Maschinenlernen gegen Depressionen
Wenn es um Depressionen geht, wissen Ärzte nur selten, welche Therapieform am ehesten Hilfe verspricht. Analysen von Hirn-Scans mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz sollen die Behandlung bald zielgenauer machen.
- Jamie Condliffe
Die Diagnose "Depression" klingt einfach und eindeutig. In Wirklichkeit aber handelt es sich dabei um eine Krankheit mit komplexen Ursachen, die noch nicht vollkommen verstanden sind. Jetzt soll Maschinenlernen Forschern dabei helfen, einige der offenen Fragen zu klären und so bessere Therapien zu entwickeln.
Schwere depressive Störungen gelten als das Ergebnis einer Mischung aus genetischen, umgebungsbedingten und psychologischen Faktoren. Damit Patienten diese Diagnose bekommen, müssen sie eine lange Liste von Symptomen aufweisen, darunter Müdigkeit und mangelnde Konzentration. Geholfen wird dann mit kognitiver Verhaltenstherapie oder Medikamenten. Aber nicht jede Behandlung wirkt bei jedem Patienten, denn die Symptome können sich stark unterscheiden.
Allgemein haben Forscher im Bereich der Künstlichen Intelligent (KI) begonnen, Methoden für die medizinische Anwendung von Maschinenlernen zu entwickeln. Mit diesen Verfahren ist es möglich, Trends und Details in riesigen Datensammlungen zu erkennen, die Menschen niemals erfassen könnten; die Ergebnisse lassen sich dann für Diagnosen bei anderen Patienten nutzen. Die Zeitschrift New Yorker veröffentlichte Anfang April zum Beispiel einen interessanten Artikel darüber, wie Maschinenlernen eingesetzt wird, um auf der Grundlage von medizinischen Scans Diagnosen zu erstellen.
Ähnliche Ansätze werden auch bei Depressionen verfolgt. Wie eine Anfang dieses Jahres veröffentlichte Studie in der Fachzeitschrift Psychiatric Research zeigt, lässt sich anhand von MRT-Scans die Wahrscheinlichkeit dafür bestimmen, dass eine Person an einer schweren Depression leidet. Das Forscherteam hatte die feinen Unterschiede bei den Hirnbildern von Betroffenen und Nicht-Betroffenen untersucht. Anhand der Scans ließen sich dann beide Gruppen mit einer Trefferquote von rund 75 Prozent unterscheiden.
Vielleicht noch interessanter: Laut einem Bericht von Vox untersuchen Forscher am Weill Cornell Medical College auf ähnliche Weise unterschiedliche Arten von Depressionen. Sie ließen Algorithmen für Maschinenlernen Daten analysieren, die im Ruhezustand des jeweiligen Hirns gesammelt wurden. Auf dieser Grundlage konnten sie vier verschiedene Unterarten der Krankheit definieren, die sich durch unterschiedliche Mischungen von Ängstlichkeit und Mangel an Freude manifestieren.
In der Vergangenheit waren nicht alle Versuche, mit MRT-Scans zu so feinkörnigen Diagnosen zu kommen, von Erfolg gekrönt. Die Arbeit mit KI bedeutet jedoch deutlich bessere Chancen, ein Signal zu erkennen, als wenn ein einzelner Arzt die Scans analysiert. Mindestens unterstützen die neuen Experimente die Annahme, dass es unterschiedliche Arten von Depressionen gibt.
Die Hirn-Scans könnten sich als nur ein Element bei dem allgemeinen Versuch erweisen, mit Hilfe von Maschinenlernen subtile Hinweise zu Depressionen aufzuspüren. Forscher am Langone Medical Center der New York University zum Beispiel arbeiten daran, mittels Maschinenlernen stimmliche Muster zu erkennen, die spezifisch für depressive und traumatisierte Menschen sind.
Laut dem Vox-Bericht könnte sich auch die Überlegung, dass es viele Arten von Depressionen gibt, als nützlich erweisen. Als Beleg führt er eine weitere aktuelle Studie an: Forscher an der Emory University haben festgestellt, dass es mit Maschinenlernen möglich ist, in MRT-Scans unterschiedliche Muster der Hirnaktivität zu erkennen, die eine Korrelation zur Wirksamkeit unterschiedlicher Behandlungsmöglichkeiten aufweisen.
Mit anderen Worten: Möglicherweise lassen sich mit Hilfe von KI nicht nur spezielle Arten von Depressionen identifizieren, sondern auch die besten Therapien dafür bestimmen. Von für die klinische Praxis relevanten Ergebnissen ist diese Forschung noch weit entfernt. Doch sie weckt Hoffnungen, dass es in Zukunft vielleicht bessere Möglichkeiten geben wird, Betroffenen zu helfen.
Bis dahin entwickeln andere Forscher KI-Systeme, die dafür sorgen sollen, dass Depressionen keine tragischen Folgen wie Selbstschädigung oder Selbstmord haben. Wired zum Beispiel berichtete in diesem März, Wissenschaftler an der Florida State University hätten Maschinenlern-Software entwickelt, die anhand ihrer Gesundheitsakten Patienten erkennt, bei denen das Risiko von Selbstmordgedanken besteht. Facebook behauptet, etwas Ähnliches durch die Analyse der Beiträge seiner Nutzer leisten zu können. Noch offen ist allerdings, ob das Sozialnetz in solchen Fällen tatsächlich helfen kann.
(sma)