Ist ein dummes Telefon eine schlaue Idee?

Ständige Vernetztheit kann interessant und nützlich sein, aber auch anstrengend. Unsere Autorin Rachel Metz hat deshalb ein Mobiltelefon ausprobiert, das konsequent auf seine Grundfunktionen reduziert wurde.

vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Rachel Metz
Inhaltsverzeichnis

Ich bin inzwischen so abhängig von meinem Smartphone, dass ich mich komisch fühle, wenn ich es nicht dabei habe. Auf der anderen Seite möchte ich mich manchmal von der ständigen Vernetztheit befreien. Und weil ich nicht die einzige bin, der es so geht, haben mehrere Unternehmen schick aussehende so genannte "Dumbphones" entwickelt, mit denen Sie Ferien von Ihrem Smartphone machen können.

Eines dieser abgespeckten Geräte ist das kleine silberne Light Phone. Es verspricht, Sie vom Smartphone zu befreien, ohne dass Sie irgendwelche Anrufe verpassen: Wenn jemand die Nummer Ihres normalen Telefons wählt, wird er über einen Server im Internet an das Light Phone weitergeleitet. Wenn Sie einen Anruf tätigen, sieht es ebenfalls so aus, als würde er von Ihrer üblichen Nummer kommen. Das Projekt begann vor zwei Jahren mit einer Kickstarter-Finanzierung. Ab diesem Monat soll das Gerät von der Größe einer Kreditkarte für 150 Dollar plus monatlich 5 Dollar allgemein erhältlich sein.

Mehr Infos

Das Light Phone hat eine eigene SIM-Karte, also muss kein Smartphone in seiner Nähe sein, damit es funktioniert. Wenn man es anschaltet, erscheint ein beleuchteter Ziffernblock und ein einzeiliges Display. Vorher sieht es nur nach einem dünnen Stück Plastik aus.

Das Telefon ist tatsächlich auf seinen Kern reduziert: Man kann damit Anrufe annehmen und einleiten, und das war es. Es gibt keine SMS, keine E-Mails, keine Benachrichtigungen und keinen Anrufbeantworter. Wenn jemand anruft und niemand darauf reagiert, meldet sich irgendwann eine weibliche Roboter-Stimme und sagt "Ich benutze mein Light Phone und bin derzeit nicht erreichbar". Dann wird das Gespräch beendet.

Als ich das Light Phone ausprobiert habe, wurde schnell klar, dass seine Einfachheit zum Teil nur Fassade ist. Zur Einrichtung muss man es an einen Computer anschließen und kann bis zu neun programmierbare Kurzwahl-Kontakte eingeben. Die Nutzung der Anruf-Weiterleitung war wirklich lästig: Zur Aktivierung musste ich eine in meinem Smartphone gespeicherte Telefonnummer anrufen, zum späteren Abschalten eine andere.

Nachdem ich das verstanden hatte, machte ich mich mit dem Light Phone in der Tasche auf zu ein paar Abenteuern – nicht aber, ohne etwas nervös zu sein, weil ich mein Smartphone auf dem Schreibtisch zurückließ. Nach einer Weile stellte ich fest, dass ich mich ohne Smartphone freier fühlte, die Anblicke und Geräusche der Stadt um mich herum wahrzunehmen, statt ständig auf den Bildschirm zu schauen. Es war angenehm, eine Weile ohne das ständigen Summen und Piepsen meines vernetzten Lebens auszukommen. Als ich darüber hinweg war, immer nach Neuem auf Twitter und Instagram zu suchen, fühlten sich meine Gedanken etwas klarer an. Wenn mich wirklich jemand dringend erreichen wollte, überlegte ich mir, würde er schon anrufen.

Einfach-Telefon Light Phone (7 Bilder)

Das Light Phone verspricht Erreichbarkeit, ohne ein Gerät mit sich führen zu müssen, das umfassend vernetzt ist.
(Bild: Light Phone)

So kam es auch. Meine Ehemann meldete sich, und wir unterhielten uns einige Minuten lang. Wie bei anderen Telefonaten mit dem Light Phone war seine Stimme etwas dumpf, aber die Qualität reichte aus, um zu verstehen, dass ich noch Aluminiumfolie kaufen sollte.

Ein längeres Gespräch würde ich mit dem Light Phone jedoch nicht führen wollen. Abgesehen von der Sprachqualität fühlte es sich merkwürdig an, das Telefon an mein Ohr zu halten, weil es nur 8,5 Zentimeter lang und einen halben Zentimeter dick ist. Wegen der einfachen Gestaltung führte ich mindestens ein Telefonat sogar, während ich das Gerät falsch herum an die Wange hielt.

Auch das Display des Light Phone erwies sich als problematisch. Bei hellem Sonnenlicht war es fast unmöglich zu benutzen. Außerdem stellte ich fest, dass bei verpassten Anrufen die letzte Ziffer der Nummer nicht angezeigt wurde, wenn der Anrufer nicht in der Kurzwahlliste stand.

Und auch die Batterielaufzeit ist nicht sehr lang – was bei einem Gerät mit begrenztem Funktionsumfang überraschend ist. Nach ein paar Telefonaten und ungefähr fünf Stunden war der Akku noch zu 61 Prozent geladen. Am nächsten frühen Nachmittag, nach weiteren kurzen Anrufen und vielen Stunden Leerlauf, waren es noch 20 Prozent. Weil das Gerät die meiste Zeit mit ausgeschaltetem Display ungenutzt blieb, hatte ich hier mehr erwartet.

Als ich die Anruf-Weiterleitung zum letzten Mal ausschaltete, war ich enttäuscht. Ich hatte das Light Phone mögen wollen, und es in der Tasche zu haben, gab mir ein Gefühl der Sicherheit, für das ich sonst mein Smartphone brauche. Damit ich bereit bin, Geld für ein spezielles Telefon auszugeben, muss es die wenigen Sachen, die es beherrscht, aber richtig gut können. Denn ansonsten wünsche ich mir nur mein Smartphone zurück, statt mich über die Zeit ohne zu freuen. (sma)