Einmal Gott sein: 150 Dollar

Amerikanische Firmen verkaufen günstige Kits, mit denen man zu Hause Bakterien gentechnisch verändern kann. Wir haben ausprobiert, wie einfach es wirklich ist.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh

Dieser Text-Ausschnitt ist der aktuellen Print-Ausgabe der Technology Review entnommen. Das Heft ist ab 24.4.2017 im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich.

Die Pipette in meiner gummibehandschuhten Hand zittert leicht. Ich bin ein bisschen nervös, denn jetzt kommt der kritische Teil des Experiments. Noch einmal kontrolliere ich, ob alles richtig vorbereitet ist: Die fünf kleinen Kunststoffbehälter, unter Biologen Eppendorf-Tubes genannt, stehen geschlossen nebeneinander in einer grünen Halterung. Darin: Die Darmbakterien, die ich zuvor mit einer kleinen Öse von der Petrischale gekratzt und in Flüssigkeit gebracht habe. Neben den „Eppis“ stehen drei Röhrchen. Zugeschraubt – das Herzstück des „DIY Bacterial Gene Engineering CRISPR Kit“ der Firma Odin. Sie enthalten das kostbare genetische Material, unsichtbar, gelöst in einem kleinen Tröpfchen Flüssigkeit. Dieses fremde Erbgut will ich in die Bakterien schmuggeln und so das Erbgut der Einzeller verändern. Wenn alles klappt, werden sie gegen das Antibiotikum Streptomycin resistent sein, was ihnen normalerweise den Garaus machen würde. Ich verändere Erbgut mit einem Do-it-yourself-Kit für 150 Dollar, mit dem jeder einmal Gott spielen kann. Und wenn dieses Experiment gelingt, wenn ein Laie wie ich derart einfach das Erbgut umschreiben kann, wo sind dann noch die Grenzen? Wandert die Gentechnik aus den abgeschotteten Hightech-Laboren in die unkontrollierbare Welt der Garagen und Heimwerker – mit allen Konsequenzen für Mensch und Umwelt? Ich will wissen, ob die Furcht berechtigt ist.

Ich kontrolliere noch mal die Volumenangabe auf meiner Pipette. Sie zeigt 10 an, sie wird exakt 10 Mikroliter in die kleine Plastikspitze einsaugen. Zehn Millionstel Liter, das ist ein Tröpfchenchenchen. So steht es in der (englischen) Anleitung von Odin, die mir Schritt für Schritt zeigt, was ich machen soll. Diese Anleitung erscheint mir nicht sehr viel komplizierter als ein Backrezept. Gentechnik für Dummies. Ich werfe noch einen schnellen Blick zur Seite, wo Rayk Behrendt sitzt. Der Molekularbiologe an der Immunologischen Abteilung der TU Dresden beobachtet jeden meiner Schritte, und obwohl er sich ein Grinsen nicht verkneifen kann, hält er sich zurück. Schließlich soll das hier jeder Normalo schaffen, sagt Odin. Ich bin trotzdem zu Behrendt ins Labor gegangen. Aus zwei Gründen: Einmal, weil ich mich sonst strafbar machen würde. Das deutsche Gentechnikgesetz verbietet Manipulationen an Organismen außerhalb der dafür vorgesehenen Einrichtungen. „Wer DIY-Kits bestellt und außerhalb gentechnischer Anlagen entsprechend anwendet, riskiert gemäß § 38 Absatz 1 Nummer 2 GenTG eine Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro“, warnt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. „Falls im Rahmen der Nutzung der DIY-Kits gentechnisch veränderte Organismen freigesetzt werden, droht gemäß § 39 Absatz 2 Nummer 1 GenTG sogar eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.“ Zweitens wollte ich wissen, ob das Kit und die Anleitung einigermaßen professionellen Standards entsprechen oder Schrott sind. Der erste Eindruck ist ernüchternd: Eine Glasflasche platzt in der Mikrowelle. Sie enthielt das Nährmedium für die Bakterienkultur, das nun unbrauchbar ist. Mein Versuch wäre beendet gewesen, noch bevor er überhaupt richtig begonnen hatte. Zum Glück kann Behrendt mit einer Spende aus seinem Labor aushelfen. Abgesehen davon ist der Forscher vom Standard des Gen-Baukastens allerdings positiv überrascht. Von der Idee, so etwas in private Hände zu geben, jedoch nicht.

(jlu)