Eine Mobilfunk-Antenne zerstört den Dorffrieden

Wegen Befürchtungen um Elektrosmog nehmen die Auseinandersetzungen um die Mobilfunkmasten auf Kirchtürmen zu.

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Von
  • Monika Wendel
  • dpa

Der himmlische Frieden in dem kleinen Nest Mittelbuchen ist zerstört. Der evangelische Pfarrer und etliche Bürger liefern sich seit Monaten einen Kleinkrieg. Eine Antenne des Mobilfunkanbieters T-Mobil im Kirchturm hat die Zwietracht entfacht, weil Bürger Angst vor Elektrosmog haben. Auch in zahlreichen anderen Kommunen im Main-Kinzig-Kreis, bei Fulda, Kassel oder Frankfurt weitet sich der Protest gegen die Sendestationen aus. Im 3.200 Einwohner großen Hanauer Stadtteil Mittelbuchen sind die Gräben gar so tief, dass Protestanten aus der Kirche austreten. Pfarrer Hans-Joachim Roth soll Drohungen erhalten haben, auch wurde auf die Kirche geschossen.

"Wir wussten damals nicht, in welches Wespennest wir stechen", erzählt Roth. "Ich stehe nun als Bösewicht da, das tut schon weh." Die Grenzwerte für die elektromagnetische Strahlung würden eingehalten, aber er könne auch verstehen, dass Menschen verunsichert seien. Die Bürgerinitiative gegen Elektrosmog (BIGES) wirft dem Pfarrer und dem gesamten Kirchenvorstand aber vor, nicht genügend auf die Sorgen der Menschen einzugehen. "Er hat eine Seelsorgepflicht und muss mit den Anderen reden, ihre Ängste anhören", sagt Vorsitzender Andreas Müller-Zimmermann, der nicht mehr zum Gottesdienst geht. Stattdessen habe der Kirchenvorstand den Kontakt zu den Elektrosmog-Gegnern lange Zeit abgelehnt. Diese befürchten, dass die elektromagnetische Strahlung krank macht.

Schon seit Jahren hat die Mobilfunkbranche viele Gotteshäuser in Deutschland mit Sendestationen bestückt. Wie viele andere will die Kirchengemeinde Mittelbuchen damit in erster Linie die Kasse aufbessern. Sie nimmt 7.000 Mark im Jahr ein, muss für zwei Dienst-Handys keine Grundgebühren bezahlen und T-Mobil hatte außerdem die Renovierung des Kirchturms übernommen.

Werde der Vertrag gebrochen, kämen Schadensersatz-Forderungen von 100.000 Mark auf die Kirchengemeinde zu, erklärt Roth. Und selbst wenn die Antenne im Kirchturm abgebaut würde, stünde sie eben später auf einem Feld. "Es kommt nicht in Frage, dass die Anlage abgeschaltet wird, wir werden keinen Kniefall machen", wettert der stellvertretende Vorsitzende im Kirchenvorstand, Werner Lind. In der Auseinandersetzung um die Sende-Antenne will nun das Dekanat mit Gesprächen vermitteln.

Der Krach um die Mobilfunkstation ist in dem kleinen Ort mittlerweile so verfahren, dass Familien sich zerstreiten. Nachbarn, die sich immer freundlich grüßten, kehren sich nun den Rücken zu. Sogar eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Pfarrer hatte ein Mobilfunk-Gegner beim Bischof eingereicht. Einige Bürger meiden den Seelsorger, und auf dem Weg zur Kirche war eines Tages das Wort "Verseucht" zu lesen. Er müsse viele Beleidigungen einstecken, da lägen auch seine Nerven manchmal blank, sagt Pfarrer Roth. Der BIGES-Vorsitzende Müller-Zimmermann wiederum empört sich, weil Roth vermutet hatte, die Bürgerinitative habe mit den Schüssen auf ein Kirchenfenster zu tun. Stattdessen macht Müller-Zimmermann Jugendliche dafür verantwortlich.

Für Gudrun Lenhard, die in der Nähe des Gotteshaus wohnt, war die Errichtung der Handy-Antenne das "I-Tüpfelchen", um aus der Kirche auszutreten. Alles sei still und heimlich über die Bühne gegangen, niemand sei informiert worden, schimpft sie. Erhitzte Gemüter gab es vor kurzem auch bei einer Informationsveranstaltung der Kirchengemeinde zum Thema Mobilfunk, bei der nach einer Satzung nur Protestanten Zutritt hatten. Die Bürgerinitiative gegen Elektrosmog betont unterdessen, sie werde weiter sachlich über die ihrer Ansicht nach bestehenden Gefahren der hochfrequenten, gepulsten Strahlung informieren. Einzelne Bürger klagten über Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Schwindel.

Der heftige Streit in der Dorfgemeinschaft hat jedenfalls schon andere Kirchenvorstände aufgeschreckt. Im Nachbarort Wachenbuchen wurde nach Protesten das Angebot eines Mobilfunk-Betreibers ausgeschlagen. (Monika Wendel, dpa) / (jk)