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Was war. Was wird. Von alten Seilschaften und neuen Freiheiten.

Chelsea Manning ist frei. Das ist das Positive der Woche. Auf der anderen Seite der Skala haben sich die Sozialdemokraten mit Heiko Maas positioniert, findet Hal Faber.

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Was war. Was wird. Zwischen Pest und Cholera kann man nicht wählen, die bekommt man.
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Von wegen Schulz-Effekt. Ordentlich gewirkt hat in Nordrhein-Westfalen der Jäger-90-Effekt mit einem Innenminister, der nie niemals so etwas wie Verantwortung zeigen wollte oder konnte und einer schwachen Ministerpräsidentin, die es nicht schaffte, sich von solch einem unfähigen Innenminister zu trennen. Das wird auch zur anstehenden Bundestagswahl so kommen. Martin Schulz mag noch so viel von sozialer Gerechtigkeit reden, mit Heiko Maas hat die SPD einen Justizminister, der atemberaubende, freiheitsberaubende Gesetze in Serie erarbeiten lässt. Sie lassen die SPD alt aussehen, sollen aber "Sicherheit" vermitteln. Der Spitznamen Heiko "Schily" Maas will verdient sein, Tag für Tag mit einer SPD im Kontrollwahn.

*** Neben dem verfickten Hate-Speech-Gesetz ist in dieser Woche eine Formulierungshilfe bekannt geworden, die dem Staatstrojaner mächtig Auftrieb verschafft. Das Geschraube an der Eingriffstiefe des Staatstrojaners dürfte in die Geschichte als der Hexenhammer der SPD eingehen. "Wenn man nicht haargenau wie die CDU denkt, fliegt man glatt aus der SPD", spottete einstmals der Kabarettist Wolfgang Neuss. Das war 1965, kurz vor der ersten Großen Koalition.

*** Wer angesichts dieser Sorte sozialdemokratischer Überwachungsgerechtigkeit nach den liberalen Neinsagern von der FDP ruft, steht auch doof da. Statt Baum oder Leutheusser-Schnarrenberger erscheint heutzutage das Startup-Männchen Lindner, für den Nordrhein-Westfalen nur das Sprungbrett war, um über diesen fünf-Prozent-Kasten zu kommen. Wenn wir mit der Freigabe der Passfotos in den Überwachungsstaat rutschen, dann ist diese "Formulierungshilfe" für die Online-Durchsuchung genau das passende Rektal-Zäpfchen. Schlaf weiter, Deutscher Michel, denn die Überwachung ist ja "subsidiär", eine seltene Ausnahme, fast so rar wie ein pinkes flauschiges Einhorn: "Vor der Durchführung einer Online-Durchsuchung ist daher insbesondere zu prüfen, ob nicht auch eine offene Durchsuchung und Beschlagnahme in Betracht kommt."

*** Unten in München jubeln sie. München, wo in Nachbarschaft der Universität der Bundeswehr mit ihren Cyber-Angreifern gerade ein paar Gebäude leergeräumt werden, damit dort die "Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich" (ZITIS) mit ihren 400 Mitarbeitern einziehen kann. Das ist bekanntlich die Behörde, die Staatstrojaner fertigen soll und jetzt den Auftrag für noch mehr Staatstrojaner bekommt, Juchu, Chuch’e, Juchheissassa. Zum Chef der neuen ZITIS hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in dieser Woche Wilfried Karl vom Bundesnachrichtendienst bestellt, auch darüber ist der Jubel groß. Schließlich ist der BND eine geschichtsträchtige deutsche Behörde.

*** Wilfried Karl, das ist der BND-Mann W.K., der mehrfach im NSA-Untersuschungsausschuss aussagte, und der Sensibilitätsfehler beim Einsatz von Selektoren einräumte. Wer mal in die Protokolle seiner Aussagen vor diesem Ausschuss schaut, wird sich mitfreuen dürfen. Endlich haben auch wir Deutschen unseren Herrn Karl, der sich geschmeidig anpasst an den Lauf der Zeiten: Nahtlos kann derjenige, der immerzu beteuerte, nur Auslandsdaten auszuwerten, dazu übergehen, sich mit Inlandsdaten zu beschäftigen und tiefe Eingriffe in die informationelle Privatsphäre zu leiten, den einen oder anderen Sensibilitätsfehler inbegriffen. Der nun folgende Satz könnte zeitlos sein, doch er ist nach dem Netzwerkdurchsetzungsmaasschilygesetz nur temporär gültig, denn er wird nach diesem Gesetz als Hate Speech gelöscht: Arsch auf Eimer.

*** ZITIS wird Software für die Online-Durchsuchung entwickeln oder geeignete Programme aufkaufen, wird die zentrale Forensikstelle für alles, was staatlichen Ermittlern als verschlüsseltes Material so in die Hände fällt. In einer markigen Rede auf dem IT-Sicherheitskongress des BSI sprach Bundesinnenminister Thomas de Maizière davon, dass ZITIS das "Gewaltmonopol des Staates" im Internet sichert. Kleiner Schönheitsfehler: Der Minister erschien nicht selbst in Bad Godesberg, sondern schickte als Vertreter Andreas Könen vom Bundesinnenministerium, Leiter der Stabstelle IT-und Cybersicherheit. Könen las die Rede de Maizières vom Blatt ab. So klang alles sehr unmarkig, denn der ehemalige Vizepräsident des BSI und frühere deutsche Verbindungsmann zu den Datengrabschern der NSA ist ein Mann der leisen Töne und blickt nicht so streng durch seine Brille, wie dies der Chef für Law, Order und Gewaltmonopole für gewöhnlich tut. Auch Könen ist ein Bekannter aus dem NSA-Untersuchungsausschuss, in dem er als Fachmann die Authentizität der Snowden-Dokumente attestierte.

*** Lauter als Könen ist da schon das andere Chefchen, Arne Schönbohm vom BSI, der nach eigenem Bekunden gar nicht mit seinem Kollegen von ZITIS geredet hat. Das schöne Bild der Chinesischen Mauer zwischen der Abteilung Attacke und der Abteilung Verteidigung, inklusive der Absicherung der Bundesnetze und Aufklärung der Bürger taucht vor unseren inneren Augen auf. Leider, leider ist es nur eine Fatwa Morgana, denn besagter Schönbohm hat mit seiner Rede von der Internet-Apo über Menschen, die die Informationshoheit des Staates brechen wollen, schon alles eingerissen. Ein Staatsbeamter, der allen Ernstes glaubt, dass der Staat eine Informationshoheit über seine Bürger hat, dürfte seine Mühe haben, wenn Bürger gegen seine schöne Bundes-IT Recht bekommen mit der Feststellung, dass dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten sind.

*** Istjaschongut, ich lass das Granteln. Hier kommt das Positive: Chelsea Manning ist frei und beweist wiederum Mut, sich mit einem Foto im Übergang der Weltöffentlichkeit zu zeigen. Einst als Mann als schlimmster Cyber-Verbrecher der Welt tituliert, ist es weiterhin bemerkenswert, dass sie nun als Frau unverändert an das Schlusswort ihres Plädoyers glaubt, an die große Debatte einer aufgeklärten Öffentlichkeit. Schade, dass sie in der Freiheit vorerst einen US-Präsidenten erleben muss, der absolut nichts von einer großen Debatte hält. Ähnliches gilt für Julian Assange, da die schwedischen Ermittler eingesehen haben, dass sie an einem toten Punkt angelangt sind und daher vorerst den Haftbefehl aufheben und die Ermittlungen einstellen. Nun sitzt er weiter in der Botschaft und hat das Pech, mit einer britischen Regierung von Theresa May verhandeln zu müssen, die härter denn je gegen Internet-Aktivisten und Menschenrechtler vorgeht. Was auf den ersten Blick nicht als Assanges Problem erscheint, denn sein Feind sind ja die USA. Das geht so weit, dass er überlegt, die einstmals befreundete Dokumentarfilmerin Laura Poitras zu verklagen, deren Neufassung des Dokumentarfilms Risk ihm überhaupt nicht gefällt. Für Assange gilt Kein Vergeben oder Vergessen.

Was wird.

Als er noch Präsident der USA war, hatten Barack Obama und sein gesamter Leitungsstab peinlich genau darauf geachtet, dass der Fall Julian Assange nicht zur Sprache kommt. Erst auf der letzten Pressekonferenz seiner Regierungszeit wurde der Australier von Obama erwähnt. Nun kommt Obama nach Berlin zum evangelischen Kirchentag und wird mit Bundeskanzlerin Merkel über christliche Werte und das Übernehmen von Verantwortung diskutieren. Wenn der Süddeutschen Zeitung zu glauben ist, kassiert Rockstar Obama pro Auftritt 400.000 Dollar und hat Einnahmen, mit denen selbst die aufs große Geld erpichten Eheleute Clinton alt aussehen. Nur an den Trump-Clan dürfte er mit seinen Einnahmen nicht herankommen.

Während Obama mit den Evangelen diskutiert, sollte Trump bei den Katholen die Wahl von Callista Gingrich als Vatikan-Botschafterin erklären. Bei Gingrich Productions knallen die Sektkorken. Da kann man glatt wieder ein hübsches Video mit dem Papst machen. Angeblich hat Papst Benedikt XVI Newt Gingrich bekehrt.

Hier speichert der Staat seine Informationshohheit.

(anw)