Hannover Messe 2017: Schaufenster der globalen Industrie und IT

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Polens Ministerpräsidentin Beata Szydło haben am Sonntagabend in Hannover die weltweit wichtigste Industriemesse eröffnet. BDI-Chef Dieter Kempf nutzte die Gelegenheit für Seitenhiebe Richtung Osten und Westen.

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Hannover Messe 2017: Schaufenster der globalen Industrie und IT
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Von
  • Peter-Michael Ziegler
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Rund 6500 Aussteller aus über 70 Nationen präsentieren ab Montag neue Produkte und industrielle Anwendungen auf der weltweit größten Investitionsgütermesse in Hannover. Bei der Eröffnungsveranstaltung der Hannover Messe am Sonntagabend im Hannover Congress Centrum (HCC) machten sich sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, für Freihandel und Weltoffenheit stark.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Polens Ministerpräsidentin Beata Szydło und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil bei der Eröffnung der Hannover Messe 2017

(Bild: Peter-Michael Ziegler / heise online)

Zu den Eigenschaften von Industrienationen, die sich im globalen Wettstreit um die besten Produkte und Lösungen messen, gehörten auch Presse- und Meinungsfreiheit sowie Rechtsstaatlichkeit, mahnte Kempf mit Blick auf das diesjährige Partnerland der Hannover Messe, Polen, an. Hintergrund sind Maßnahmen der seit 2015 amtierenden Regierung unter Ministerpräsidentin Beata Szydło, die laut EU-Kommission zur Untergrabung der Unabhängigkeit von Justiz und den staatlichen Medien im Land geführt haben.

Hermes-Award-Gewinner 2017: Der "Co-act Greifer JL1" von Schunk ist mit kapazitiver und taktiler Sensorik sowie einer kleinen Kamera zur Raumorientierung und Objekterkennung ausgestattet.

(Bild: Peter-Michael Ziegler / heise online)

Kempf teilte auch in Richtung USA aus. Dort gebe es Tendenzen hinsichtlich Protektionismus und Isolation. "Wir brauchen global frei zugängige Märkte", betonte der frühere DATEV-Vorstandsvorsitzende und ehemalige Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Unterstützt wurde er dabei von Kanzlerin Merkel. Die Hannover Messe, die in diesem Jahr ihr 70. Jubiläum feiert, sei auch ein "Spiegelbild der Weltoffenheit unserer Wirtschaft", sagte die Kanzlerin.

Das diesjährige Motto der Hannover Messe "Integrated Industry – Creating Value" verleitete Merkel zu der Bemerkung, dass sich jetzt wohl zeige, dass das Thema Industrie 4.0 "auch was zunutze ist". Die "apokalyptischen Ideen“, die eine Verdrängung des Menschen durch mechanische Helfer vorhergesagt hätten, würden sich "in der Praxis nicht bewahrheiten". Vielmehr entstünden neue Tätigkeiten, auf die man mit verstärkter Aus- und Weiterbildung reagieren könne.

Weitere wichtige anzugehende Themen im Umfeld von Industrie 4.0 sind laut Kanzlerin die Forcierung von Echtzeit-Datenübertragungen, die Umsetzung von Standardisierungsprozessen und die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes in der Europäischen Union. Dem Partnerland Polen attestierte Merkel, insbesondere in den Bereichen Energietechnik, IT und innovativen Industrien zu punkten. Die vielfältigen Beziehungen beider Länder zeichneten sich durch einen hohen Offenheitsgrad aus.

Das japanische Unternehmen Fanuc zeigt in Hannover einen der größten Roboterarme weltweit.

(Bild: Peter-Michael Ziegler / heise online)

Ministerpräsidentin Szydło betonte in ihrer Ansprache die Bedeutung der Wissenschaft in Polen, die über Jahrhunderte viele Erfindungen hervorgebracht habe – vom Scheibenwischer über kugelsichere Westen bis hin zum Bau von Mars-Rovern. Polen sei von Wissen, Mut, Entschlossenheit und Kreativität gekennzeichnet, sagte Szydło; die Menschen fühlten sich heute sicher und wohl in ihrem Land. Das sei nicht immer so gewesen. Das Motto des diesjährigen Partnerlandes der Hannover Messe lautet "Smart means Poland". Vertreten sind etwa 200 polnische Aussteller.

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Traditionell wird bei Eröffnungsfeier der Hannover Messe auch der Hermes-Award-Gewinner bekannt gegeben. Die Auszeichnung wird seit 2004 für innovative technische Produkte und Verfahren verliehen und gilt als einer der bedeutendsten Technikpreise weltweit.

In diesem Jahr hatten sich fünf Unternehmen für das Finale qualifiziert, darunter die AGS-Verfahrenstechnik GmbH, eine Beteiligungsgesellschaft der Stadtwerke Stade. Das Unternehmen hat mit dem sogenannten auftriebsgestützten Slipping (AGS) eine neue ressourcenschonende Technik für das Verlegen von wassergekühlten Stromkabeln in schmalen Kabeltrassen entwickelt.

Festo hat diesmal einen bionischen Greifer mitgebracht, der vom Oktopus-Tentakel abgeleitet ist.

(Bild: Peter-Michael Ziegler)

Die weiteren Nominierten waren Augumenta aus Finnland (Maschinensteuerung mittels Datenbrille und virtuellem Smart Panel), das Linz Center of Mechatronics in Österreich (vollautomatisierter Blech-Biegeautomat), Noonee aus der Schweiz (Chairless Chair – eine Art Exoskelett zum temporären Sitzen) sowie die Schunk GmbH & Co. KG (Intelligenter Greifer für die Mensch-Roboter-Kollaboration).

And the Winner is: Schunk. Der Spezialist für Greifsysteme und Spanntechnik mit Hauptsitz in Lauffen am Neckar machte das Rennen mit dem "Co-act Greifer JL1", einem Zweikomponenten-Greifer, der mit kapazitiver und taktiler Sensorik sowie einer kleinen Kamera zur Raumorientierung und Objekterkennung ausgestattet ist.

Was macht ein ehemaliger Fußball-Nationaltorhüter auf der Hannover Messe? Die Antwort gab es später bei der Verleihung des Hermes-Award.

(Bild: Peter-Michael Ziegler)

Dieser "weltweit einmalige" intelligente Greifer zeichne sich durch eine eigene "sensorische Aura" aus, erklärte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka in ihrer Laudatio. Dass mit Jens Lehmann anschließend auch noch ein charismatischer Ex-Nationaltorhüter die Bühne betrat, hatte damit zu tun, dass Lehmann seit fünf Jahren Werbepartner (Neudeutsch: Markenbotschafter) der Firma Schunk ist.

(pmz)