Elektronische Patientenakte: Bertelsmann-Stiftung fordert Bundesinstitut

Weil die Gematik schon mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte überfordert sei, verlangt die Bertelsmann-Stiftung ein Bundesinstitut für die Einführung einer elektronischen Patientenakte.

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Bertelsmann-Stiftung fordert Bundesinstitut für elektronische Patientenakte

So stellt sich Bertelsmann das vor: Patient und Ärztin mit Patientenakte im Tablet.

(Bild: bertelsmann-stiftung.de)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Kurz vor der Medizin-IT-Messe ConHIT hat die Bertelsmann-Stiftung eine Expertise über die elektronische Patientenakte (ePA) veröffentlicht. Darin führt der Medizininformatiker Peter Haas von der Fachhochschule Dortmund aus, dass eine einrichtungsübergreifende ePA nicht von der Projektgesellschaft Gematik eingeführt werden könne, die derzeit die telemedizinische Infrastruktur in Deutschland aufbaut. Vielmehr bräuchte es ein Bundesinstitut unter Fachaufsicht des Gesundheitsministeriums und gesonderter ePA-Gesetze im Sozialgesetzbuch.

Die elektronische Patientenakte ist nach Ansicht von Haas das "Kernelement der individuellen patientenzentrierten umfassenden Gesundheitsversorgung". Eine IT-Struktur, in der Ärzte und Versicherte auf diese Akte zugreifen können, sind für ihn eine "ethische Notwendigkeit": Jeder Bundesbürger sollte eine solche nationale ePA haben und sie in eigener digitaler Souveranität als "Fenster" auf den eigenen Körper benutzen und gestalten können. Ärzte und andere medizinische Leistungserbringer sollen nach allgemein anerkannten medizinischen Standards Daten und Diagnosen fälschungssicher in die Akte einspeisen, die damit "Überbehandlungen" vermeidet und die Arzneimitteltherapiesicherheit ausgestaltet.

Durch die fortlaufenden Reibereien zwischen den ärztlichen Standesorganisationen und den Krankenkassen sei die gemeinsame Projektgesellschaft Gematik ungeeignet, die Einführung einer ePA zu betreuen. Die Gematik sei in der Hand von "Vetospielern", die für einen Stillstand bei der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gesorgt haben und die auch die ePA torpedieren würden. Deshalb sollte ein neues Bundesinstitut das Projekt in die Hand nehmen und durch eine Erweiterung des Sozialgesetzbuches weisungsberechtigt gegenüber den Beteiligten handeln können. Ärzte wie Krankenkassen könnten beratend beteiligt werden.

Haas gibt einen Überblick, wie die Patientenakten in Österreich, Schweiz, Estland, Dänemark, Schweden, Großbritannien, Australien und den USA funktionieren und schätzt, dass Deutschland noch zehn Jahre für die Realisierung einer eigenen Patientenakte braucht. Diese Dauer wird auch damit begründet, dass der Datenschutz und das Berechtigungsmanagement beim Zugriff auf die ePA ausgiebig erprobt werden müssen. Jedes denkbare ePA-System erfordere eine zentrale Datenspeicherung und sei sie auch noch so minimal, heißt es in der Expertise.

Die Bertelsmann-Stiftung versteht sich als Vorreiter für eGovernance-Strukturen in Deutschland. Die von ihr finanzierte Expertise zur Patientenakte gehört zum Bertelsmann-Projekt Der digitale Patient, mit der die Digitalisierung des Gesundheitswesens beworben wird. (anw)