re:publica: Social-Media-Kanäle der Öffentlich-Rechtlichen heftig umstritten

Die Privaten werfen ARD und ZDF vor, mit ihrer Content-Strategie für die großen sozialen Netzwerke die US-Plattformen ungebührlich zu stärken: "Facebook wird mit Ihren Inhalten einfach besser."

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re:publica: Social-Media-Kanäle der Öffentlich-Rechtlichen heftig umstritten

ARD-Chefin Karola Wille auf der Media Convention Berlin.

(Bild: heise online/Krempl)

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Eigentlich haben die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender YouTube, Facebook und Co. längst als gemeinsamen Gegner ausgemacht und fordern seit Jahren einheitliche Regeln für alle Medienanbieter online wie offline. Hans Demmel, Vorstand des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), warf ARD und ZDF auf der Media Convention im Rahmen der re:publica in Berlin am Dienstag vor, aus der Linie ausgestiegen zu sein und "mit der Platzierung von Inhalten auf werbefinanzierten Social-Media-Angeboten" die großen ausländischen Plattformbetreiber massiv zu stärken.

"Facebook wird mit Ihren Inhalten einfach besser", hielt Demmel auf der Internetkonferenz der ARD-Vorsitzenden Karola Wille vor. Die Nutzerzahlen der US-Konzerne kletterten damit genauso in die Höhe wie deren Werbeerlöse. Facebook etwa habe bei diesen Einnahmen jüngst ein Plus von 77 Prozent melden können. Mittelfristig könnten so "private meinungsbildende Inhalte" massiv gefährdet werden.

Nicht ganz so konsequent geht Demmel bislang mit Aktivitäten der eigenen Klientel auf den großen US-Plattformen um. Er stelle sich aber auch hier die Frage, inwieweit auch die Privaten mit ihren Inhalten dort das kostenfreie Modell Facebook und zugleich die Öffentlich-Rechtlichen ertüchtigten. Der n-tv-Chef wollte wissen: "Wieso machen wir Social Media stark, wenn wir dort auch noch in direkter Nachbarschaft mit Fake News stehen?"

ARD und ZDF spielen seit Herbst vor allem über ihre neue Marke "Funk" zahlreiche Formate über Facebook, Youtube und Co. aus und wollen damit mehr junge Leute erreichen. Auch Snapchat, WhatsApp und Instagram bedienen die Öffentlich-Rechtlichen. Allein 22 Prozent aller Deutschen kommunizierten bereits auf Facebook, verteidigte Wille diesen Ansatz. Zugleich pflichtete die Chefin des Ersten Demmel aber ein Stück weit bei: Besser wären "eigene, publizistisch starke Plattformen".

Generell sehen sich die Öffentlich-Rechtlichen angesichts einer gerade eingeläuteten Debatte über einen Anstieg des Rundfunkbeitrags in einer "ungewohnten Größenordnung" wieder einmal unter Legitimitätsdruck. Telemedien von ARD und ZDF müssten werbe- und sponsoringfrei sein, unterstrich Demmel. Hier habe man "die ein oder andere Sünde" schon entdeckt, so sei etwa ein Gewinnspiele-Anbieter eingeblendet worden. Die laufende Neudefinition des Auftrags der Öffentlich-Rechtlichen dürfe nicht zwingend auf Erweiterung zulaufen. Die umkämpfte 7-Tage-Regel für die Mediatheken etwa sei eher zu reduzieren, da bei einer längeren Verweildauer mehr Kosten für Urheber oder Schauspieler dazukämen.

Die Medienexpertin der Grünen im Bundestag, Tabea Rößner, hielt dem entgegen, dass die "Depublikationsfrist" eigentlich weg müsse. Sie bezeichnete die Diskussion über die Beitragshöhe als "schräg". Erst gelte es, den Verfassungsauftrag ins Netz zu transformieren, dann gelte es zu schauen, wie dieser finanziell zu unterfüttern sei. Die Politikerin riet den Sendern allgemein, sich "nicht zu sehr auf anderen Plattformen zu tummeln", sondern die User besser direkt zu ihren eigenen Angeboten zu führen.

Wille plädierte dafür, die Mediatheken zu stärken und die App-Welt für die Nutzer attraktiv machen. Die ARD und das ZDF bezeichnete sie als Anker für verlässliche Informationen, auf deren Webseiten auch "der Datenschutz noch etwas gilt". Letztlich gehe es um die freie individuelle, fundierte Meinungsbildung, eine gut informierte Gesellschaft und "ein Stück weit um Stabilität in unserem Land". Tolle Angebote gebe es sicher auch bei den Privaten und "in dieser Bloggerszene". Der Unterschied sei aber: "Andere können und wollen, wir müssen." (vbr)