WIPO will strikteren Namensschutz im Web
Die für Markenrechtsfragen zuständige UNO-Organisation macht über den Markenschutz hinausgehende Empfehlungen für den Namensschutz im Web.
Alles wäre anders, wenn es 500 neue Top Level Domains und eine hübsche Klassifizierung bei deren Nutzung geben würde, sagt Francis Gurry, stellvertretender Generaldirektor bei der World Intellectual Property Organization (WIPO). Doch solange sich die Welt um Adressen unter .com oder .biz streitet, müsse man sich "mit den Klagen der Markeninhaber auseinandersetzen, die ihre Rechte verletzt sehen". Im ihrem aktuellen Zwischenbericht zum so genannten "2. WIPO Internet Domain Name Process" macht die für Markenrechtsfragen zuständige UNO-Organisation nun allerdings über den klassischen Markenschutz hinausgehende Empfehlungen für den Schutz pharmazeutischer Begriffe, geographischer Bezeichnungen und die Namen von internationalen Organisationen.
Außerdem könnten die 1999 auf Empfehlung der WIPO eingeführten Streitschlichtungsverfahren (Uniform Dispute Resolution Procedure, UDRP) auf so genannte Unternehmenskennzeichen (Trade Names) und auf Personennamen ausgeweitet werden. Endgültige Empfehlungen will die WIPO nach einer letzten Konsultationsrunde vorliegen. Die Frist für Stellungnahmen zum jetzt publizierten Entwurf läuft bis zum 8. Juni. Gefragt sind auch Vorschläge für eine einheitliche, offen zugängliche Whois-Datenbank, möglichst über alle Länder-Domains (ccTLD) und allgemeinen Top Level Domains (gTLD), das den Markenschützern die Arbeit erleichtern soll. Für letzteres dürfte die WIPO wenig Unterstützung aus der Branche erhalten und sich auch Kritik von Datenschützerseite einhandeln.
"Das Domain Namen System hat den Nutzern bisher durch seine weitgehende Automatisierung und schnelle Reaktionszeiten gute Dienste geleistet", sagte Gurry. Bei der Ausweitung von Registrierbeschränkungen über den von der WIPO bereits durchgesetzten Schutz von Marken- und Namensrechten müsse man daher durchaus langsam und mit Vorsicht zu Werke gehen.
Eindeutig ist die Sache aus Sicht der WIPO allerdings bei den pharmazeutischen Wirkstoffen, so genannten INNs (International Nonproprietary Names), die in einer Liste der Weltgesundheitsorganisation verzeichnet sind. Die Namen, die durch ihren Status einer Verwertung durch einzelne Unternehmen entzogen sind, sollen auch im Netz niemanden gehören. Rund 8.000 Namen, jährlich kommen rund 120 hinzu, sollen daher für die Registrierung in allen Top Level Domains blockiert werden. Wer bereits eine Adresse wie "diclofenac.com", "tagamet.com" oder "amoxicillin.com" registriert hat, muss also damit rechnen, dass er seine Domain demnächst los wird. Geschützt sind jeweils die englische, französische, russische, spanische und lateinische Variante, wer also auf Chinesisch registrieren möchte, kann derzeit noch zuschlagen.
Ähnlich streng möchte die WIPO auch die Registrierung von Namen und Abkürzungen internationaler Organisationen geregelt sehen. Eine bevorzugte Registrierung unter der Top Level Domain .int reicht nämlich nach Ansicht der Markenschützer nicht aus, um Organisationen wie die UNO, die WMO (World Meteorological Organization) oder der ITU im Cyberspace zu schützen. Künftig sollen vielmehr alle Registrare für die verschiedenen Top Level Domains dafür sorgen, dass die Adressen der Organisationen nicht mehr registriert werden können. Auf die "rote Liste" sollen möglicherweise auch "verwirrend ähnliche" Namen gesetzt werden, damit niemand aus dem Ansehen der Organisationen Kapital schlagen kann.
Im Bereich der Personennamen und Unternehmenskennzeichen sieht man demgegenüber noch erheblichen Diskussionbedarf. Einen umfassenden Schutz persönlicher Namen im Netz hält auch Gurry für praktisch unmöglich. Allerdings gebe es ein Interesse, etwa Politikernamen besser gegen Cybersquatter zu schützen. Dafür würde eventuelle eine Erweiterung der UDRP auf Fälle, in denen böswillige Registrierungen Persönlichkeitsrechte verletzen, ausreichen. Die Einführung der neuen TLD .name werde das Problem jedenfalls nicht entscheidend verändern.
Bei den Unternehmenskennzeichen steht vor allem die völlig unterschiedliche rechtliche Behandlung der "Gebrauchsnamen" der Unternehmen in verschiedenen Ländern im Weg, meint Gurry. Teilweise wird eine offizielle Eintragung verlangt, teilweise genügt die dauerhafte Benutzung. Bei der Integration in die global angewandten UDRP-Streitschlichterverfahren müssten die Schlichter zunächst jeweils prüfen, ob ein Kläger tatsächlich nach der jeweils geltenden Gesetzgebung einen Anspruch auf das "Kennzeichen" besitzt.
Gerade bei der Diskussion um die Unternehmenskennzeichen wird deutlich, dass selbst die wenigen im DNS bestehenden Differenzierungmöglichkeiten (zum Beispiel Registrierung in verschiedenen gTLDs oder ccTLDs) von Klägern und Markenschützern offensichtlich häufig übersehen werden. Auch ein Unternehmenskennzeichen ist nur dort geschützt, wo das Unternehmen auch tatsächlich tätig ist – und nicht überall. Warum es dann gerade eine .com-Adresse sein muss, ist daher auch in vielen Fällen nicht nachvollziehbar. Das WIPO-Papier räumt immerhin ein, der Schaden durch böswillige Registrierungen von Unternehmenskennzeichnungen halte sich nach einer ersten Einschätzung in Grenzen. Man sei vor einer Entscheidung zunächst einmal an weiteren Zahlen dazu interessiert.
In der vorangegangenen zweiten Konsultationsrunde hatte die WIPO nur noch rund 60 Stellungnahmen erhalten – in der ersten im vergangenen Sommer waren es noch 200. Markenschutzorganisationen dominieren die Diskussion, fürchten Kritiker, und sorgen für eine weitere Aufweichung des First-Come-First-Serve-Prinzips zu Gunsten kommerzieller Anbieter.
Die WIPO positioniert sich dagegen – vor allem mit Blick auf die geographischen Domains –, auch als Hüterin von Namensrechten der Internet-Nachzügler etwa in Entwicklungsländern. Das Argument First-Come-First-Serve unterstelle nämlich, so das WIPO-Papier, dass alle dieselben Chancen zur Registrierung der für sie interessanten Domains hätten. Tatsächlich offenbare ein Blick auf die Registrierung beispielsweise afrikanischer Länderadressen aber gerade das Gegenteil. Wie problematisch andererseits die Regelung von geographischen Bezeichnungen ist, zeigt unter anderem das Beispiel der Herkunftsbezeichnungen wie "Burgunder".
Streit um solche Adressen soll künftig, nach Vorschlag der WIPO, per UDRP-Verfahren gelöst werden. Nur: wer soll den Anspruch auf "Burgunder" geltend machen können: die entsprechende Regierung, ein Winzerverband oder ein Unternehmen aus der "Herkunftsregion"? "Das sind die wirklich schwierigen Fragen", urteilt der Münchner Rechtsanwalt und Markenrechtsexperte Torsten Bettinger. Bettinger, selbst als WIPO-Schlichter tätig, hält die Erweiterung der UDRP solange für unproblematisch, solange sich die WIPO auf böswillige Cybersquatter beschränkt. Auseinandersetzungen, in denen gleichermaßen berechtigte Ansprüche aufeinander treffen, seien mit der UDRP allerdings nicht zu bewältigen.
Im Verlauf der Schlussrunde der Konsultation bis Juni hofft die WIPO angesichts der Fragen nochmals auf rege Beteiligung. "Sollten wir tatsächlich bis Juni sehr wenig Stellungnahmen erhalten, müssen wir über eine Verlängerung der Frist nachdenken", sagt Gurry. (Monika Ermert) / (jk)