Wer hat Angst vor Robocops?

Schon heute werden ferngesteuerte Roboter zur Bombenentschärfung und Überwachung im Polizeidienst genutzt. Können und dürfen autonome Maschinen irgendwann auch ganz ohne menschlichen Einfluss für die öffentliche Sicherheit sorgen?

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Von
  • Jan Guldner

Dieser Text-Ausschnitt ist der aktuellen Print-Ausgabe der Technology Review entnommen. Das Heft ist ab 24.4.2017 im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich.

Der Körper des Roboters Andros Mark 5-A1 ist ein silberner Metallblock, der sich auf schwarzen Gummirädern vorwärtsbewegt. Sein Greifarm reicht bis zu 1,70 Meter weit. An einem Donnerstagabend im Juli 2016 hielt ein solcher Roboter im amerikanischen Dallas ein Pfund Sprengstoff in seinen Metallfingern. Die vom US-Rüstungskonzern Northrop Grumman hergestellte Maschine rollte damit zu der Wand, hinter der sich ein Amokschütze verschanzt hatte. Dessen Kugeln hatten an diesem Tag bereits zwei Polizisten getötet, drei weitere starben später an ihren Verletzungen. Um nicht noch mehr Kollegen zu gefährden, setzte Polizeichef David Brown den Roboter ein. Sekunden nach seinem Befehl zur Fernzündung der Bombe war der Schütze tot.

Die Explosion sorgte für Aufregung. Sicherheitsdienste und Polizei hatten Roboter zwar schon vorher benutzt – aber nie in tödlicher Absicht. Sie halfen, Bomben zu entschärfen oder unübersichtliche Einsatzgebiete zu überwachen. In Dallas, da sind sich viele Experten einig, wurde eine Grenze überschritten. „Das ist eine neue Dimension in der Polizeitechnik“, sagte Seth Stoughton, ehemaliger Polizist und Rechtsprofessor an der University of South Carolina, kurz nach dem Vorfall.

Noch ist die rollende Bombe die große Ausnahme, zumal solche Roboter nie wirklich autonom agieren, sondern immer noch eine Anbindung per Kabel oder Funk haben. Aber wie lange noch? Robocops entwickeln sich schleichend zum festen Bestandteil der Kriminalitätsbekämpfung. Das Center for the Study of the Drone am New Yorker Bard College hat staatliche Beschaffungsdaten ausgewertet und herausgefunden, dass inzwischen einige Hundert Roboter im Dienst der amerikanischen Polizei stehen.

Auch in der Luft erhalten die Ordnungshüter Unterstützung. Zwischen 2012 und 2014 beantragten acht Polizei- und elf Sheriff-Departments eine Drohnenfluggenehmigung. In Connecticut wird sogar darüber diskutiert, tödliche Waffen an Polizeidrohnen zu erlauben. North Dakota hat Waffen wie Taser oder Gummigeschosse an Drohnen bereits erlaubt.

Im Rest der Welt sind robotische Gesetzeshüter ebenfalls auf dem Vormarsch. Die Polizei von Dubai hat gerade angekündigt, dass bis zum Jahr 2030 ein Viertel ihrer Polizisten Roboter sein sollen. Der erste Robocop des Emirats soll im Mai 2017 auf Streife gehen. Zunächst soll seine Arbeit darin bestehen, dass er Anzeigen von Bürgern aufnimmt und Bußgelder kassiert.

Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage: Könnten KI-gesteuerte Maschinen künftig in der Lage sein, ohne menschliches Zutun für öffentliche Sicherheit zu sorgen?

Schon seit 2014 dreht ein etwa 1,50 Meter großer und 150 Kilogramm schwerer weißer Kegel seine Runden durch ein Shopping-Center in Stanford im Silicon Valley. Der Sicherheitsroboter, Modell K5 der Firma Knightscope, soll für Recht und Ordnung sorgen. Er ist per Livestream und Gegensprechanlage mit der Zentrale verbunden, wirklich autonom handelt er nur teilweise. Vielmehr filmt der K5 seine Umgebung mit vier digitalen Kameras. Neben Bildern sammelt der Knightscope-Roboter Daten aus seiner Umgebung. Mit einer Hitzekamera kann er mögliche Brandherde erkennen. Außerdem misst er Luftfeuchtigkeit und -druck. Ferner erkennt er Nummernschilder, speichert sie und merkt sich, welche Autos wo wie lange stehen. Auch verdächtige WLAN-Signale kann er aufspüren. All das macht der Roboter selbstständig – entweder auf einer programmierten oder einer zufälligen Route. Menschen greifen erst ein, wenn die Sensoren etwas entdecken, was unüblich ist. Eine Person, die in einer abgesperrten Zone herumschleicht, eine Steckdose, die auffällig heiß wird, oder ein Auto, das verdächtig lange am gleichen Ort parkt.

Ziel des Knightscope-Roboters ist es, monotone und gelegentlich auch gefährliche Patrouillengänge zu übernehmen, während die strategische Überwachungsarbeit nach wie vor Menschen erledigen. So kann theoretisch ein größerer Bereich gesichert werden – und das zu geringeren Kosten. Denn Knightscope vermietet Hard- und Software zu einem Stundensatz von rund sieben Dollar. Nach Zahlen des amerikanischen Bureau of Labor Statistics verdienen die etwa 1,1 Millionen einheimischen menschlichen Sicherheitsleute im Durchschnitt mehr als 14 Dollar pro Stunde.

Auch die Drohnen des Herstellers Aptonomy sollen in erster Linie als bessere Augen und Ohren der menschlichen Sicherheitsleute dienen. Sie schweben über Firmenarealen und halten Ausschau nach Eindringlingen. Die Drohne fliegt ihre Patrouillen autonom, kann aber auch von Wachmännern per Fingerzeig in einer App an eine bestimmte Stelle des Geländes geschickt werden. Erspäht sie einen Unbefugten, schlägt sie Alarm – und stürzt sich mit grellem Scheinwerferlicht und ohrenbetäubendem Lautsprecherlärm auf ihn. Zwanzig Minuten kann das Fluggerät in der Luft bleiben, bis es zur Ladestation fliegt und in vierzig Minuten seine Akkus wieder auflädt.

Das hat der Parc getaufte Flugroboter der Firma CyPhy Works nicht nötig. Er wird über eine mehr als 120 Meter lange Leine mit Strom versorgt. So kann Parc tagelang ein Areal aus der Luft im Auge behalten – entweder mit einer 360-Grad-Optik oder einer Kamera mit 30-fachem Zoom.

(inwu)