Roboterethik: Roboter "werfen Fragen nach menschlicher Würde und Identität auf"

"Sie möchten verantwortungsvolle Roboter? Fangen Sie mit verantwortungsvollen Menschen an!", erklärt Mihalis Kritikos während des European Robotics Forum in Edinburgh.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
ERF 2017: Roboterethik ist ein "heißes Thema"

Die Heriot Watt University in Edinburgh zählt zu den lokalen Organisatoren des Forums und nutzt die Gelegenheit ihren Roboter iCub vorzuführen.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

In Edinburgh trifft sich noch bis Freitag das European Robotics Forum, laut Selbsteinschätzung das "einflussreichste Treffen der europäischen Robotik-Gemeinde". Es ist die siebte der seit 2010 jährlich veranstalteten Konferenzen, die das Ziel haben, das "Potenzial von Robotikanwendungen fürs Geschäft, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse zu erkunden". Veranstaltet wird das Forum von euRobotics aisbl, einer in Brüssel registrierten Organisation der europäischen Robotikindustrie und der akademischen Forschung, die im engen Kontakt mit der europäischen Kommission die Richtung der Forschung beeinflussen will.

Europa führe bei der Industrierobotik gegenwärtig das Feld an, sagte euRobotics-Präsident Bernd Liepert (zugleich CTO beim Roboterhersteller Kuka) bei der Eröffnung des Forums. Aber die Konkurrenz schlafe nicht. So hätten China und die USA große Förderprogramme angekündigt – während das Europäische Parlament am 16. Februar mit einer Mehrheit von zwei Dritteln eine Resolution verabschiedete, in der ethische und zivilrechtliche Regeln für Roboter gefordert und für die fortgeschrittensten autonomen Roboter der Status einer "elektronischen Person" erwogen wurde. Die Europäische Kommission müsse diesem Vorschlag nicht folgen, so Liepert, bis zum 30. April aber Stellung dazu beziehen und eine eventuelle Ablehnung begründen. Ethische, rechtliche und soziale Aspekte seien daher ein wichtiges Thema beim diesjährigen Forum.

Bernd Liepert, Präsident von euRobotics, eröffnet das European Robotics Forum 2017

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

So beschäftigten sich im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung gleich zwei Workshops mit diesen Fragen. Das sei ein "sehr heißes Thema" bestätigte Anne Bajart von der Europäischen Kommission, es gäbe noch vieles zu klären. Vincent Müller (American College of Thessaloniki), der die Workshops organisierte, erkannte in der Debatte "viel Aktivität, aber wenig Ordnung". Zu letzterer soll eine Literaturliste "Robot Ethics" beitragen.

Alan Winfield (Bristol Robotics Lab) forderte, einen Weg jenseits von Furcht und unkritischer Bewunderung zu beschreiten. Ingenieure und Informatiker müssten so ausgebildet werden, dass sie beim Design von künstlicher Intelligenz ethischen Überlegungen Priorität einräumen. Er berichtete von den Bemühungen, in Zusammenarbeit mit der IEEE Standard Association ethische Prinzipien als Standards zu formulieren. Mit den Standards P 7000 bis P 7003 seien bisher vier schon etwas weiter gediehen. P 7001 etwa behandelt die Transparenz autonomer Systeme. "Machen Sie mit", forderte Winfield seine Zuhörer auf.

Mihalis Kritikos, politischer Analyst beim Europäischen Parlament, hob hervor, dass Robotiktechnologie Fragen nach Arbeitsplätzen, menschlicher Würde und auch menschlicher Identität aufwerfen. Nicht alles könne in Gesetze gegossen werden, weswegen ethische Leitlinien nötig seien. "Die emotionalen Bedürfnisse von Menschen müssen immer respektiert werden", sagte er und forderte zum Schluss seines Vortrags: "Sie möchten verantwortungsvolle Roboter? Fangen Sie mit verantwortungsvollen Menschen an!"

iCub winkt

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Ähnlich argumentierte Emilie Rademakers (University of Leuven), die aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht die möglichen Wirkungen auf den Arbeitsmarkt diskutierte und die ungleiche Verteilung von Beschäftigungschancen wie auch von Wohlstand als die zentralen Herausforderungen beim Umgang mit der Robotik identifizierte. Sie verwies auf historische Beispiele, etwa den viel zitierten Rückgang der Beschäftigung in der Landwirtschaft, der durch bessere Ausbildung der ehemaligen Landarbeiter und neue Arbeitsplätze in den Städten absorbiert worden sei. Dabei räumte sie allerdings ein, dass diese Umbrüche mit "hohen Anpassungskosten für den Einzelnen" verbunden gewesen seien.

In der Diskussion wurde dann die Frage aufgeworfen, ob Arbeit nicht grundsätzlich neu definiert werden müsse. Auch gab es Zweifel an dem von ihr zitierten Prinzip des "niemals genug haben", wonach materieller Überfluss niemals die wahrgenommene Knappheit habe eliminieren können. Rademakers stimmte zu, dass das kein anthropologisches Prinzip sei, sondern historische Wurzeln habe, also überwunden werden könne. Das erfordere jedoch einen kulturellen Wandel. Die Wirtschaftswissenschaft stoße da an ihre Grenzen. (kbe)