Forscher basteln am ultimativen Adblocker

Statt Werbeanzeigen aufgrund von URL-Listen zu blockieren, schlagen die Autoren einer Studie einen Filter vor, der Werbung optisch erkennt. Dass die Methode funktioniert, zeigen sie auf Facebook.

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Forscher basteln am ultimativen Adblocker

Ein experimenteller Adblocker erkennt Werbeanzeigen anhand der Gestaltung und Kennzeichnung.

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Das Wettrüsten zwischen Adblockern und Anti-Adblockern gehört mittlerweile zum Alltag der Online-Werbung: Immer mehr Verlage und Plattformen rüsten ihre Angebote mit Techniken aus, die Adblocker ausmanövrieren sollen – und immer neue Adblocker versuchen, diese Sperren zu umgehen. Ein Team um den Informatiker Arvind Narayanan zeigt sich überzeugt, dass die Adblocker dieses Wettrüsten gewinnen und stellt in einer Studie neue Techniken vor, die Adblocker-Sperren ein für alle Mal überwinden sollen.

"Wir glauben, dass die Nutzer und ihre Adblocker durch die Architektur von Webbrowsern begünstigt werden", schreibt Narayanan. Das Interesse der Forscher war geweckt worden, als sich Facebook im vergangenen Jahr einen öffentlichen Schlagabtausch mit den Autoren von Adblockern lieferte. Dazu entfernte der Konzern alle zuverlässigen Hinweise auf Werbung aus dem Quellcode seiner Plattform und manövrierte die populärsten Adblocker erfolgreich aus.

Die Anzeigen auf Facebook weisen bestimmte Erkennungsmerkmale auf, etwa das "Gesponsert" und das Drop-Down-Menü mit der Option "Werbeanzeige verbergen". Daran kann ein Adblocker die Werbung identifizieren.

Als Antwort entwickelte das Team des Centers for Information Technology Policy der Princeton Universität einen alternativen Adblocker, der einen neuen Ansatz verfolgte: Statt wie etwa Adblock Plus den Quellcode einer Website zu analysieren, gingen die Forscher davon aus, dass Anzeigen für Menschen erkennbar sein müssen. Ihre Browser-Erweiterung stöbert deshalb auf der Website nach Beiträgen, die vom Format her Anzeigen sein könnten und sucht darin nach Hinweisen wie der Kennzeichnung "Sponsored Post" oder den Drop-Down-Menüs, die den Nutzern ermöglichen, ihre Werbeeinstellungen zu ändern.

Der Prototyp funktioniert laut Angaben der Forscher seit Monaten auf Facebook für mehrere Tausend Nutzer zuverlässig. Seither wurde die Software um weitere Funktionen erweitert, um auch im übrigen Netz Anzeigen zuverlässig zu erkennen. Grundlage bildet eine leistungsstarke Suchfunktion, die Container auf Websites erkennen soll, die Werbung enthalten können. In diesen Containern setzt das Tool mehrere Erkennungstechniken an: So sucht der Adblocker-Prototyp nach Texten oder Grafiken, die das Seitenelement als Werbung kennzeichnen. Solche Kennzeichnungen sind in den USA vorgeschrieben. Zusätzlich haben die Autoren dem Werkzeug noch einen Klick-Simulator integriert. So kann das Tool erkennen, welche Inhalte erscheinen, wenn der Nutzer auf ein entsprechendes Element klickt und daraus Rückschlüsse auf den Inhalt ziehen.

Neben Facebook-Anzeigen haben die Forscher ihr Tool mittlerweile auf Werbung angesetzt, die mit dem Logo "AdChoices" versehen sind. Diese Eigeninitiative der Werbeindustrie ermöglicht es Nutzern, Werbebanner zu sperren oder das Tracking von bestimmten Angeboten zu deaktivieren – und bietet dem Prototypen der Forscher ein gut erkennbares Logo, um die Werbung auszublenden. Im Vergleich mit der klassischen Filtermethode, die auf Tausende Einträge lange und aufwendig zu pflegende Filterlisten setzt, soll der neue Ansatz bedeutend effizienter sein: So benötigt die AdChoice-Erkennung gerade einmal 28 Zeilen Code, der Facebook-Filter 63 Zeilen. Vorerst blockiert der Prototyp aber keine Werbung, sondern überlagert sie lediglich mit einem Hinweis.

Die neuartige Erkennung der Anzeigen ist nur ein Ansatz der Forscher – um das Wettrüsten gegen Adblocker zu gewinnen, soll das Blockieren auch für Website-Betreiber nicht erkennbar sein. Denn schon seit einiger Zeit sperren Verlage wie Axel Springer Nutzer von Adblockern von ihren Angeboten aus. Dazu setzen die Betreiber auf Skripte, die überprüfen sollen, ob Werbung geladen und im Browser des Nutzers angezeigt wird.

Um solche Sperren zu umgehen, diskutieren die Autoren verschiedene Ansätze. Bei den heute existierenden Adblocker-Blockern genügten noch relativ simple Methoden: So können Adblocker-Autoren die entsprechenden Blocker-Skripte erkennen und ihnen falsche Werte liefern. Diese Methode hat jedoch die gleichen Probleme wie filterbasierte Adblocker: Website-Betreiber und Adtech-Anbieter können die Skripte verbergen und ständig verändern, was wiederum ein
neues Wettrüsten auslösen würde.

Während der experimentelle Adblocker auf Facebook und US-Websites schon funktioniert, erkennt er auf deutschen Seiten nicht alle Anzeigen.

Für eine langfristig wirksame Lösung schlagen die Autoren deshalb komplexere Methoden vor. So soll eine Browser-Erweiterung eine Schein-Kopie einer Website erstellen. Der Nutzer bekommt dabei eine Version zu sehen, in der erkannten Werbeanzeigen ausgeblendet werden – den Anti-Blocker-Skripten wird jedoch eine noch intakte Kopie der Website mitsamt Werbung angezeigt. Ein anderer Ansatz sieht vor, alle Abrufe des Browser-API zu analysieren und gegebenenfalls mit manipuliertem Code zu überschreiben. Letztlich würden die Nutzer das Wettrüsten gewinnen, argumentieren die Autoren der Studie, da der Code von Browser-Erweiterungen mehr Rechte habe als das JavaScript, das mit Websites ausgeliefert werde.

Doch der Optimismus Narayanans, das Adblocker-Wettrüsten langfristig entschieden zu haben, erscheint verfrüht. Die von den Forschern vorgestellte Methoden sind ganz auf in den USA gebräuchliche Werbeformate fixiert. Testet man das Tool auf deutschen Websites, ist die Erkennungsrate deutlich geringer. Facebook schaffte es nach Angaben von Narayanan nur kurzfristig, den Adblocker-Prototypen wieder von der eigenen Plattform auszusperren.

Zudem arbeiten die Plattform-Betreiber längst an Lösungen, die Banner-Werbungen im Browser ablösen sollen. So versucht Facebook seine Nutzer zum Beispiel mit der neu vorgestellten Augmented Reality-Plattform vom Browser wegzuführen. Auch setzen Verlage immer mehr auf Video-Inhalte oder native Werbeformate, die sich auch den erweiterten Filtermethoden der Forscher widersetzen können.

Die Forscher setzen auch darauf, dass Werbenetzwerke durch Regulierungen der Federal Trade Commission langfristig daran gehindert würden, die neuen Methoden der Adblocker zu umgehen – doch seit Antritt der Regierung Trump wurde der Wettbewerbsbehörde ein extrem industriefreundlicher Kurs verschrieben. Die Lobbyarbeit gegen Adblocker hat ebenfalls bereits in Deutschland begonnen. (dbe)