dass Aereo in Konkurs ging.

US-Verbraucherschützer hoffen daher auf das Bundesberufungsgericht der Hauptstadt. "Ein rechtliches Resultat, bei dem Online-Video-Dienste die selben Copyright-Verpflichtungen wie traditionelle Kabel-Betreiber haben, aber nicht die selben Copyright-Vorteile, ist kein gutes Resultat für Verbraucher oder den Wettbewerb", meinte der Jurist John Bergmayer der NGO Public Knowledge. Sollte das Berufungsgericht in Washington für FilmOn urteilen, stehen die Chancen gut, dass der US Supreme Court klärt, ob Internetübertragungen über "wires, cables, microwave, or other communications channels" laufen oder nicht.

(ds)