Cebit

Kommentar: North by Northeast in Hannover

Am Freitag ist in Hannover die letzte CeBIT ihrer Art zu Ende gegangen. 2018 soll alles anders werden. Man darf gespannt sein, was sich die Messe alles ausdenken wird. Es sollte mehr sein als ein Abklatsch der SXSW, meint Volker Briegleb.

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Barack Obama auf der SXSW 2016

US-Präsident Barack Obama auf der SXSW 2016. Aus dem kleinen Musikfestival ist ein riesiges Kultur- und Technikevent geworden, das auch Spitzenpolitiker anzieht. Das hat sich die CeBIT zum Vorbild genommen.

(Bild: SXSW)

Lesezeit: 3 Min.

Oliver Frese hat verdammt oft "cool" gesagt. Der Chef der Messe AG verpasst der CeBIT ein komplettes Makeover: "Wir bringen die CeBIT in den Juni, weil wir im Sommer Technologie noch emotionaler inszenieren und eine coole Campus-Atmosphäre schaffen können." Die Hannoveraner schielen dabei unverhohlen auf das US-Festival South by Southwest (SXSW), für das jedes Jahr im März Zehntausende nach Austin (Texas) pilgern. Das kann in die Hose gehen, birgt aber auch eine echte Chance.

Ein Kommentar von Volker Briegleb

Volker Briegleb schreibt seit 2006 für heise online und die c't. Dabei interessiert er sich unter anderem für die Auswirkungen der digitalen Revolution auf andere Branchen.

Nun gehört Coolness nicht zu den ersten Assoziationen, die man bei der Deutschen Messe AG hat. Die CeBIT ist nicht gerade ein Hipster-Magnet und Hannover nicht Berlin, Barcelona oder die Bay Area. Während bei anderen großen Tech-Messen der Krawattenquotient jedes Jahr weiter sinkt, trägt man in Hannover noch gerne gedecktes Tuch. Hier steppt nicht der Bär, hier macht der deutsche Mittelstand Geschäfte. Der Abstand zur SXSW könnte größer nicht sein.

Dennoch musste die CeBIT dieses Wagnis eingehen. Trotz zahlreicher Versuche, die Messe neu zu positionieren, sind die Aussteller- und Besucherzahlen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Zwar sind 200.000 Besucher immer noch eine respektable Hausnummer für eine Fachmesse. Doch mit der Konzentration aufs Business hat die CeBIT Kreativität und Spaß vom Messegelände verbannt. Hauptsache, die Aussteller bei Laune gehalten und die Beutelratten draußen. Wenn da nicht der Bedeutungsverlust wäre, der die Hannoveraner so schmerzt.

Dem Vernehmen nach stand nun auch die Telekom kurz vor dem Absprung. Das wäre dann wohl der Todesstoß für die CeBIT gewesen. Es bedurfte einer Intervention des Kanzleramts; die Chefin persönlich soll den Bonnern ins Gewissen geredet haben. Angela Merkel hat zudem bei der Eröffnung der CeBIT am Sonntag noch einmal betont, was sie von Überlegungen hält, die CeBIT wieder in die Hannover Messe zu integrieren, aus der sie vor über 30 Jahren hervorgegangen ist: Nichts.

Es blieb der Messe gar nichts anderes übrig, als es mit einer Radikalkur zu versuchen. Dabei kann sie sich von der SXSW inspirieren lassen. Aber Vorsicht: Das Happening in Austin ist über 30 Jahre aus einem regionalen Musikfestival mit anfangs 700 Besuchern gewachsen. Mit einer schnöden Kopie als NXNE in Hannover wird die Messe wieder scheitern. Die Idee, ein interdisziplinäres Tech-Festival unter dem Dach der CeBIT zu veranstalten, ist aber richtig. Selbst der spießige Bitkom hat inzwischen gemerkt, dass mehr Startups und weniger Schlips seinen Veranstaltungen gut tut.

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Und noch eine Chance bringt die neue CeBIT mit: Ein Festival, das technischen Fortschritt positiv inszeniert, könnte ein Gegengewicht bilden zu den ganzen Bedenkenträgern da draußen, die in der Digitalisierung vor allem die Risiken sehen. Über die man natürlich reden muss – aber nicht ohne auch die immensen Chancen zu berücksichtigen. Wenn die CeBIT es schafft, dieser gesellschaftliche Debatte in ihrer ganzen Breite ein Forum zu geben, hat sie schon gewonnen.

Bisher hat die Messe AG vor allem PR-Worthülsen produziert. Vorstandschef Frese hat bei der Vorstellung am Mittwoch tief in die Kiste mit den schicken Buzzwords gegriffen. Die Messe hat nun ein Jahr Zeit, das Projekt mit Leben zu füllen. Wie auch immer das aussehen wird, eins ist schon jetzt klar: Die CeBIT 2018 wird die spannendste seit Jahren.

Impressionen von der CeBIT 2017 (37 Bilder)

Buntes Treiben in Halle 6.
(Bild: heise online / mho)

(vbr)