Spiele-Entwicklerkonferenz Quo Vadis 2017: Für mehr Vielfalt und weniger Crunchtime

Auf der Quo Vadis in Berlin standen in diesem Jahr Augmented und Virtual Reality im Vordergrund. Auch ein Thema: Die heiklen Arbeitsbedingungen in Entwicklerstudios.

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Spiele-Entwicklerkonferenz Quo Vadis 2017: Für mehr Vielfalt und weniger Crunchtime
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Von
  • Stephan Greitemeier
Inhaltsverzeichnis

Vom 24. bis zum 26. Mai öffneten sich im Rahmen der Gamesweek Berlin wieder die Tore des ehemaligen Lokschuppens der „Station Berlin“ für die Entwicklerkonferenz Quo Vadis. Einige Schwerpunkte kannte man noch aus dem letzten Jahr. Virtual und Augmented Reality, technologische Fallstudien und das Zauberwort „Diversity“ beherrschten die rund 150 Vorträge und Debatten, die parallel auf sechs Bühnen gehalten wurden.

Mobile Games fanden sich dieses Jahr bedeutend weniger als 2016, obwohl Branchengigant Wooga auf mehreren Panels die Fahne hoch hielt. Die Goldrauschstimmung der letzten Jahre scheint für die Branche der App-Entwickler erst einmal vorbei zu sein.

Der Trend zur Virtuellen Realität ist dagegen ungebrochen. Über ein Dutzend kleine und große VR-Entwickler präsentierten ihre Spiele in den heiligen Hallen am Gleisdreieck. Das deutsche Westernspiel „Duel“ etwa bot Pistolero-Action mit Tomahawk, Flinte und Sechsschüssern. Das Sci-Fi Adventure „Huxley“ dagegen soll die beliebten „Escape“-Spiele um die virtuelle Dimension erweitern - eine spannende Verbindung von Alternate Reality und Virtual Reality, die im Test aber noch an technischen Mängeln krankte.

Fein poliert dagegen war der größte aktuelle VR-Titel: Ubisofts „Star Trek: Bridge Crew“, das eine vierköpfige Mannschaft am Eingang spielen konnte. Direkt gegenüber fand sich die Retro Games Zone: Vergangenheit und (mögliche) Zukunft der Videospiele, direkt nebeneinander.

Eindrücke von der Quo Vadis 2017 (9 Bilder)

Neben den Unterhaltungsaspekten der Technologie präsentierten einige Entwickler auch die industriellen Anwendungen von VR und AR. So So nutzt etwa VW Microsofts Hololens für den Test von Prototypen. Gäste konnten sich um einen virtuellen Polo herumbewegen, dessen Aerodynamik prüfen und den Innenraum auf Funktionalität checken. „Virtual Engineering“ ist mittlerweile fester Bestandteil der Autoindustrie, und die Konzerne investieren viel in die Entwicklung der VR für ihre Zwecke.

Neben Design und Entwicklung hilft VR auch am anderen Ende des Produktionsprozesses: am Förderband. Das dänische Studio „Serious Games Interactive“ brachte eine spannende Fallstudie mit. Es hatte ein VR-Spiel zur Ausbildung von Monteuren am Fließband entwickelt, das die teils komplexen Arbeitsschritte mit bis zu 2000 Teilen simuliert. Das Programm wird laufend aktualisiert und an veränderte Prozesse angepasst. Und es ist erfolgreich: Das Tool sorgt laut Hersteller für 40% weniger Fehlern bei der Montage.

Neben Fallstudien zur technischen Umsetzung von VR gab es wie immer spannende Einblicke in die nüchterne Realität deutscher Spielemacher. Jan Klose von Deck 13 Interactive berichtete von den Herausforderungen, aufwändige Spiele wie „Lords of the Fallen“ und das kommende „The Surge“ in Deutschland herzustellen. Dies gelinge nur mit Hilfe ausländischer Publisher, da von den alten einheimischen Verlegern keiner mehr übrig sei. Klose sprach sich für stärkere staatliche Förderungen aus.

Kate Edwards von der „International Game Developers Association“ war vor Ort, um die soziale Seite der Spieleindustrie zu beleuchten. Mit 72 % Männeranteil ist diese eine der letzten Männerbastionen, was in vielen Debatten bemängelt wurde. Ein Blick auf die Besucher der Quo Vadis bestätigte diese Zahlen – auch wenn der Frauenanteil unter den anwesenden Studenten etwas höher zu sein schien. Neben der Geschlechterdominanz wurde auch die ethnische Homogenität der Branche hinterfragt, eine sehr amerikanischen Perspektive. Neben Edwards teilten sich drei weitere Spielemacher mit sehr unterschiedlichen Biographien die Bühne. Den spannendsten Hintergrund hatte Moderator Kish Hirani, der in Kenia als Sohn indischer Eltern geboren wurde und mittlerweile in London arbeitet.

Und obwohl fast alle Teilnehmer die natürliche Offenheit der Branche lobten, sprachen sich alle gleichzeitig dafür aus, dass die „Diversity“ in Technologieunternehmen hinsichtlich Geschlecht, Ethnie und Hautfarbe erhöht werden müsse. Edwards erklärte, der durchschnittliche Spielemacher sei männlich, 34 Jahre alt, verheiratet ohne Kinder – und gewöhnt an 16 Stunden-Arbeitstage. Die erstaunlichen Anforderungen an Mitarbeiter waren auf vielen Panels Thema.

Auch wenn die Kultur des „Crunch“, des pausenlosen Arbeitssprints, um ein Spiel fertig zu stellen, nicht mehr ganz so allgegenwärtig ist, stellt sie eine der dunkleren Seiten der Spieleindustrie dar. Zwei Wochen Crunch seien körperlich ertragbar, sagte Edward, danach gehe es an die Gesundheit. Dass viele Firmen ihren Mitarbeitern das monatelang zumuten, sei eine Gefahr. (dahe)