Roboter für die Landwirtschaft: Von der Saat bis zur Frucht

In der Zukunft schwitzt niemand mehr auf dem Acker – nur vor ihren Bildschirmen könnte Programmierern noch der Schweiß ausbrechen, wenn sie Ernteroboter und Unkrautfinder-Drohnen über die Felder schicken.

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ERF 2017: Roboter als Erntehelfer

Bier in der Kaffeepause? Ungewöhnlich für eine Wissenschaftskonferenz. Aber das Weißbier ist natürlich alkoholfrei — und wird vor allem vom Roboter formvollendet eingeschenkt. Der Weizen und der Hopfen dürften dagegen von Menschen geerntet worden sein — noch.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

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  • Hans-Arthur Marsiske
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"Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen", fordert die Bibel im ersten Buch Mose. Denn der Ackerboden war verflucht, nachdem Adam und Eva die Früchte vom Baum der Erkenntnis gekostet hatten: "Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes musst du essen." Ein Workshop im European Robotics Forum in Edinburgh legt jetzt nahe, dass der Fluch seine Wirkung bald verlieren könnte – wenn die mühsame Arbeit auf dem Feld mehr und mehr von Robotern übernommen wird.

Zum Beispiel bei der Gurkenernte, deren Automatisierungspotenzial im EU-Projekt CATCH untersucht wird. Die derzeit vorherrschende Erntemethode besteht darin, dass bis zu 40 Arbeiter bäuchlings auf einem Fahrzeug liegen, das langsam übers Gemüsefeld fährt, während sie die Früchte pflücken. Bis zu 13 Gurken pro Minute schaffe ein Erntehelfer, sagte Gerhard Schreck vom Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK). Die Einführung des Mindestlohns in Deutschland habe aber die Kosten pro Frucht erhöht und damit auch den Druck in Richtung Automatisierung. Die soll mithilfe von Roboterarmen geschehen, die auf dem Erntefahrzeug montiert sind.

Automatisierung am Getränkestand

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Eine große Herausforderung stelle die Erkennung der Gurken dar, die teilweise von Blättern verdeckt sein können, deren Farbe zudem ähnlich ist. Veränderliche Lichtverhältnisse machen die Aufgabe nicht einfacher, ebenso die unregelmäßigen, völlig zufällig gestreuten Positionen, in denen die Früchte sich befinden. Multispektralkameras sollen helfen, die Arme an die richtige Stelle zu dirigieren. Was für Greifer sich an deren Spitze befinden werden, sei noch nicht entschieden, so Schreck. Derzeit seien drei Varianten in der Diskussion. Ein Feldtest des Systems ist für den kommenden Juli geplant. Es sei eine Besonderheit der Agrar-Robotik, betonte Schreck, dass man sich die Termine für solche Tests nicht frei aussuchen könne, sondern sich an den Reifezyklen der Früchte orientieren müsse.

Bevor geerntet werden kann, muss gesät worden sein. Auch das können Roboter übernehmen, wie Timo Blender (Hochschule Ulm) am Beispiel des Projekts MARS (Mobile Agricultural Robot Swarms) demonstrierte. Kleine, etwa 14 kg schwere Roboter sollen über das Feld fahren, die Samen ausbringen und dabei für jede einzelne Pflanze die genaue Position dokumentieren.

Eine Computeranimation veranschaulichte das Konzept, das auch vorsieht, dass beim Ausfall eines Roboters ein anderer automatisch dessen Aufgaben übernimmt. Gesteuert werden die Roboter über Tablets und sollen neben der Aussaat auch andere Aufgaben übernehmen können. Blender zeigte auch Videoaufnahmen von ersten Experimenten mit einem Schwarm von acht realen Robotern auf einem Acker. Von einer Anwendungsreife kann aber offensichtlich noch nicht die Rede sein.

Das gilt auch für das Projekt GRAPE (Ground Robot for vineyArd Monitoring and ProtEction), bei dem die Vermehrung des Bekreuzten Traubenwicklers durch gezielte Verteilung von Pheromonen verhindert werden soll. Die Larven des Schmetterlings befallen Blüten und Trauben und können dadurch die Erträge vermindern. Derzeit ginge es in dem Projekt allerdings noch nicht um den Manipulator, mit dem die Duftstoffe ausgebracht werden sollen, erläuterte Daniel Serrano vom katalanischen Forschungsinstitut Eurecat. Im Vordergrund stünden zunächst Fragen der automatischen Navigation durch das Weingut, die Erstellung zwei- und dreidimensionaler Karten und die Identifizierung von Kandidaten für die Ausbringung der Pheromone.

Mit Bier lässt sich auch Erntedank feiern

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Mit den "Dornen und Disteln" beschäftigt sich das Projekt SAGA (Swarm Robotics for Agricultural Applications), das Joris Ijsselmuiden (Wageningen University) vorstellte. Hier sind es fliegende Roboter, die auf den Feldern das Wachstum von Unkräutern überwachen und deren Entfernung optimieren sollen. Zukünftig sei es sicherlich vorstellbar, sagte Ijsselmuiden, dass die Multikopter die unerwünschten Pflanzen auch direkt besprühen könnten. Zunächst sollen sie aber nur lokalisiert und deren Reifegrad erfasst werden.

Ijsselmuiden zeigte das beispielhaft an einem Foto, auf dem das System für eine genau lokalisierte Position einen Unkrautbefall von Level 2 meldete, der Gegenmaßnahmen in sechs Tagen erforderte. Das Schwarmverhalten der Drohnen orientiere sich an Bienen, erklärte er. Eine Computersimulation verdeutlichte das eindrucksvoll: Die Roboter fliegen nach zufälligen Mustern über das Feld, markieren verdächtige Regionen und locken damit andere Roboter dorthin. Auf diese Weise entsteht nach und nach eine Karte des Geländes, auf der die Verteilung des Unkrauts verzeichnet ist. Das erfordere allerdings Bildverarbeitung in Echtzeit, sagte Ijsselmuiden.

An der schottischen Harper Adams University läuft unterdessen seit Oktober 2016 das Projekt Hands Free Hectare, bei dem über ein Jahr lang Sommergerste angebaut werden soll, ohne das ein Mensch das Feld betritt. Hier schwitzen vielleicht die Programmierer vor ihren Bildschirmen, die das Problem mit "open source automation" lösen wollen, wie Richard Green erläuterte. Aber auf dem Acker schwitzt niemand mehr.

Und wenn die Früchte dank Roboterhilfe schließlich reif sind, wie kommen sie dann zum Verbraucher? Natürlich auch mit Robotern: Das Projekt PicknPack, vorgestellt von John Gray (University of Manchester), will die Versorgungskette vom Feld bis zum intelligenten Supermarktregal komplett automatisieren – mit modularen Behältern, die sich den Früchten anpassen, Sensoren, die Gewicht und Qualität prüfen, und Lasern, die die Verpackung versiegeln. Auf diese Weise könne sehr flexibel auf Veränderungen in Nachfrage und Angebot reagiert werden, so Gray. Zudem ließe sich der Ausschuss, der derzeit bei etwa 30 Prozent liege, deutlich reduzieren.

Auch wenn es sich bei den vorgestellten Projekten größtenteils noch um Konzepte, nicht um ausgereifte Technologien, handelt, scheint die zunehmende Automatisierung der Landwirtschaft absehbar. Uneinig waren sich die Teilnehmer des Workshops, wohin das führen soll: Geht es darum, die Produktivität zu steigern und mehr Nahrungsmittel zu erzeugen? Oder soll die Qualität der Nahrung verbessert werden? Die technologischen Probleme, so ein Diskussionsteilnehmer, dürften dabei noch am einfachsten zu lösen sein. Schwieriger seien die ökonomischen und juristischen Fragen. (kbe)