Zellen fernsteuern per Smartphone

Bei der so genannten Optogenetik werden Zellen so umprogrammiert, dass sie Medikamente produzieren, und dann über Lichtimpulse reguliert. Diabetes-Mäusen konnte auf diese Weise jetzt geholfen werden.

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Von
  • Emily Mullin
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Chinesischen Wissenschaftlern ist es gelungen, Zellen über ein Smartphone präzise so zu kontrollieren, dass sie Diabetes-Mäusen Insulin liefern. Der Ansatz aus dem Bereich der Optogenetik könnte genutzt werden, um das Glukose-Niveau im Blut von menschlichen Diabetikern kontinuierlich zu erfassen und bei Bedarf automatisch das benötigte Insulin zu produzieren.

Die Forscher schufen menschliche Zellen mit einem lichtempfindlichen Pflanzen-Gen, die bei Bedarf Insulin produzieren, wenn sie durch drahtlos mit Strom versorgte rote LED-Lichter aktiviert werden. Diese Lichter und die Designer-Zellen wurden auf kleinen, flexiblen Scheiben befestigt und dann in den Rücken der Mäuse implantiert.

Eine eigens entwickelte App für Android-Telefone schaltet das LED-Licht ein und regelt dessen Intensität. Bei den Diabetes-Mäusen konnten die Forscher mit 4 Stunden Licht pro Tag 15 Tage lang die Insulin-Produktion im Blutkreislauf stabilisieren.

Optogenik ist ein neues Forschungsgebiet, bei dem lichtempfindliche Proteine genutzt werden, um biologische Aktivitäten im Körper zu regulieren. Von der Technik erhofft sich die Forschung Therapiemöglichkeiten für eine große Bandbreite an Krankheiten einschließlich Parkinson und Schizophrenie. Die erste Optogenetik-Studie an Menschen läuft bereits. Bei ihr wird versucht, bei Patienten mit Retinopathie pigmentosa die Sehfähigkeit wiederherzustellen; im Normalfall führt diese degenerative Augenerkrankung zu Blindheit.

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Die chinesischen Forscher beschreiben ihr Insulin-Experiment in einem Beitrag in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine. Nach ihrer Beschreibung wurde es inspiriert vom "smart home"-Konzept, bei dem Licht, Heizung und elektronische Geräte miteinander kommunizieren und sämtlich per Telefon oder Computer ferngesteuert werden können. Ferngesteuerte Zellen könnten "den Weg für ein neues Zeitalter der personalisierten, digitalisierten und globalisierten Präzisionsmedizin bereiten", schreiben sie.

Laut Haifeng Ye, einem der Hauptautoren des Beitrags und Professor an der East China Normal University in Shanghai, ist das Ziel "ein vollkommen automatisches System für Blutglukose-Messung und Diabetes-Therapie". Es solle Diabetiker 24 Stunden am Tag überwachen und die Daten über Smartphones weitergeben.

Bei Typ-1-Diabetes produziert die Bauchspeicheldrüse nicht genügend Insulin, ein Hormon, das erforderlich ist, um Zucker oder Glukose in Energie umzuwandeln. Derzeit müssen sich Betroffene mehrmals am Tag Insulin-Spritzen setzen oder eine Insulin-Pumpe tragen, die das Hormon über einen Plastikschlauch unter die Haut befördert. Nach Angaben der American Diabetes Association leiden 1,25 Millionen Kinder und Erwachsene in den USA unter Typ-1-Diabetes.

Optogenetik steckt noch in den Kinderschuhen. Zwei der wichtigsten offenen Fragen dabei sind, welche Lichtfrequenz die richtige ist und wie das Licht mit der richtigen Intensität zur Stimulierung der Zellen eingesetzt wird.

Bei Menschen ließen sich ähnliche Ergebnisse wie jetzt bei den Mäusen möglicherweise mit einem LED-Armband erzielen, sagt Mark Gomelsky, ein Molekularbiologe an der University of Wyoming, der Yes Aufsatz überprüft und einen Artikel darüber geschrieben hat. Die manipulierten Zellen müssten aber immer noch getrennt injiziert werden, und es sei nicht klar, wie oft das bei Menschen erforderlich wäre.

Laut Gomelsky ist die Technik des chinesischen Teams möglicherweise nicht die beste für die Behandlung von Typ-1-Diabetes. Zumal die US-Gesundheitsbehörde FDA im vergangenen Jahr die erste vollautomatische Insulinpumpe zugelassen hat, während andere Projekte selbstprogrammierte Insulinpumpen auf den Weg bringen. Jedoch könnten ferngesteuerte Zellen, die dazu gebracht wurden, genetisch codierte Medikamente zu produzieren, für die Behandlung anderer Krankheiten genutzt werden.

Ein Problem bei Therapien mit Telefon-Fernsteuerung ist natürlich Sicherheit. Ye räumt ein, dass seine App anfällig für Hacking-Versuche sein könnte. Dieses Problem sei allerdings leicht zu lösen, indem man eine Verschlüsselung einbaut.

(sma)