Ein bisschen Science-Fiction: Samsung Galaxy S8 und S8+ im Test

Volltreffer für Samsung: Galaxy S8 und S8+ sind nicht nur die schnellsten Android-Smartphones, die wir jemals im c't-Testlabor hatten. Sie setzen auch optisch Trends. Der Assistent Bixby ist allerdings noch ziemlich peinlich.

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Ein bisschen Science-Fiction: Samsung Galaxy S8 und S8+ im Test
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen
Inhaltsverzeichnis

Smartphones sind in den letzten Jahren ziemlich langweilig geworden, vor allem in Sachen Aussehen. Nicht einmal Profis können Handys der letzten zwei, drei Jahre bei schnellem Hinsehen voneinander unterscheiden. Die neuen Samsung-Topmodelle S8 und S8+ erkennt dagegen jeder sofort. Fast die gesamte Vorderseite besteht aus Display, die berüchtigten schwarzen Balken oben und unten fehlen, außerdem gibt es den für Samsung typischen Menü-Knopf nicht mehr.

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Das nahezu vollflächige Display ist mehr als eine schnöde Designverbesserung: Hat man sich einmal an den Bildschirm mit dünnem Rand gewöhnt, sehen alle anderen Smartphones auf einmal altmodisch aus. Man muss deshalb kein Hellseher zu sein, um zu prognostizieren, dass in naher Zukunft alle (besseren) Handys ohne dicke Ränder auskommen werden. Zum Vergleich: Das Gehäuse des Galaxy S8 ist schmaler als das des Vorgängers S7 (68 mm vs. 69,6 mm) und lediglich 6 mm höher – und trotzdem passt ein 5,8-Zoll-Display rein (147 mm Diagonale), beim S7 reichte es nur für 5,1 Zoll (130 mm). Das S8+ kommt mit 6,2-Zoll-Bildschirm (157 mm).

Samsung Galaxy S8 und S8+ (5 Bilder)

Edel und flach: Das Galaxy S8 sieht schick aus und ist trotz des großen Displays handlich.

Natürlich ist das "Infinity-Display" – so das Werbe-Buzzwort – keine Erfindung von Samsung. Der chinesische Hersteller Xiaomi hat mit dem Mi Mix bereits im letzten Jahr ein ähnliches "Randlos"-Design vorgelegt; allerdings ist das Gerät offiziell nie in Deutschland erschienen. Und: Das elegant-filigrane S8 fühlt sich deutlich besser an als das ziemlich klobig wirkende Mi Mix – und sieht mit den abgerundeten Kanten auch faszinierender aus.

Handhabungs-Probleme haben sich daraus bei uns nicht ergeben: Trotz großer Hände lösten wir keine Touchscreen-Aktionen mit dem Handballen aus – beim S7 Edge passierte das hin- und wieder. Die abgerundeten Kanten haben allerdings andere Nachteile: Sie verursachen bei heller Umgebung eine schmale Reflektions-Linie (siehe auch Video oben). Schaut man Videos im Vollbild, wirken vertikale Kameraschwenks etwas wobbelig.

Die S8-Kameraapp hat etliche ulkige Echtzeit-Masken eingebaut.

(Bild: c't)

Ansonsten ist Videoschauen eine Wucht auf dem S8 und natürlich noch mehr auf dem größeren S8+. Sobald die Smartphones Videoinhalte erkennen, blenden sie ein Icon ein, mit dem man das Video aufs Gesamtdisplay hereinzoomen kann. Das Seitenverhältnis von 18,5:9 liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem Unterhaltungselektronik-Standard 16:9 und dem von den meisten Kinofilmen verwendeten 21:9 (bzw. 2,39:1).

Tatsächlich wird das 18:9-Seitenverhältnis (entspricht 2:1) vom Univisium verwendet, das seit einigen Jahren für ein einheitliches Seitenverhältnis im Kino und Fernsehen sorgen soll. Abgesehen von einigen Kinofilmen kommt das Format in einigen Video-on-Demand-Serien wie House of Cards, Stranger Things oder Transparent zum Einsatz.

Auch einige Apps profitieren vom Vollflächendisplay: In den Einstellungen unter "Anzeige" / "Vollbild-Apps" lässt sich festlegen, welche Programme sich komplett auf dem Display ausbreiten und Benachrichtigungsleiste oben plus Android-Buttons unten ausblenden dürfen.

Zur visuellen Faszination trägt nicht nur das ungewöhnliche Seitenverhältnis und das randarme Display bei, sondern auch die kontrast- und farbstarke Darstellung: Eingebaut sind sowohl beim S8 als auch beim S8+ OLED-Displays mit einer Auflösung von 2960 × 1440 Pixeln. Dass die Subpixel wie bei Samsungs "AMOLED"-Technik üblich nicht gleichmäßig verteilt sind, sondern in einer sogenannten Pen-Tile-Matrix angeordnet sind, kann man mit bloßem Auge nicht erkennen – dafür ist die Auflösung zu groß.

Die Pixeldichte liegt beim S8 bei 570 ppi und beim S8+ bei 529 ppi. Interessanterweise sind beide Geräte nicht auf die volle Auflösung voreingestellt, sondern auf 2220 × 1080 Pixel -- einen sichtbaren Unterschied konnten wir nicht feststellen. Nützlich ist die hohe Auflösung jedoch im Virtual-Reality-Betrieb: S8 und S8+ sind kompatibel mit dem zusammen mit Oculus VR entwickelten GearVR-System, das ein deutlich besseres Mittendrin-Gefühl bietet als konventionelles "Cardboard"-VR. Benötigt wird dafür ein mit Headtracking-Sensoren bestücktes GearVR-Headset für 130 Euro. Alte Headsets sind wegen der USB-C-Buchse nicht mehr kompatibel. Dafür liegt der neuen Brille ein Handcontroller bei.

Vergleichsfoto bei 1000 Lux: Links iPhone 7, rechts Galaxy S8.

(Bild: c't)

Die Hauptkamera-Hardware hat Samsung gegenüber dem Vorgängermodell S7 nicht verändert. In den S8-Modellen steckt der gleiche Sensor (12 Megapixel, Phasenerkennungs-Autofokus, optische Bildstabilisierung, Blende f/1,7), dessen Daten aber laut Hersteller vom schnelleren Prozessor aufwendiger verarbeitet werden sollen: Die neue "Multi-Frame"-Technik schießt laut Samsung grundsätzlich drei Fotos, sucht das schärfste aus und nutzt die anderen um Bewegungsunschärfen wegzurechnen.

Vergleichsfoto 5 Lux: Große Unterschiede bei schlechten Lichtverhältnissen.

(Bild: c't)

Im Test haben wir allerdings keine relevanten Unterschiede zwischen den S7- und den S8-Fotos feststellen können – was aber kein Problem ist: Wir hatten noch kein Smartphone im Testlabor, das bessere Fotos macht. Auch bei den bewegten Bildern gab es nix zu meckern: Wie das S7 zeichnet das S8 knackscharfe Videos auf, auf Wunsch sogar in 4K-Auflösung.

Gegenüber dem S7 hat Samsung die Frontkamera leicht verbessert: Statt 5 Megapixel fotografiert sie nun mit 8 MP. Auffälliger als die Hardware-Verbesserungen sind die vielen verspielten Filter, die nun standardmäßig in der Kamera-App für gute Laune sorgen: Wie bei der Social-Media-App Snapchat kann man den Fotografierten allerlei Comic-Tiermasken aufsetzen, die zum Teil auch animiert sind. Ein weiteres Feature für die Generation Selfie: Statt per konventionellem Screenshot lassen sich bewegte Bildschirminhalte per animierten GIF abspeichern – ohne Zusatz-Apps.

Das in Version 7.0 zugrundeliegende Android hat Samsung nur dezent angepasst – das war bei früheren Smartphones anders. Vermutlich hat sich der Hersteller deshalb auch von der berühmt-berüchtigten Bezeichnung "TouchWiz" verabschiedet. Die gelungene Oberfläche des S8(+) nennt der Hersteller nun schlicht "Samsung Experience". Schade allerdings, dass statt der aktuellen Version 7.1.2 nur Android 7.0 zum Einsatz kommt.

Die alte Nerd-Weisheit "Samsung kann Hardware besser als Software" gilt trotzdem noch: Das Assistenzsystem Bixby, für das Samsung in der S8-Werbekampagne fleißig trommelt, entpuppt sich in der Praxis als uninspirierte Google-Now-Kopie – es befindet sich sogar an derselben Stelle, links neben dem ersten Desktop. Genau wie bei Google Now zeigt es das aktuelle Wetter und angeblich personalisierte Nachrichten über Samsungs Google-News-Klon Upday an. Im Test bekamen wir ausschließlich Schlecht-Journalismus à la "Diese eine Sache macht Menschen sofort attraktiv" angezeigt; definitiv nicht das, was wir gerne lesen wollten.

Außerdem bindet sich Bixby in die Kamera-App ein: Ein Tipp aufs Bixby-Icon schaltet in einen Echtzeit-Erkennungsmodus, der zum Beispiel Produkte erkennen soll – genau wie die seit 2010 erhältlich Google-App Goggles. In unserem Test konnte die Bixby-Kameraerkennung nicht einmal Samsung-Produkte identifizieren. Erfolg hatten wir lediglich mit einem Coca-Cola-Logo sowie mit Barcodes.

Peinlich: Per Sprache kann man Bixby zum Marktstart noch nicht bedienen, auch nicht auf Englisch. Die Funktion will Samsung nachliefern. Den spezielle Bixby-Button auf der linken Gehäuseseite (unter dem Lautstärkeregler) darf man derweil nicht mit eigenen Funktionen belegen – Apps, mit denen man den Knopf umfunktionieren konnte, hat Samsung bereits per System-Update einen Riegel vorgeschoben.

Bixby zeigt vor allem, dass Samsung beim Geschäft mit den Kundendaten mitmischen will und die Smartphone-Käufer immer direkter drangsaliert, endlich einen Samsung-Account anzulegen. Die personalisierte Bixby-Anzeige funktioniert nämlich nur mit Account, genauso wie das Herunterladen von Bildschirmhintergründen und Themes.

Samsung Galaxy S8: Oberfläche und Bixby (6 Bilder)

Bixby zeigt wenig spannende Dinge an und neigt zu unangenehm boulevardesken News-Meldungen. Das ist übrigens die Ansicht, die man entweder durch Drücken der Bixby-Taste oder durch stetiges nach links wischen zu sehen bekommt.
(Bild: c't)

Die S8-Smartphones lassen sich über drei unterschiedliche biometrische Merkmale entsperren: Fingerabdruck, Gesicht und Iris. Am bequemsten ist die Gesichtserkennung: Der Abgleich klappte im Test häufig in unter einer Sekunde. Leider ist die Funktion auch am unsichersten: Im Test konnten wir die Technik problemlos mit einem Foto austricksen, das auf einem anderen Smartphone angezeigt wurde. Samsung selbst betont, dass "Face Unlock" vor allem eine Komfort- und keine Sicherheitsfunktion sei.

Cooler, und vor allem sicherer, ist die Entsperrung per Iris: Wie beim nicht mehr erhältlichen Galaxy Note 7 erfasst das S8 die Iris per Frontkamera und Infrarot-LED – letztere ist notwendig, um die Struktur der Regenbogenhaut optimal zu erfassen. In der Praxis funktionierte das Entsperren per Iris fast genauso schnell wie bei der Gesichtserkennung: In unter einer Sekunde war der Desktop da. Allerdings gilt das nur, wenn man keine Brille trägt; mit Sehhilfe dauerte es bei uns auch schon mal drei Sekunden.

Als drittes Biometrie-Merkmal erfasst das S8 – wie die meisten aktuellen Smartphones – den Fingerabdruck. Allerdings ist dieser etwas ungünstig auf der Rückseite neben der Kameralinse platziert; man muss also immer aufpassen, dass man das Objektiv nicht mit dem Finger verschmiert.

Absolut keine Blöße gibt sich Samsung mit dem eingebauten SoC – sowohl in Sachen CPU als auch GPU. Während in Europa der hauseigene Exynos 8895 zum Einsatz kommt, wird in US-Geräten der Snapdragon 835 verbaut. Unsere Testmuster mit Exynos 8895 waren die schnellsten Android-Smartphones, die wir jemals im c't-Testlabor hatten. Coremark erreichte im Multithread-Benchmark einen Wert von 62000, mehr als bei jedem anderen Smartphone inklusive iPhone 7. Allerdings drosselt der Exynos-SoC bei Dauerbelastung kurzzeitig – beim vierten Coremark-Durchlauf haben wir nur noch einen Wert von 40000 gemessen, der SoC erholte sich aber schnell wieder In unseren Tests schien das S8 bei Auslastung aller Kerne minimal langsamer zu arbeiten als das S8+. Im Großen und Ganzen sind die Geräte aber auf dem gleichen Leistungsniveau.

Nichts zu meckern gibt es auch bei der Laufzeit: Das S8 holt aus seinem (nicht austauschbaren) 3000-mAh-Akku 15,3 Stunden WLAN-Surfen bei 200 Candela Bildschirmhelligheit – beim S7 waren es 15,2 Stunden. Das S8+ (mit 3500-mAh-Akku) schafft 16,8 Stunden (S7 Edge 16,6 Stunden). Beim Videoschauen liegen die Werte bei den S8ern etwas darunter (S8: 14 Stunden, S8+ 16,5 Stunden) und fallen ein wenig schlechter aus als bei den Vorgängermodellen (S7 14,8 Stunden, S7 Edge 16,8 Stunden).

Bluetooth 5.0 sei Dank: Das S8 kann zwei Bluetooth-Audiogeräte gleichzeitig bespielen.

Unter der Haube gibt es im Vergleich zum S7 einige interessante Neuerungen: So unterstützt das GPS-Modul neben GPS, Glonass und Beidou auch das europäische Satelliten-System Galileo. Außerdem ist Bluetooth 5.0 am Start, das unter anderem "Dual Audio" beherrscht: Damit lassen sich zwei Bluetooth-Audiogeräte gleichzeitig vom Smartphone bespielen. Sinnvoll ist das zum Beispiel, beim Filmschauen zu zweit – mit Kopfhörern. Wer einen Raum mit Bluetooth-Lautsprechern beschallen will, muss mit Echo-Effekten leben, denn die Tonausgabe ist nicht ganz synchron.

Als eines der ersten Smartphones beherrscht das S8 die DisplayLink-kompatible Videoausgabe per USB-C (bis zu 4K-Auflösung mit 60 Hz) – testen konnten wir die Funktion mangels Adapter noch nicht. Ältere Samsung-Telefone verwendeten dafür übrigens die MHL-Technik, beim S6 und S7 verzichtete man dagegen ganz auf Videoausgabe über USB.

Nicht testen konnten wir außerdem die zusammen mit dem S8 und dem S8+ angekündigten Zubehörgeräte DeX Station (Dock für den Desktopbetrieb), Gear 360 (Rundum-Kamera) und Gear VR (Virtual-Reality-Headset); die Produkte sind bislang noch nicht erhältlich.

Die beiden S8-Smartphones spielen in Sachen Design und Technik in der Champions-League, in Sachen Software leider nur in der Bezirksliga: Zwar hat uns die "Samsung-Experience"-Oberfläche insgesamt gut gefallen, der völlig unnötige und uninspirierte Bixby-"Assistent" nervt jedoch gewaltig, zumindest in der aktuellen Software-Version. Glücklicherweise muss man das Teil nicht benutzen. Wer die Samsung-Oberfläche nicht mag, kann zudem einen alternativen Launcher installieren – Android sei Dank.

Technisch lässt das S8(+) jedoch keine Wünsche offen: Wasser- und Staubschutz nach IP68, Speicherkarten-Slot, lange Akkulaufzeit, Top-Kamera, beeindruckendes Breitbild-Display, 4 GByte RAM, superschneller SoC – diese Kombination bietet zurzeit kein anderen High-End-Handy. Allerdings lässt sich Samsung die Technik-Zauberei auch fürstlich bezahlen: Fürs S8 muss man 800 Euro, fürs S8+ 900 Euro auf den Tisch legen.

(jkj)