NIC.AT: Stifter wussten nichts von Stiftung
Die Umwandlung der Registrierungsstelle für die österreichische Länder-Domain .at in eine Stiftung ging heimlich, still und leise über die Bühne.
Noch nicht alle Internet-Provider in Österreich scheinen die Änderungen bei der .at-Registrierungsstelle realisiert zu haben – dabei hat die Registrierstelle für österreichische Länderdomains, NIC.AT in Salzburg, bereits zum Ende des vergangenen Jahres still und leise den Besitzer gewechselt. "Der Vorstand hat zur Absicherung der Firma NIC.AT und ihrer Tätigkeiten eine geeignetere Eigentumskonstruktion gefunden (Gemeinnützige Privatstiftung), die sicherstellen soll, dass die NIC.AT auch in Zukunft ihre Tätigkeit der österreichischen Domainverwaltung zum Nutzen und Wohle der Österreichischen Internet Community durchführen kann, ohne Einflussnahme von außen." Mit dieser knappen Darstellung informierte der Vorstand der ISPA, des Verbandes der Österreichischen Internet Provider, seine Mitglieder bei der Generalversammlung im November. Da gehörte die schnell wachsende NIC.AT schon nicht mehr ihnen, sondern der Internet Foundation Austria.
"Die Mitglieder in einem Verein wechseln schnell, ehrenamtliche Vereinsvorstände können jenseits der groben Fahrlässigkeit nur schwer zur Verantwortung gezogen werden und überhaupt ist ein Verein eher dazu geeignet, eine politische Agenda zu bewegen als eine GmbH zu führen", nennt der ehemalige ISPA-Vorstand Michael Haberler, der für drei Jahre Chef des Stiftungsvorstandes ist, die Gründe für die Änderung. Mit der Stiftung habe man eine langfristige Struktur für die Registrierstelle schaffen wollen. Zudem hab es in der vergangenen Zeit auch vermehrt Fragen gegeben, warum das "DNS den Providern gehöre", meint Haberler.
Die ISPA hat das Management des österreichischen Namensraums ursprünglich vom Rechenzentrum der Universität Wien übernommen (wo bis heute die Registry liegt) und dann die NIC.AT Internet Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft gegründet. Letztlich sei die ISPA ja eine Lobby kommerzieller Provider, urteilt Haberler. Mit dem Stiftungskonstrukt erreiche man nun eine bessere Trennung von Registry und Policy-Funktion. Diese sei schließlich im Sinn der Öffentlichkeit wahrzunehmen und daher werde man Vertreter des zuständigen Ministeriums für Verkehr und Fernmeldewesen, einen Vertreter der Telekommunikationsregulierung und auch einen internationalen Experten in einen Domainbeirat einberufen. Peter Rastl, Leiter des Rechenzentrums der Uni Wien, bezeichnte andererseits mit als Grund für die Einrichtung der Stiftung, eventuellen weitergehenden Begehrlichkeiten der Regierung vorzubeugen. "Keinen Regulierungsbedarf", meldete aber ein Sprecher des zuständigen Verkehrsministeriums in Wien.
Die Universität Wien zählt als Urzelle des österreichischen Internet und Verwalter der zentralen Datenbank zu den Begünstigten der Stiftung. Etwa 50 Prozent der Ausschüttungen, die man aus den Gewinnen der NIC.AT plant, werden ihr, laut Michael Haberler, zu Gute kommen. Bei rund 160.000 Domains zu Preisen zwischen 250 und 1000 Schilling dürfte das eine nette Summe sein. Die ISPA steht zwar an erster Stelle in der Liste der Begünstigten, habe sich aber selbst eine Deckelung der Ausschüttung auferlegt, betonte Haberler. Er rechnet mit einem "kleinen einstelligen Millionenbetrag" in Schilling für die Finanzierung des ISPA-Büros. Den Rest des Geldes kann der dreiköpfige Stiftungsvorstand an "natürliche und juristische Personen, die sich im Sinne des Stiftungszwecks besondere Verdienste für die Entwicklung des Internet in Österreich erwerben", verteilen. "Wir denken etwa an Softwareentwicklungen, die im Rahmen der Neuorganisation der Domainvergabe in einem Registry-Registrarmodell notwendig werden. Da könnte man ein Open Source Projekt machen", sagt Haberler.
Das klingt gut und doch beklagen sich ISPA-Mitglieder wie Georg Hitsch über eine mindestens "schiefe Optik" bei dem Prozess. Unbestritten ist nämlich, dass die Generalversammlung der ISPA im November vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Am 28. November wurde die Stiftung notariell beurkundet, und das war genau einen Tag bevor die Generalversammlung sich traf. "Ja, wir haben das im Vorstand gehalten, und ich stehe dazu", sagt Haberler. Man habe sich wegen einer angekündigten Änderung des Privatstiftungsgesetzes unter Zeitdruck gefühlt. Doch der neue Stiftungsvorstand, der seinen Posten als ISPA-Vorstandsmitglied dafür aufgeben musste, räumt auch ein: "Ich glaube nicht, dass wir das hätten durchziehen können, wenn wir damit in eine breite öffentliche Diskussion gegangen wären."
Daher dürfen sich die ISPA-Mitglieder, von denen bis heute noch nicht alle die Änderung realisiert haben, durchaus übergangen fühlen. Auch für die Öffentlichkeit ist der Eigentumsübergang nicht gerade transparent, Einsicht in die Stiftungsurkunde für ISPA-Mitglieder oder die Öffentlichkeit gibt es nur bedingt, wie ein Vorstandsbeschluss offenbart: "Die kommentierte Information ist auch deswegen wesentlich, weil es sich um ein komplexes Dokument handelt, das ohne Erläuterungen schwer verständlich ist. Die beschlossene Vorgangsweise ist daher wie folgt: Voraussichtlich Anfang 2001 wird die rechtsgültige Fassung der Stiftungsurkunde vorliegen. Auf Wunsch werden danach Interessierte durch Michael Haberler und Peter Rastl im Zuge eines persönlichen Gesprächs informiert, wobei auch in die Stiftungsurkunde Einsicht genommen werden kann." Er habe bis heute die Stiftungsurkunde nicht gesehen, kritisierte Hitsch.
Den Verdacht, dass hinter dem handstreichartigen Vorgehen mehr als die Angst vor langen Diskussionen mit den Providern und befürchteten Steuernachteilen besteht, weist Michael Haberler entschieden zurück. Ein Teilverkauf der NIC.AT Betriebsgesellschaft mBH etwa – und das ausgerechnet an ein dem neuen Stiftungsvorstand verbundenes Unternehmen – sei zu keiner Zeit ein Thema gewesen und, meint Haberler, "auch überhaupt nicht mit dem Stifungszweck vereinbar".
Wie der Stiftungszweck, laut der heise online vorliegenden Stiftungsurkunde umschrieben mit "die Förderung des Internet in Österreich", "die Wahrnehmung der Verantwortung der Internet-Domainverwaltung", "die wirtschaftliche Sicherung des Fortbestandes und Wachstums der eingebrachten Vermögenswerte" und die "Unterstützung der Begünstigten", zu erfüllen ist, darüber entscheidet künftig im Wesentlichen der kleine Stiftungsvorstand. Zwar übernehmen im ebenfalls dreiköpfigen Stiftungsbeirat auch zwei ISPA-Vorstände eine gewisse Kontrollfunktion. Allerdings: Ob die ihre ISPA-Mitglieder vorab über Neuerungen informieren, ist ja keineswegs gesichert. (Monika Ermert) / (jk)