Mehr grüne Energie dank Metallen aus der Tiefsee

Vor der Küste der Kanarischen Inseln lagern für die Solarbranche wichtige seltene Erden. Lohnt sich der potenzielle Umweltschaden, der bei der Förderung entstehen könnte?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jamie Condliffe
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Forscher um den Geowissenschaftler Bram Murton haben große Mengen seltener Erden in der Tiefsee gefunden. Die Lagerstätte befindet sich rund 480 Kilometer von der Küste der Kanarischen Inseln entfernt. Es handelt sich um einen gigantischen Unterseeberg, der zu größeren Teilen aus dem Halbmetall Tellur bestehen könnte – 1000 Meter unter der Oberfläche. Die ersten fünf Zentimeter der Bergkruste sollen ungefähr 50.000 Mal mehr der seltenen Erde enthalten als jede Lagerstätte an Land.

Tellur ist für die grüne Energiebranche extrem bedeutsam. Das Halbmetall steckt in einigen der effizientesten Solarzellen, die es auf dem Planeten gibt. Die Tatsache, dass die seltenen Erden – wie der Name schon sagt – in relativ geringen Mengen vorkommen und sich nur mit vergleichsweise großer Mühe fördern lassen, verteuert die Sonnenstromerzeuger. Die neue Lagerstätte in der Tiefsee könnte das teilweise ändern: Immerhin 2670 Tonnen sollen sich aus dem Meer holen lassen, das ist ein Zwölftel der weltweiten Fördermenge.

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Das Dilemma beim Anbohren der Lagerstätte besteht nun in der Frage, ob man das damit in Verbindung stehende Risiko für die Umwelt eingehen sollte. Solche Tiefseerohstoffe wecken schon seit einigen Jahren Begehrlichkeiten. Die kanadische Firma Nautilus Mineral will vor Papua Guinea ab 2019 Kupfer und Gold fördern – nachdem es anfangs Bedenken seitens der lokalen Regierung gab. China würde sehr gerne Metalle unter dem Indischen Ozean fördern – und steht vor dem Start entsprechender Prozesse.

Für die Tiefseeförderung spricht, dass die Nachfrage nach seltenen Erden und Edelmetallen ständig wächst. Sie stecken in zahlreichen elektronischen Geräten, in Elektroautos und in Technik zur Gewinnung erneuerbarer Energie. Ethisch sauber ist der Abbau bei weitem nicht immer – das Thema "Konfliktmetalle" sowie die schlechten Arbeitsbedingungen bei der Förderung etwa in Afrika fordern die Branche heraus. Die Tiefseeförderung könnte hier Abhilfe schaffen und für die Förderfirmen dennoch äußerst lukrativ sein.

Allerdings weiß niemand, welche Auswirkungen die Tiefseeförderung auf das unterseeische Leben haben könnte. Sie könnten sehr negativ sein. Eine Analyse von Tiefseeabbauarbeiten, die testweise durchgeführt wurden, zeigte kürzlich, dass selbst Probebohrungen Meeresökosysteme beschädigen können.

Größere Projekte könnten noch deutlich problematischer sein. Werden die natürlichen Abläufe in der Tiefsee gestört, könnte dies nicht nur für die Meeresbewohner negative Auswirkungen haben, sondern eventuell sogar Wettermuster beeinflussen – oder gar die Art, wie das Meer Kohlendioxid speichert.

Wirtschaft und Forschung müssen sich die Frage gefallen lassen, was wichtiger ist: Die Ressourcen abzubauen, die notwendig sind, um signifikante Mengen grüner Energie zu produzieren? Oder die Natur nicht tangieren und damit potenziell größere Schäden an unseren Ozeanen vermeiden? Ob der Zweck hier die Mittel heiligt, ist noch nicht ausgemacht. Klar ist nur: Unter dem Ozean ist ein großes Potenzial vorhanden. (bsc)