Nokia 3310 angetestet: Was taugt die Neuauflage des Klassikers?

Auf dem jüngsten Mobile World Congress stahl Nokia mit seinem simplen 3310 der hochgezüchteten Smartphone-Konkurrenz die Show. Wir haben ein erstes Serienmodell ausprobiert.

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Nokia 3310 angetestet: Was taugt die Neuauflage des Klassikers?

(Bild: heise)

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Hach das waren noch Zeiten, als Handys noch hauptsächlich zum Telefonieren genutzt wurden und nicht jede Nacht aufgeladen werden mussten. Und da Retro in vielen Technikbereichen als schick gilt, probiert Nokia es mit einer Neuauflage seines 3310.

Nein, dieses Selfie von c't-Redakteur Hartmut Gieselmann ist nicht von 2004, sondern ein aktuelles Foto, aufgenommen vom neuen 3310 und per MMS verschickt.

Das Original kam vor 17 Jahren auf den Markt und war zu seiner Zeit das meistverkaufte Handy der Welt, bis es 2005 eingestellt wurde. Damals hatte es nur ein reflexives Monochrom-Display, das man selbst im hellsten Sonnenlicht noch lesen konnte. So puristisch gibt sich die Neuauflage nicht. Sie ist eher ein New Beetle als ein echter Käfer: So ist das Display nun fast doppelt so groß wie damals und erstrahlt in Farbe. In Innenräumen oder bei bewölktem Himmel ist das ok, aber nicht bei Sonnenschein: Dann kann man auf dem neuen Display kaum etwas erkennen.

Nokia nutzt das Farbdisplay mit seiner sagenhaften Auflösung von 320 × 240 Pixeln für einen Browser (Opera) und eine Kamera (2 Megapixel). Der Browser ist quasi unbrauchbar, weil er selbst mobile Webseiten nicht vernünftig anzeigt und elend lange zum Laden braucht. Die Kamera versprüht den Retro-Charme einer 15 Jahre alten Digitalknipse. Wenn man es als Feature anpreist, dann geht die schlechte Bildqualität als "Retro-Filter" durch. Verschicken kann man die Bildchen nur per MMS. Instagram, Whats-App & Co. gibt's hier nicht. Nokia hat dem Handy noch zwei spaßfreie Spielchen (Schlange, Asphalt) und eine Wetter-App spendiert, die allerdings im Kurztest keine Daten empfing.

Nützlicher ist da schon der zweite Simkarten-Slot (etwa für Prepaid-Karten im Ausland) und der Einschub für eine Micro-SD-Karte (bis 32 GByte). Wo andere von Spotify streamen, muss man hier noch die MP3s händisch auf die Speicherkarte schaufeln (WLAN fehlt). Immerhin gibt es neben Bluetooth auch eine echte Klinkenbuchse für Kopfhörer, da werden selbst iPhone-7-Besitzer neidisch. Mit angeschlossenem Kopfhörer funktioniert sogar ein kleines Radio ganz passabel, das Sender automatisch sucht. Das mitgelieferte In-Ear-Headset rutscht mangels Gummimanschetten jedoch ständig aus den Ohren.

Dank dem Wunder der Miniaturisierung ist das neue Gehäuse nur noch halb so dick wie damals und das Gewicht von 110 auf 81 Gramm gesunken. Dadurch liegt es gut in der Hand. Die Tasten hätte Nokia aber gerne etwas größer machen können. Besonders die Vierwege-Wippe fürs Menü ist etwas fitzelig geraten – da muss man mit dem Daumennagel gut zielen.

Das beste an der Kamera auf der Rückseite ist noch das Blitzlicht, das man als Taschenlampe nutzen kann.

(Bild: heise)

Ansonsten macht das Gehäuse einen robusten Eindruck. Selbst ohne Hülle muss man keine Angst haben, wenn es auf den Boden fällt. Was fehlt, ist eine Lautstärke-Wippe an der Seite. Während eines Telefonats kann man die Sprachlautstärke nicht verstellen. Die Tastatursperre lässt sich mit jeweils zwei Klicks setzen und löschen.

Das Farb-Display hat zwar einen höheren Strombedarf als die alten Monochrom-Displays, trotzdem wirbt Nokia mit einer deutlich längeren Laufzeit (22 Stunden Gespräch, 1 Monat Standby). Das konnten wir in der Kürze noch nicht nachmessen. Beim Original genügte es meist, es alle 10 bis 14 Tage an das Ladegerät zu stecken. Das könnte die Neuauflage ebenfalls erreichen.

Auf Schnickschnack wie Farb-Display, Browser, Kamera und die Spielchen hätte ich gerne verzichtet und dafür gerne etwas größere Tasten – wenn schon Retro, dann auch richtig. Ansonsten tut das neue Nokia 3310 was es soll: Man kann mit ihm telefonieren, mit flinken Daumen auch mal eine SMS schreiben, ein bisschen Musik hören und ansonsten muss man sich um Hüllenschutz und schlappe Akkus keinen Kopf machen. Wem das reicht und wer unterwegs auf Whats-App & Co. verzichten kann, der bekommt für 60 Euro ein kleines robustes Handy. (hag)