Post aus Japan: Frische Brise für Japans Windkraft

Windmühlen gibt es in Nippon vor allen Dingen im Freizeitpark Huis Ten Bosch, der die Niederlande nachmacht. Zur Stromerzeugung tragen sie nur einen minimalen Anteil bei. Doch das ändert sich.

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Von
  • Martin Kölling
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Akita ist eine der entlegensten Regionen Japans. Durch Bergmassive von der wirtschaftlich aktiveren Ostküste abgetrennt liegt sie im Nordwesten der Hauptinsel Honshu und leidet dementsprechend unter Landflucht. Schon seit 1955 schrumpft die Bevölkerung – und dies immer schneller. Von 2010 bis 2040 wird sie noch um ein weiteres Drittel sinken, sagt die Regierung voraus. Nirgendwo sterben die Japaner schneller aus als in Akita. Doch den verbleibenden Einwohnern wird sich nach 2020 ein gewaltiges Schauspiel bieten: Vor der Küste der Ortschaft Yuri-Honjo soll auf 30 Kilometer Länge eine der größten Windkraftanlagen der Welt entstehen.

560 Megawatt haben die Projektpartner Renova, Eco-Power und eine Tochtergesellschaft der ehemals staatlichen Bahngesellschaft JR East angedacht. Nun wird das Konsortium Gespräche mit den Gemeinden und Bewohnern beginnen, um sie von dem Megaprojekt zu überzeugen. Ab 2026 soll dann Windkraft die örtliche Wirtschaft antreiben und mit Stromexporten Geld einbringen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Auf globaler Ebene wird das Projekt zwar bereits jetzt in den Windschatten gestellt. Chinas Stromriese State Power Investment Corp. baut in der Nähe Shanghais einen Windpark mit 800 Megawatt auf. Bereits 2018 soll er Strom herstellen. Aber immerhin ist Japans Plan inzwischen kein Einzelfall mehr. Nach jahrzehntelanger Flaute scheint das Windkraftzeitalter nun auch in Japan zu beginnen.

Das im März abgelaufenen Haushaltsjahr hat der Inselnation laut der Windkraftvereinigung rund 300 Megawatt hinzugefügt, ungefähr doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Bis 2020 soll sich dann die installierte Kapazität auf zehn Gigawatt verdreifachen, um dann bis 2046 auf rund 75 Gigawatt weiterzuwachsen. Sagt wenigstens der Verband voraus.

Die meisten Anlagen werden zwar nach wie vor auf dem Land gebaut. Aber nachdem die Regierung voriges Jahr die Regeln für diese Kraftwerksform in der Nähe von Häfen gelockert hat, befinden sich auch Offshore-Anlagen im Aufwind, die am Ende rund die Hälfte von Japans Windstrom liefern sollen.

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Das Problem: Noch sind dies nur schöne Pläne, vor allem im Meer. Während an Europas Küsten bereits hunderte von Rotoren Wind in Elektrizität verwandeln, gibt es in Japan fast nur Pilotprojekte mit einer installierten Kapazität von gerade 60 Megawatt. Das bekannteste Vorhaben liegt mit ein paar riesigen schwimmenden Turbinen vor der Küste der Präfektur Fukushima. Dort sollen die Anlagen – als eine Art Entschädigung für die Atomkatastrophe von 2011 – den größten schwimmenden Windpark der Welt bilden. Irgendwann einmal.

Einige Gründe für Japans Rückstand liefert die Geographie. Als Inselnation verfügt das Land über viele Küsten. Doch erstens sinkt der Meeresboden schnell ab, was rasch teurere schwimmende Anlagen erfordert. Zweitens bläst der Wind vor allem in Japans strukturschwachem Nordosten rentabilitätsfördernd stark. Nur ist der weit von den Industrieregionen Tokios und noch weiter von denen um Nagoya und Osaka entfernt.

Dazu gesellt sich das schwach ausgebaute Stromnetz in den Starkwindregionen. Zudem gibt es wenige große Überlandleitungen für regionalen Stromaustausch, da das Land lange in zehn regionale Strommonopole aufgeteilt war. Und der Bau neuer Leitungen braucht lange Planung und viel Geld. Zudem weiß noch niemand, wie es rechtlich mit Anlagen auf hoher See aussieht.

Und so leiden bereits einige Großvorhaben wegen der unsicheren Planungsgrundlage und geringen Gewinnaussichten unter Teilnehmerschwund. Die Liste der Offshore-Projekte füllt sich daher nur langsam. Derzeit befinden sich laut der Windkraftvereinigung nur Parks mit insgesamt 2,5 Gigawatt Kapazität in Planung.

Der Hotspot der Entwicklung ist Akita. Neben Yuri-Honjo sollen drei weitere Windparks entstehen, von denen der größte mit 120 Turbinen immerhin 455 Megawatt verspricht. Der zweitbeliebteste Ort ist offenbar die Millionenmetropole Fukuoka auf der südjapanischen Insel Kyushu. Dort gibt es zwar nicht ganz so viel Wind wie in Japans Norden, aber dafür recht viel Industrie. Aber auch die dortigen Anlagen sind noch Zukunftsmusik. Nur eines ist klar: Es wird noch viel Zeit vergehen, bis die Inselnation zu einer Großmacht in Sachen Windstrom werden wird.

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