Ausprobiert: Arbeiten in der virtuellen Realität

Bei Telefonkonferenzen weiß man nie genau, wer gerade spricht. Zudem können sich Teilnehmer leicht aus dem Gespräch ausklinken. Mit seinen VR-Konferenzräumen will Altspace das ändern.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Eva Wolfangel

Eva Wolfangel ist freie Journalistin und findet virtuelle Realität für den Alltag äußerst spannend.

Jerry Gottheil schickt mir einen Link zu unserem Meetingraum, der direkt die Altspace-App auf meinem Samsung-Smartphone öffnet. Kaum habe ich die zugehörige Brille Gear VR auf der Nase und die Kopfhörer im Ohr, stehe ich auch schon in einem stuhllosen Raum mit ein paar Bildern an der Wand und einem atemberaubenden Blick aus dem Fenster: die Golden Gate Bridge liegt mir zu Füßen. Gottheil ist in Form eines biederen Avatars mit Hemd und grauem Haar schon da. Weitere Nutzer, die wir eingeladen haben, kommen nach und nach hinzu.

TR 1/2017

(Bild: 

Technology Review 1/17

)

Dieser Artikel stammt aus dem Januar-Heft von Technology Review. Weitere Themen der Ausgabe:

Jerry Gottheil ist Marketingchef des amerikanischen Start-ups AltspaceVR. Das Unternehmen steht für soziale Aktivitäten in der virtuellen Realität. Vor allem sollen sich Menschen im Altspace treffen – sei es privat oder eben geschäftlich. Geld verdienen will das Unternehmen unter anderem, indem es seine virtuellen Konferenzräume vermietet. Denn bei einfachen Telefonkonferenzen weiß man nie, wer gerade spricht, wenn mehrere Personen gleichen Geschlechts konferieren.

Zudem daddeln die Teilnehmer häufig nebenbei am Computer – sieht ja keiner. Über Skype könnte man sich zwar sehen, nur leider reißt die Verbindung gern mal ab. Die Lösung für all das verspricht AltspaceVR mit seinen VR-Calls. Ich will wissen, ob es hält, was es verspricht.

Die Gespräche im virtuellen Meetingraum kommen echten Gesprächen sehr nah. Die Stimmen kommen exakt aus der Richtung des jeweiligen Sprechers. Entferne ich mich von ihm, wird seine Stimme leiser – der Raumeindruck ist perfekt. Was mir aber wirklich fehlt, ist die Möglichkeit mitzuschreiben. Durch das Headset ist mein Schreibtisch gefühlt weit weg, und ohne Block oder Rechner zu sehen, kann ich nicht schreiben. Das Problem wird noch deutlicher bei einer Projektbesprechung mit einem Kollegen, bei der wir gemeinsam an einem Dokument via Google Docs arbeiten wollen.

Eine Wand des Meetingraums besteht aus einem großen Display, auf dem Internetseiten nach Wahl angezeigt werden. Will ich eine URL eingeben, blendet mir Altspace eine Tastatur ein, deren Tasten ich mittels Kopfbewegungen und einem Klick auf das Touchpad am rechten Brillenrand auswählen kann. Das geht erstaunlich gut – ersetzt aber für längere Texte keine Tastatur. Ich könnte eine Bluetooth-Tastatur mit dem Smartphone verbinden und auf diese Weise tippen. Aber auch diese sehe ich natürlich nicht, sie ist in der anderen, der realen Welt. Das lässt sich aktuell nur lösen, wenn man Altspace via Desktop nutzt – dann sind aber alle anderen Vorteile dahin, etwa der Raumeindruck.

Daher hoffe ich auf die Möglichkeiten von Augmented Reality. Denn sie würde mich weniger von der Realität trennen, mir aber dennoch erlauben, virtuelle Objekte zu sehen und gemeinsam mit anderen zu bearbeiten. In Altspace zeigen eine Leinwand zum Malen und große Bauklötze, wie gemeinsame Projektarbeit bald aussehen könnte.

Produkt: Altspace-App
Hersteller: AltspaceVR
Preis: kostenlos
(bsc)