Digitaler Staat: "Alexa, beantrage mir Kindergeld"

Auf der Konferenz "Digitaler Staat" – ehemals "Effizienter Staat" – zeigte sich, dass der Umbau Deutschlands in vollem Gange und was noch alles möglich ist: Beschaffung, Rechnung, Akten – alles wird "e".

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Digitaler Staat: "Alexa, beantrage mir Kindergeld"

(Bild: digitaler-staat.org)

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Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Bis zum Jahre 2020 soll die eAkte und das mit ihr einhergehende Vorgangsverwaltungssystem in der gesamten Bundesverwaltung als "führendes Element" der staatlichen Digitalisierung zum Behördenalltag gehören. Momentan läuft die Ausschreibung für das zentrale Projekt. Etwas früher, bis November 2018 sollen sämtliche Behörden nur noch eRechnungen annehmen und verarbeiten. Danach soll das Beschaffungsportal des Bundes so umgebaut werden, dass nur noch eBeschaffungen samt elektronischem Lizenz- und Vertragsmanagement möglich sind. Den krönenden Abschluss bildet die eGesetzgebung, bei der alle Gesetzesvorhaben medienbruchfrei zwischen Ministerien und Behörden zirkulieren. Sie soll 2021 realisiert sein, erklärte Bundes-CIO Klaus Vitt am Dienstag in Berlin auf der Konferenz Digitaler Staat. Die Veranstaltung des Behördenspiegels hieß 19 Jahre lang Effizienter Staat und nannte sich zum Jubiläum um.

Klaus Vitt

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Vitt betonte mehrfach, dass in den vier Leitprojekten nicht das Rad neu erfunden, sondern auf bestehende Technik aufgesetzt werden soll, die dann ausgebaut wird. Neben den Leitprojekten werde ein neues Online-Zugangsgesetz (OZG) die Digitalisierung vorantreiben, das derzeit noch in den Ressorts abgestimmt werde. Damit habe auch der Bürger etwas von der Digitalisierung, denn er könne – auf freiwilliger Basis – ein "Bürgerkonto" mit seinen Stammdaten einrichten, wie es Bayern mit der BayernID vorgemacht hat. Die einmal gespeicherten Daten sollen dann auf Bundes-, Landes- und auf kommunaler Ebene genutzt werden.

Zur Digitalisierung Deutschlands gehört Vitt zufolge neben dem föderalen Informationsmanagement die Cybersicherheit zu stärken. "Ein digitaler Staat ist digital verwundbar, deswegen müssen wir Freiheit und Sicherheit im Cyberraum gewährleisten." Es gelte, Risiken beherrschbar zu machen und die Handlungsfähigkeit des Staates sicherzustellen. Das nationale Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ) gehöre ebenso dazu wie mobile Incident Response Teams, die anlässlich der Vorstellung der neuen Cyber-Abwehrstrategie als Erfordernis genannt wurden. Auch die in Gang gesetzte Konsolidierung der Rechenzentren des Bundes sei wichtig, um das Sicherheitsniveau in Deutschland zu steigern, erklärte Vitt.

Jürgen Fritsche

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Eine etwas andere Zukunft skizzierte Jürgen Fritsche von msg systems. "Alexa, beantrage mir Kindergeld", so könnte sich ein moderner Bürgerservice bald anhören, meinte er. Vorbei und längst vergessen seien ohnehin die Zeiten, in denen sich Bürger einen Tag frei nahmen, um einen Behördengang zu erledigen. Wie heute Probleme ohne fummeligen Personalausweis gelöst werden können, zeige die Video-Indentifizierung, die von der Bankenaufsicht Bafin akzeptiert werde.

Wie weit die Digitalisierung gehen kann, zeigte Lars Frelle-Petersen, Leiter der dänischen Digitalisierungsbehörde Digitaliseringstyrelsen. Mit 200 Angestellten arbeitet er daran, die Digitalisierung des 5-Millionen-Volkes (davon 100.000 als Angestellte der öffentlichen Verwaltung) voranzutreiben. Nach relativ bescheidenen Erfolgen mit der Einführung einer digitalen Signatur kam 2011 der Durchbruch, an dem sich Behörden und Banken zusammenschlossen und die in beiden Sektoren gültige EasyID (NemID) und die zugehörige obligatorische ePost schufen. Seit der Einführung von EasyID konnten dänische Behörden und Kommunen bis 2015 umgerechnet über 296 Millionen Euro sparen.

Lars Frelle-Petersen

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Derzeit seien so 4,8 Millionen dänische Bürger erreichbar und haben allein 2016 etwa 112,6 Millionen Behördenmitteilungen erhalten und geschickt. Ein harter Kern von 4,2 Prozent Verweigerern sei die Alterskohorte der 15- bis 17-Jährigen, die sich über sechs Monate und länger nicht einloggen. "Wir erreichen sie einfach nicht. Wir haben über Facebook geworben, Videos gemacht, es klappt nichts." Erst mit der Volljährigkeit ändere sich das Verhalten, obwohl viele schulische Angebote über ePost liefen.

Gegenüber den desinteressierten Youngstern sei die Erreichbarkeit älterer Bürger sehr gut und nehme erst bei den 85-jährigen etwas ab. Mit einer neuen Digitalisierungsstrategie sollen im Leben der Bürger weitere Verbesserungen kommen, die auf der weitreichenden Einführung einer obligatorischen Selbstbedienung beruhen. Dänemark werde daran arbeiten, Platz 1 im eRanking der Europäischen Union zu behalten, gab sich Frelle-Petersen zuversichtlich. (anw)