Kaby Lake-G: Spekulationen um Intel-Vierkern mit stärkerer Grafik

Gerüchteköchen zufolge plant Intel eine neue Vierkern-CPU-Variante mit einer aufgebohrten GPU. Was ist da dran? Eine Analyse von Florian Müssig

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Kaby Lake-G: Spekulationen um Intel-Vierkern mit stärkerer Grafik
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Florian Müssig
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Intel versucht sich seit geraumer Zeit daran, seinen Prozessoren leistungsstärkere Grafikeinheiten zu verpassen. Bei der aktuellen CPU-Generation Kaby Lake ging es allerdings einen Schritt zurück: Iris-Pro-Grafik gibt es nicht mehr; gleiches gilt für Vierkerner mit mehr als der Standard-GPU-Ausbaustufe GT2. Gemäß der chinesischen Webseite BenchLife ist dies aber nur die Ruhe vor dem Sturm: Mit der neuen Baureihe Kaby Lake-G sollen Quad-Cores erscheinen, die die Latte ein ganzes Stück höher legen.

BenchLife untermauert seine Aussagen mit Screenshots, die aus einer internen Präsentation stammen sollen. Das veröffentlichte Block-Diagramm ähnelt dem bekannten Aufbau eines Kaby-Lake-Systems stark. Unterschiede gibt es lediglich bei den I/O-Leitungen: Statt 16 PCIe-3.0-Leitungen kommen lediglich deren acht aus dem Prozessor – dafür aber auch fünf zusätzliche Display-Ausgänge.

Das Blockdiagramm von Kaby Lake-G zeigt weniger PCIe-Lanes, aber mehr Display-Ausgänge als bisherige Vierkern-CPUs der Kaby-Lake-Familie.

(Bild: BenchLife)

Die leistungsstarke GPU soll nicht Teil des Prozessor-Die sein, sondern als eigener Chip auf derselben Trägerplatine (Die Carrier) sitzen. Dass die "normale" GT2-GPU weiterhin im Prozessor-Die vorhanden ist, verwundert wenig: Intel spart sich so die kostenintensive Entwicklung einer zusätzlichen Die-Variante, summa summarum können deutlich mehr Displays gleichzeitig angesteuert werden – oder aber die schnelle Zusatz-GPU legt sich zum Stromsparen schlafen, wenn die GT2-GPU im Office-Betrieb ausreicht.

Die auflötbare Trägerplatine – gesockelte Varianten werden nicht erwähnt – soll größer (58,5 mm × 31 mm) als bei bisherigen auflötbaren Quad-Cores der Baureihe Kaby Lake-H (42 mm × 28 mm) ausfallen.Der zusätzliche Platzbedarf kommt offensichtlich nicht nur vom zusätzlichen GPU-Chip: Da die GPU-Performance in der Mittelklasse mitspielen soll, braucht er direkt angebundenen Grafikspeicher, welcher gemäß BenchLife in HBM2-Ausführung ebenfalls noch mit auf der Trägerplatine sitzt. Das klingt stimmig: Zusätzliche Datenleitungen zur "externem" Grafikspeicher sind gemäß Blockschaltbild nicht vorgesehen; und HBM(2) erlaubt eine besonders enge Bauweise – weitaus kompakter als etwa mit GDDR5-Speicherchips.

Eine Analyse von Florian Müssig

Florian Müssig schreibt seit 2005 bei c't über Notebooks und deren Spezialisierungen zu Netbooks, Ultrabooks, Hybriden & Co. Außerdem kümmert er sich um artverwandte Themen wie Akku-Technik.

Zum wichtigsten Detail, nämlich dem Zusatz-Grafikchip an sich, hält sich BenchLife bedeckt. In der Gerüchteküche brodelt seit einiger Zeit aber ein weiteres Gerücht: Laut Kyle Bennet von HardOCP wird Intel GPU-Technik von AMD lizenzieren beziehungsweise AMD baut im Auftrag von Intel einen solchen Chip.

Das klingt erst einmal schräg, wäre aber alles andere als ungewöhnlich: Die GPUs der ersten Atom-Prozessoren stammten etwa nicht von Intel selbst, sondern waren PowerVR-Kerne von Imagination Technologies. AMD wiederum hat sich mit Semi-Custom-Designs in den letzten Jahren ein ordentliches Zubrot verdient: Sowohl der Grafikchip von Nintendos Spielekonsole Wii U als auch die GPUs der PlayStation 4 (Pro) von Sony und der Xbox One von Microsoft stammen von AMD.

Laut HardOCP soll "AMDs Intel-Chip" ein Kaby-Lake-Derivat sein und noch in diesem Jahr erscheinen. Das klingt stark nach Kaby Lake-G, zumal auch Details passen: AMD hat mit den Radeon-Fury-Grafikkarten etwa bereits HBM-GPUs auf dem Markt.

Allerdings sind anderen Lösungen genauso denkbar. Die GPUs, die Intels in seine Prozessoren integriert, haben eine sehr leicht skalierbare Architektur, die aus Scheiben ("Slices") besteht – die GT2 hat deren beispielsweise zwei. Intel könnte den Zusatzchip also auch hausintern auf Basis vieler dieser Scheiben entwickeln. Das hätte mitunter sogar den Vorteil der einfacheren Treiber-Unterstützung.

Und nicht zu vergessen: Mit seinem Project Larrabee hatte Intel vor einigen Jahren die Ambitionen, AMD und Nvidia bei High-End-GPUs Paroli zu bieten. Larrabee erblickte zwar nie in dieser Form das Licht der Welt, lebt aber in Form der Xeon-Phi-Beschleunigerkarten für Serveranwendungen weiter. Ein erneuter Anlauf als Zusatz-GPU erscheint angesichts der Historie eher unwahrscheinlich, ist aber nicht ganz auszuschließen – zumal der aktuelle Xeon Phi der dritten Generation (Codename Knight Landing) ebenfalls HBM-Speicher nutzt.

Gemäß BenchLife plant Intel zwei Varianten von Kaby Lake-G mit 65 Watt Abwärme und 100 Watt Abwärme. Erstere könnte man vielleicht auch in Notebooks vorfinden, letztere zielt hingegen wohl eher auf kompakte Desktop-Minis oder All-in-One-PCs. Wieviele Modelle es in beiden TDP-Familien geben wird, ist nicht bekannt.

Kaby Lake-G soll in zwei verschiedenen Abwärmeklassen erscheinen.

(Bild: BenchLife)

Denkbar wäre, dass Intel zusammen mit Kaby Lake-G auch herkömmliche Vierkerner ohne Zusatz-GPU im neuen Trägerplatinen-Format veröffentlicht. Komplettsystemhersteller hätten dann eine größere Auswahl, um Ausstattungsvarianten für unterschiedliche Preispunkte zu realisieren. Das steigert den Anreiz, überhaupt Systeme für Kaby Lake-G zu entwickeln, was aufgrund der größeren Trägerplatine unumgänglich ist.

Nicht zuletzt wird es aber hauptsächlich darauf hinauslaufen, ob damit bestückte Systeme sowohl preislich als auch hinsichtlich der Performance mit etablierten Lösung mithalten können, sprich normale CPU plus separater Grafikchip von AMD oder Nvidia. In der Vergangenheit war das nicht unbedingt der Fall: Geräte wie Schenkers S413, ein 14-Zoll-Notebook mit Iris-Pro-Vierkern, blieben in einer Nische und ohne Nachfolger. Bei Kaby Lake-G besteht in der Form, wie BenchLife sie schildert, dasselbe Risiko: HBM2-Speicher ist weder billig noch in größeren Stückzahlen verfügbar. (mue)