Ultraleichte Betondecken

Ein Bauverfahren aus alter Zeit soll dabei helfen, Gebäude nachhaltiger und trotzdem stabil zu gestalten.

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Alte Gewölbe sind oft filigran und tragen dennoch viel Gewicht, was auch für aktuelle nachhaltige Gebäude keine schlechte Idee ist. Die gemauerten Varianten des spanischen Architekten Rafael Guastavino vom Ende des 19. Jahrhunderts, katalanische Gewölbe genannt, hat sich der Architekturprofessor Philippe Block mit seinem Team angesehen und dabei einige Prinzipien auf die moderne Betonbautechnik übertragen.

Das Ergebnis, das die Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich vorstellten, sind viel dünnere und bis zu 70 Prozent leichtere Betondecken. Das spart nicht nur Kosten: Da weniger Beton notwendig ist, fällt bei dessen Produktion auch weniger klimaschädliches CO2 an. Die Betonherstellung gehört zu den größten Klimagaserzeugern – auf Einzelindustrien gerechnet – auf dem Planeten.

Belastungstests mit dem Boden der ETH-Forscher.

(Bild: Block Research Group)

Muss eine Betondecke eine ganze Etage tragen, ist sie bisher etwa 25 Zentimeter dick und benötigt Bewehrungen aus Stahl. Mit der neuen Technik ist im tragenden Bereich nur noch eine Stärke von zwei Zentimetern erforderlich. Sie verzichtet zudem auf Stahlbewehrungen und orientiert sich stattdessen an den katalanischen Gewölben, die einst mit flachen Ziegeln gebaut wurden: Senkrechte Verstärkungsrippen auf der Oberseite erhöhen die Stabilität.

Ihre Platten spannen die ETH-Forscher in einen Stahlrahmen, der die Funktion von Strebepfeilern zur Druckableitung übernimmt. In Tests sollen die Platten asymmetrische Belastungen von 4,2 Tonnen ausgehalten haben.

Bauten wie die King's College Chapel in Cambrige sind das Vorbild.

(Bild: Lofty / Wikipedia / cc-by-sa-3.0)

"Wir haben uns beim Design an historischen Bauprinzipien und -techniken orientiert, die in Vergessenheit geraten sind", sagt Block. Die Konstruktion sei "extrem stabil". Zur Herstellung der ersten Prototypelemente haben die Schweizer Forscher Verfahren aus dem 3D-Druck verwendet, um die Kosten zu senken. Block ist selbst als stellvertretender Direktor des nationalen Forschungsschwerpunktes Digitale Fabrikation tätig, kennt sich mit der Produktion von Einzelstücken mit Vorlagen aus dem Rechner also aus.

Denkbar sei auch, mit dem Verfahren künftig Materialien zu verwenden, die bislang eigentlich nicht zum Bauen geeignet sind. "Man muss sie nur in die richtige Form bringen, damit daraus eine sehr stabile Struktur entsteht", so Block. Der Prototyp besteht so schlicht aus Sand und einem Bindestoff – nicht aus Beton. Dennoch entspreche die Konstruktion, die 1,4 Tonnen tragen kann, den Schweizer Normen fürs Bauen.

Der Boden – hier im rohen Prototypzustand – ist nicht ohne Schönheit.

(Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)

Praktisch ausprobieren wollen die ETH-Wissenschaftler ihre Decken demnächst in einem Forschungsgebäude im schweizerischen Dübendorf. Dort soll auf dem Dach ein "Penthouse" für Besucher und Gäste entstehen, das aus fünf mal fünf Meter großen Bodenelementen aufgebaut sein wird. Sie werden vorproduziert und dann montiert.

Die Gewölbeform hat dabei den Vorteil, dass sie Zwischenräume in den Böden lässt, in die dann Haustechnik, Kabel und Leitungen eingezogen werden können. Das spart wiederum Platz in den Wänden und macht abgehängte Decken oder erhöhte Böden gegebenenfalls nicht mehr notwendig. Geht alles so, wie die Forscher es sich erhoffen, spart auch das Geld und Aufwand. (bsc)