Ein bisschen Revolution säen

"Eine kleine Tomate gegen den Rest der Welt", so könnte ein Spielfilm heißen, der eine neue Bewegung in der Agrarbranche zum Thema hat. Die Geheimwaffe der Tomate ist eine Open-Source-Lizenz. Ob sie es damit mit globalen Großkonzernen aufnehmen kann?

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In absehbarer Zukunft werden wohl drei Konzerne den globalen Agrarmarkt bedienen: Bayer übernimmt Monsanto, der Schweizer Agrochemiekonzern Syngenta geht an ChemChina und auch dem Zusammenschluss der US-Chemieunternehmen Dow und Dupont wurde zugestimmt. "Der Wettbewerb muss in dieser Branche funktionieren, damit sich die Unternehmen veranlasst sehen, Produkte zu entwickeln, die Gesundheit und Umwelt möglichst wenig belasten", sagt die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager einem Bericht derSüddeutschen zufolge in Bezug auf die Fusion von Dow und Dupont. Sie sollten sich allerdings auch veranlasst sehen, den Landwirten noch eine echte Wahl beim Kauf ihres Saatguts zu lassen.

Doch das scheint immer schwerer zu werden, da die künftigen großen Drei mehr als 60 Prozent des kommerziellen Saatgutmarktes kontrollieren werden – und damit auch die genetische Vielfalt, die durch Patente und Sortenschutz geschützt ist. Die Unternehmen haben damit in der Hand, welche Landwirte anbauen und weiterzüchten dürfen. Denn von Monsanto und Co. vertriebenes Saatgut fehlen oftmals die Pollen, die Folgegenerationen können sich somit nicht fortpflanzen und die Bauern sind gezwungen, erneut Samen einzukaufen. Doch die Initiative "Open-Source-Seeds" will diesem Abhängigkeitsverhältnis etwas entgegensetzen und vergibt Open-Source-Lizenzen an neue Pflanzen. Züchter können sich auf dieser Website registrieren und ihre Pflanzen zum geschützten Allgemeingut erklären. Die erste registrierte neue Sorte ist die Tomate "Sunviva". Sie trägt kleine, gelbe Früchte und ist resistent gegen Kraut- und Braunfäule.

Sunviva ist mit der Lizenz zwar geschützt, mit dem Label "Open Source" ist aber, wie im Softwarebereich, das Nutzungsrecht der Gemeinheit übertragen. Jeder darf die Samen kostenlos verwenden, vervielfältigen, verkaufen, weitergegeben oder züchterisch bearbeiten. Weiterentwicklungen von Sunviva mit einem Patent zu schützen, ist damit ausgeschlossen.

Neben Sunviva hat auch der Sommerweizen "Convento C" die neue Lizenz. Die Feldfrucht wird als sehr widerstandsfähig gegenüber Gelbrost, ertragsstark und mit hoher Backfähigkeit beschrieben. Die Züchtung stammt vom Dottenfelder Hof in Hessen. Sunviva ist aus dem "Freiland-Tomatenprojekt" um Bernd Horneburg, Leiter der Fachgruppe "Genetische Ressourcen und Ökologische Züchtung" an der Universität Göttingen, entstanden. Angemeldet bei Open Source Seeds hat sie der Saatguthersteller Culinaris.

Noch im Laufe dieses Jahres sollen 20 neue Sorten mit der Lizenz ausgestattet werden, so das gesteckte Ziel von Open Source Seeds. Ob allerdings in den Supermärkten bald Tomaten aus Monsanto-Zucht neben Open-Source-Tomaten liegen werden, bleibt fraglich. Mit dem Wort "Revolution" möchte der Biologe Horneburg noch vorsichtig sein. "Klar ist aber, wir müssen Schritte ergreifen gegen das Aneignen von genetischen Ressourcen", sagt Horneburg im Interview mit Detektor.fm. Er veweist auf die Notwendigkeit der genetischen Vielfalt bei pflanzlichen Produkten, die wir nachfolgenden Generationen hinterlassen. Da benötige es Schutzmechanismen wie Open Source Seeds.

Es liegt nicht zuletzt in den Händen der Verbraucher, den Open-Source-Pflanzen durch Nachfrage, etwa bei Züchtern, zur Verbreitung zu verhelfen. Ob sich aber auch Groß-Anbauer für solche neuen Sorten entscheiden werden, steht auf einem anderen Blatt. Aber immerhin sind Sunviva und Convento C wichtige Zeichen: gegen das Monopol von Großkonzernen und für die Rettung der genetischen Vielfalt ins Allgemeingut.

(jle)