Mozilla: "Für jeden Zweck einen Browser"

Klar war nur der Anfang: Die für Firefox Mobile und Klar zuständige Produktmanagerin Barbara Bermes erläutert im Interview, wie sich Mozilla auf den mobilen Plattformen behaupten kann.

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Interview mit Produktmanagerin Barbara Bermes: Mozilla setzt auf Spezial-Browser
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Herbert Braun

Barbara Bermes ist Produktmanagerin für Firefox Mobile. Die gebürtige Deutsche arbeitet in Mozillas Niederlassung in Toronto, Kanada. Als ihre Aufgabe sieht sie, "sich in den Nutzer hineinzuversetzen, zu wissen, wo mobile Trends sind". heise online hat sich mit ihr unter anderem darüber unterhalten, ob es zwischen Apple und Google noch Platz für Mozilla auf mobilen Geräten gibt.

heise online: Mozilla hat nach wie vor Probleme, auf Mobilgeräten Fuß zu fassen: Chrome und Safari dominieren die Statistik, Firefox OS ist Geschichte. Wie begegnen Sie dem?

Barbara Bermes: Eine Idee sind Cross-App-Partnerships. Während es bei Android keine Probleme gibt, Default-Programme zum Beispiel für E-Mail auszusuchen, ist iOS deutlich geschlossener. Unsere Idee war, dem Nutzer diese Wahl auf App-Level zu geben, wenn es auf Betriebssystem-Ebene nicht geht. Wenn man zum Beispiel in Firefox für iOS auf eine Kontakt-Mail-Adresse klickt, kann man sich das Mail-Programm aussuchen. Das ist jetzt in Version 6 des Browsers enthalten. Dabei arbeiten wir mit einigen Mail-Providern zusammen, unter anderem mit Outlook. Das poppt einmal auf, dann merkt sich der Browser die Einstellung.

Vor einer Weile haben Sie für iOS einen zweiten Browser veröffentlicht, Firefox Klar, international als Firefox Focus bekannt. Das ist natürlich ein bisschen verwirrend.

Damit verfolgen wir die Idee der Single-Purpose-App. Browser sind wie Schweizer Taschenmesser, man kann alles damit machen. Manchmal braucht man aber einfach nur einen Korkenzieher. Am Anfang steht dabei immer die Frage: Ist das was, was die User brauchen? Und da gibt es noch mehr Ideen. Wie wäre es, wenn wir zum Beispiel mobiles Video-Browsing nehmen. Das ist riesig, so viele Leute konsumieren Videos mit ihrem Mobile-Browser. Vielleicht ist das ein Experiment wert, so einen Browser zu machen. Wir wollen für jeden Zweck einen Browser bauen, falls sich die Nutzer das wünschen.

Das heißt, Mozilla wird künftig nicht einen, sondern vielleicht drei oder vier mobile Browser machen?

Das kann gut sein, wenn die Nutzer das annehmen.

Für alle, die Klar mangels iOS-Gerät noch nie gesehen haben: Können Sie die App nochmal beschreiben?

Sie ist ungefähr vergleichbar mit dem normalen Firefox im privaten Modus, kombiniert mit dem Tracking-Schutz. Wir benutzen auch den gleichen Provider für die Blocklisten, Disconnect. Funktional können Sie das alles mit dem normalen Firefox auch haben, aber es ist eine andere Ansprache und weniger umständlich. Klar hat eine minimalistische Benutzeroberfläche ohne Bookmarks oder History und ist nur für einen Zweck gemacht: privat zu surfen.

Klar fing als Privacy-App an und ist dann zum vollwertigen Browser aufgewertet worden – eine interessante Entscheidung. Wie kam es dazu?

Wir haben auf die User gehört. Die gaben uns für iOS das Feedback, dass Adblocking gut zu Firefox passen würde – was wegen Apples App-Guidelines eine ziemliche Herausforderung ist. Unser Gedanke war: Klar steht schon für Privacy – warum nehmen wir das nicht und machen es größer. Es hat Sinn gemacht, das in einer App zu kombinieren.

Hat Klar denn eine nennenswerte Verbreitung oder war das eher ein Experiment?

Klar wird sehr gerne genutzt, nimmt aber nichts von Firefox für iOS weg, das ebenfalls stetig wächst. Es trägt zu unserem Wachstum auf iOS bei. Deshalb machen wir das jetzt auch für Android.

Wie weit sind Sie mit diesem Projekt?

Wir sind derzeit aktiv am Entwickeln. Voraussichtlich werden wir Ende April fertig sein. Wie bei iOS wird es den Browser in mehreren Sprachen geben.

Klar bietet sich für datenschutzsensible Nutzer an – da gab es Kritik an der voreingestellten Erhebung von Nutzungsdaten. Haben Sie diese Kritik wahrgenommen und als relevant angesehen?

Wir hören zu, was die Leute über unser Produkt sagen. Wir wissen, dass wir eine gute Einstellung zu Datenschutz haben. Aber es war uns wichtig, das Produkt früh zu testen, um herauszufinden, ob die Nutzer das überhaupt haben wollen. Mit den Daten wollen wir lediglich herausfinden, wie Klar genutzt wird, um entsprechend reagieren zu können. Das ist eine klar definierte Datensammlung, und die Nutzer haben die Option, das abzuschalten.

Das heißt, Sie haben die Kritik gehört, stehen aber zu Ihrem Vorgehen?

Wir haben alles kommuniziert, auch schon bevor die Kritik aufkam.

Diese Idee mit dem mobilen Video-Browser – ist das schon ein konkreter Plan?

Ich möchte noch weiter recherchieren, um sicher zu sein, dass die Nutzer sowas auch wollen. Aber wir haben intern darüber geredet und werden mehr dazu sagen, wenn es konkreter wird. Wir sehen auf jeden Fall, dass die Nutzer auf mobilen Geräten viele Medieninhalte konsumieren und es für sie hilfreich sein könnte, Medien auf verschiedenen Plattformen zu entdecken, statt sich für jede eine App zu installieren. Vielleicht käme da auch ein Download-Manager hinzu, um Videos einfacher speichern zu können. Aber das sind jetzt erst mal nur Ideen, keine konkreten Pläne.

Android und iOS fühlen sich wesentlich geschlossener an als ein PC und der Browser ist integraler Teil davon. Ist zwischen Google und Apple überhaupt noch Platz für Mozilla?

Wir sehen mit den Single-Purpose-Apps eine sehr große Chance, dabei zu sein. Da ist noch viel Raum für Ideen, die wir ausprobieren können. Voriges Jahr wurde erstmals mehr auf Mobilgeräten als auf dem Desktop gesurft. Da sind die User, und da werden sie die nächsten 5 bis 10 Jahre immer sein. Da gibt es noch Raum.

Sie haben mehrfach gesagt, "Wir geben dem Nutzer die Wahl". Ich persönlich finde das super, aber es gibt sehr viele technisch wenig versierte Nutzer, die keine Wahl haben wollen, die überfordert sind. Wie gehen Sie damit um? Machen Sie Nischenprodukte für diejenigen, die souverän mit Technik umgehen können?

Mozilla steht dafür, das Web als öffentliche Ressource zu betrachten und den Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Den Nutzern eine Wahl zu geben – denen, die eine Wahl haben wollen –, ist für uns sehr wichtig.

Die Entwicklung im Web geht ja weiter: Augmented Reality, Virtual Reality, Progressive Web Apps, veränderte Mediennutzung usw. Wie sehen Sie die Zukunft des mobilen Webs?

Ich will nicht viel über die Zukunft spekulieren, aber das mobile Web wird immer sehr wichtig sein – ob in der Form von Browsern oder Anderem, wird sich zeigen. Interessant finde ich Context Graph, unsere Recommendation-Engine, sozusagen ein Forward Button für den Browser – daran arbeiten wir dieses Jahr intensiv. (anw)