RIE2017: Roboter unterrichten im Klassenzimmer – und im Swimming Pool

Die Konferenz "Robotics in Education" beschäftigt sich zum einen mit den Anforderungen, welche die Roboterentwicklung mit sich bringt, zum anderen aber auch mit den Lehrinhalten, die mit Robotern gestaltet oder auch von Robotern vermittelt werden können.

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Roboter unterrichten im Klassenzimmer – und im Swimming Pool

(Bild: Technion)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Die Bedeutung von Robotern für Ausbildung und Erziehung ist das Thema der Konferenz Robotics in Education, die sich in dieser Woche in Sofia im dortigen Sofia Tech Park trifft. Die einstige Militärbasis wurde vor fünf Jahren umgewidmet und beherbergt jetzt verschiedene Laboratorien zu Cyber Security, künstlicher Intelligenz und bietet jetzt parallel zur wissenschaftlichen Konferenz auch Raum für einen Roboterwettbewerb.

Das Thema wurde gleich am ersten Tag aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Da ging es zum einen um die Ausbildung zukünftiger Ingenieure, die sich zunehmend mit eingebetteten Systemen beschäftigen müssten – und bislang schlecht darauf vorbereitet seien, wie Anthony J. Lattanze von der Carnegie Mellon University betonte. Es ginge darum, eine Brücke zu schlagen zwischen Elektroingenieuren und Informatikern, eine neue Geisteshaltung zu entwickeln, die Software nicht mehr als etwas von der physischen Welt Getrenntes betrachtet. Dafür seien Roboter hervorragend geeignet, schließlich handle es sich dabei selbst um komplexe, eingebettete Systeme.

Während über 32- und 64-Bit-Prozessoren viel berichtet werde, hätten sie nur einen Marktanteil von etwa fünf Prozent. Dagegen würden jeden Monat 250 Millionen 8-Bit-Prozessoren verkauft. Schon heute kämen in entwickelten Ländern auf jeden Bürger etwa 30 eingebettete Mikroprozessoren. Die Nachfrage nach Software für eingebettete Systeme steige jährlich um 10 bis 20 Prozent. Im Jahr 2009 habe die Software bei der Entwicklung von Autos der gehobenen Preisklasse 13 bis 15 Prozent der Kosten ausgemacht.

Kinder mit einem Arduino Board während des Jugendprogramms der Michigan Tech

(Bild: NASLabMichiganTech)

Die Programmierung solcher Prozessoren unterscheide sich aber in vielfacher Hinsicht vom klassischen Ansatz, der in der Ausbildung immer noch dominiere. Die Anwendungen seien häufig deterministisch und müssten physische Beschränkungen berücksichtigen. Software, Prozessoren, Sensoren und andere Kompenenten seien eng gekoppelt, unterlägen unterschiedlichen Lebenszyklen und müssten vielfältige Tests auf verschiedenen Ebenen durchlaufen.

Um Ingenieure auf diese Herausforderungen besser vorzubereiten, so Lattanze, sei an der Carnegie Mellon University ein spezielles, über 16 Monate laufendes Curriculum entwickelt worden, in dem die nötigen Kenntnisse in allgemeiner Informatik, technischer Informatik, Elektrotechnik und Systemtechnik vermittelt werden. Inwieweit dabei mit Robotern gearbeitet wird, erläuterte Lattanze nicht im Detail, doch dazu gab es in anderen Vorträgen viele Beispiele.

Schüler entwickeln im Sommerprogramm der Michigan Tech den Unterwasserroboter "Guppie"

(Bild: NASLabMichiganTech)

Daniele De Martini (Universitá di Pavia) etwa berichtete von seinen Erfahrungen mit der Simulationssoftware eduMorse, mit der Roboterexperimente in virtueller Realität durchgeführt werden können. Bisher habe er das Verfahren mit mehr als 30 Studenten getestet. Dabei habe es sich als Vorteil erwiesen, dass die vergleichsweise einfache Programmiersprache Python genutzt werden konnte.

Mit noch weniger Teilnehmern wurde an der University of Eastern Finland eine Pilotstudie durchgeführt: Vier Studenten brachten in zwei Stunden einem Roboter bei, Hindernissen auszuweichen und erwarben dabei ein vertieftes Verständnis von künstlichen neuronalen Netzen und Verstärkungslernen, erläuterte Tapani Toivonen. Allgemeinere Schlussfolgerungen könnten daraus aber natürlich noch nicht abgeleitet werden, räumte er ein. Dazu seien noch mehr Experimente nötig.

Nina Mahmoudian hat an der Michigan Technical University ein einwöchiges Programm entwickelt, bei dem die Teilnehmer einen Unterwasserroboter bauen – inspiriert von dem Unterwassergleiter Scarlet Knight, der 2009 in 221 Tagen den Atlantik durchquerte. Das Programm, von dem es ein schönes Video gibt, richtet sich an Schüler der Mittelstufe ebenso wie an Studenten.

Roboter können im Unterricht aber nicht nur gebaut werden, sie können auch selbst als Lehrer auftreten. Von einem solchen Experiment berichtete Igor Verner vom Technion (Israel Institute of Technology). Hervorgegangen sei es aus einer Kooperation mit der University of Tokyo, die zunächst den Androiden Zaya verwendet hätte, der aber nur eingeschränkt beweglich gewesen sei.

RoboThespian im israelischen Nationalmuseum für Wissenschaft, Technik und Raumfahrt (MadaTech)

(Bild: Technion)

Bei ihrem Experiment, so Verner, sei der vielseitigere humanoide Roboter RoboThespian in zwei verschiedenen Umgebungen zum Einsatz gekommen: einmal mit maximal 12 Schülern in einem kleinen Raum, ein anderes Mal mit bis zu 24 Schülern in einem größeren Raum. Im Unterricht ging es um das Verständnis der Hebelgesetze. Der Lernerfolg war bei der größeren Klasse messbar höher, zugleich nahmen die Schüler den Roboter weniger als menschlich und freundlich wahr. Verner führt dies auf die größere räumliche Distanz zurück, die für weniger Irritationen gesorgt habe.

Auch dieses Experiment ist in einem Video dokumentiert. Es zeige, so Verner, dass Roboter als Vermittler zu einem öffentlichen Verständnis der Robotik und der Kultur einer Mensch-Roboter-Kommunikation beitragen könnten. Die Schüler seien überrascht gewesen, als der Roboter sie mit Namen ansprach. Ein Schüler hätte ihm begeistert zugerufen: „RoboThespian, du bist so cool! Ich liebe dich!“ Das, kommentierte Verner, sei etwas, was die meisten menschlichen Lehrer während ihres gesamten Berufslebens nicht erlebten.

(kbe)