Im Schweinestall wird getwittert – warum Bauern bloggen

Sie twittern vom Traktor und begleiten das Holz hacken mit einer Story auf Snapchat. In der landwirtschaftlichen Blogger-Szene herrscht reger Betrieb. Marcus Holtkötter, besser bekannt als Bauer Holti, ist einer der Internet-Landwirte.

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Im Schweinestall wird getwittert – warum Bauern bloggen

Landwirte teilen bei Youtube Drohnenvideos von der Ernte, geben bei Snapchat Einblicke in die Ställe und beantworten Fragen bei Facebook und Twitter.

(Bild: agrarblogger.de)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Larissa Schwedes
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Die Ferkel knabbern an seinen Schnürsenkeln, doch Marcus Holtkötter hat nur Augen für sein Tablet. Via Twitter liefert sich der Schweinebauer aus dem Münsterland eine hitzige Diskussion über den Unkrautvernichter Glyphosat. Über 1400 Menschen verfolgen seine Aktivitäten in dem Kurznachrichtendienst, kürzlich haben sie seinen zehntausendsten Tweet zu lesen bekommen.

Landwirte aus ganz Deutschland nutzen soziale Medien und Blogs, um sich auszutauschen und Einblick in ihre Arbeit zu geben. Auch klassische Blogs sind in der Branche beliebt: Einen der beliebtesten betreibt "Bauer Willi" aus dem Rheinland, der auf seiner Webseite zu umstrittenen Themen wie der Milchkrise oder Massentierhaltung Position bezieht.

"Wir brauchen einen ehrlichen Dialog", sagt Schweinebauer Holtkötter. Der Austausch mit Verbrauchern und Politikern sei eingeschlafen, dadurch entstehe oft Unverständnis und Misstrauen. "Dass ich die Fütterung der Schweine mit dem iPhone steuere, passt für viele nicht in ihr romantisiertes Bild der Bauernhof-Idylle. Wenn ich es den Menschen allerdings einmal erkläre, verstehen sie die Vorteile."

Bauer Holti zeigt Arbeitsschritte und eingesetzte Technik. Auch dokumentiert er Reparaturmaßnahmen und wie Technik für seinen Betrieb angepasst wird.

(Bild: BauerHolti )

Nicht jeder Blogger hat ein so großes Publikum wie Bauer Holti. Doch Kirstin Karotki vom Deutschen Bauernverband ist sicher: "Die Reichweite ist deutlich größer als die Agrar-Szene selber." Viele Interessierte verfolgten auf Facebook die Neuigkeiten vom Bauern aus der Nachbarschaft. Darüber hinaus riefen die Aktivitäten Tierschützer und andere Kritiker auf den Plan, die sich ebenfalls aktiv in die Diskussion einmischten.

Während Facebook vor allem dazu genutzt werde, um der Öffentlichkeit Einblicke in die eigene Arbeit zu vermitteln, gehe es auf Twitter stärker branchenintern zur Sache, erklärt Karotki. Auch die Politik werde adressiert.

Thomas Fabry dürfte mit seinen 22 Jahren wohl einer der jüngsten digitalen Vertreter der Branche sein. "Warum gibt es eigentlich kein Parfüm, das nach frisch gemähtem Gras riecht?", heißt es auf einem Foto im Instagram-Profil des Nachwuchslandwirtes. Auf Snapchat lässt er sich von seinem Publikum beim Holz hacken oder Traktor reparieren begleiten.

Endlich mal Abwechslung bei den Hashtags auf Twitter: #plant17, #corn17

(Bild: BauerHolti)

Fabry will gegen Verallgemeinerungen und Klischees ankämpfen: "Es gibt 1000 verschiedene Arten, Landwirtschaft zu betreiben – und nicht nur den einen Landwirt." Weil Instagram und Snapchat bei seinen Altersgenossen populär seien, hofft Fabry, sie damit für Landwirtschaft begeistern zu können. "Ich bin ein Riesenfan von Snapchat. Die Community ist sehr familiär, der Dialog sehr offen und ehrlich" – anders als bei Facebook, wo Blogger oft mit Beleidigungen und Hetze zu kämpfen hätten.

Herausforderungen wie diese haben die deutschen Agrar-Blogger vor einigen Monaten erstmalig auch offline zusammengeführt: In Münster trafen sich im vergangenen Dezember rund 100 Landwirte zu ihrem ersten "Agrar-Blogger-Camp". Workshops zu digitalem Storytelling und Kommunikation in der Krise standen genauso auf dem Programm wie der Wunsch, sich auch im echten Leben kennenzulernen und auszutauschen.

Erfolgreiche Blogger in der Mode- oder Reisebranche können von ihrem Blogger-Dasein leben, weil Unternehmen sie als Werbeträger nutzen und bezahlen. Daran ist in der Landwirtschaft nicht zu denken. Auch der Zeitaufwand sei groß. "Phasenweise ist das ein Vollzeit-Job", sagt Holtkötter – der neben der Bloggerei auch das Tagesgeschäft auf seinem Hof verrichten muss.

Trotzdem will Bauer Holti weitermachen und seine Arbeit erklären. "Warum sind die Kälber ganz allein im Stall? Wie kommen die Rillen in den Ackerboden? Es kommen Fragen auf, die für mich ganz selbstverständlich erscheinen", sagt er über den Dialog. Und hält fest: "Das macht mir ganz einfach Spaß." (kbe)