Unsichtbare Zäune für Löwen und Rinder

Früher töteten Viehbesitzer in Afrika Löwen, um ihre Herden zu schützen. Jetzt tragen einige Tiere GPS-Sender, die warnen, wenn sich beide zu nahe kommen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Roman Goergen

Der Löwe Nduraghumbo ist wieder auf Tour. Sein Name bedeutet im Dialekt der Bewohner des Okavango-Deltas im nördlichen Botswana "Oberhaupt der Siedlung". Doch im Gegensatz zu früher bleibt es diesmal nicht unbemerkt, wenn der Löwe sich einem Dorf nähert. Auf dem Handy von Andrew Stein leuchtet eine SMS auf: "Nduraghumbo bei Geo-Zaun 1, nähert sich Gunotsoga. Koordinaten 18°08'S – 24°34'E."

Der amerikanische Biologe ist der Gründer von Claws Conservancy. Die Naturschutzorganisation versucht, den Konflikt zwischen Raubtieren und Menschen zu entschärfen. Ihr Löwenprojekt in Botswana begann 2014. "Ein Jahr zuvor hatten die Bewohner des Deltas Rache für ihr gerissenes Vieh genommen und Löwen erschossen, aber auch vergiftet", berichtet Stein. Beinahe 60 Prozent der Tiere kamen damals ums Leben. Heute leben im Delta noch etwa 1200 Löwen.

Nduraghumbo verdankt Claws Conservancy wahrscheinlich sein Leben. Denn das Projekt versucht eine Beziehung zwischen Dorfbewohnern und Raubkatzen aufzubauen. "Wir lassen die Menschen den Löwen ortstypische Namen geben. Dann erzählen wir von ihrem Verhalten und ihren Schicksalen", sagt Stein. Noch wichtiger aber dürfte sein, dass die Organisation den Dorfbewohnern mitteilt, wenn Löwen in der Nähe sind. So ist Nduraghumbo eines von sechs Tieren, die Halsbänder mit GPS-Sendern tragen. Per Satellit wird alle zwei Stunden ihre Position ermittelt.

So geben die Löwen Aufschluss über die Bewegungen ihrer fünf Gruppen. Wenn die Löwen bestimmte Linien überqueren, verschickt das System Warnungen: "Wir haben zwei virtuelle Zäune errichtet. Geo-Zaun 1 beschreibt die Grenze zwischen kommunalem Weideland und touristisch genutzten Gebieten. Geo-Zaun 2 ist zwei Kilometer von den Dörfern entfernt", sagt Stein. Wird der erste Zaun durchbrochen, erfolgt eine Mitteilung. Nähern sich die Löwen den Dörfern, greifen die Forscher ein. Sie versuchen, die Tiere zu vertreiben, und starten eine Telefonkette, um die Bewohner zu warnen.

Zusätzlich tragen die Leittiere der Rinderherden GPS-Sender. Denn sie grasen ohne Aufsicht. Auch bei ihnen können die Tierschützer sehen, ob sie einem Löwenrudel zu nahe kommen.

Seit Beginn des Projekts ist Stein zufolge kein einziger Löwe mehr vergiftet worden. "Dorfbewohner fragen uns, wann wir noch mehr Löwen mit GPS-Halsbändern ausstatten können. Andere Dörfer möchten ebenfalls am Projekt beteiligt werden", erzählt Stein. Doch das System birgt auch Nachteile. "Es ist arbeitsintensiv", räumt Stein ein. Die Telefonkette führe zu Verzögerungen, manchmal gebe es Sprachprobleme. Er hofft nun, die Schwierigkeiten mit einem automatisierten System beheben zu können.

Die Entwicklung ist bereits im Gange. Helmut Hauptmeier, Wirtschaftsinformatiker an der Universität Siegen, erfuhr durch einen Kollegen von dem Projekt. Bald war klar, dass die Siegener iSchool helfen könnte, eine spezielle Software zu entwickeln. Dazu kam ein Team ins Delta und sprach mit allen Beteiligten: "Es geht darum, die Nutzer mit einzubeziehen, aber auch ihren Alltag und ihre Vorstellungen von der Entwicklung der Region zu verstehen", sagt Hauptmeier. Im Herbst soll das verbesserte Warnsystem im Einsatz sein. (bsc)