WTF

St. Oberholz: WLAN-Schnorrer in Berlin-Mitte

Im beliebten Berliner Co-Working-Café bringen zu viele Gäste Döner und Tütensuppen mit. Das gehört sich nicht, findet der Chef, und will mit resolutem Community-Management gegensteuern.

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St. Oberholz: WLAN-Schnorrer in Berlin-Mitte

Im Oberholz: "Wi-fi zombies' rush hour" nennt der Künstler sein Werk.

(Bild: Thomas Angermann / CC BY-SA 2.0)

Lesezeit: 3 Min.
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Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

Das St. Oberholz ist sowas wie ein Symbol. Kein Artikel über die Startup-Szene der Hauptstadt oder die "digitale Bohème", der ohne das Café am Rosenthaler Platz auskommt. Hier, wo früher mal die Filiale eines amerikanischen Burgerbraters drin war, kommen das Berliner Medienprekariat, Hipster und Touristen auf einen Kaffee zusammen und klappen ihre Macbooks* auf. Strom und WLAN gibt's für umme.

Nur klappt das mit "auf einen Kaffee" offenbar nicht mehr so richtig. Zumindest beschwert sich Ansgar Oberholz, Gründer vons Janze und inzwischen Chef eines auf drei Filialen und einen Verlag angewachsenen Hipster-Imperiums, über mangelnde Konsumbereitschaft der Klientel. Für viele Kunden sei es offenbar nicht mehr selbstverständlich, bei längerem Aufenthalt im Oberholz auch mal was zu bestellen.

"Warum ist für einige offenbar ok, in einem Co-Working-Café nach heißem Wasser für ihre Instantsuppe zu fragen oder ihr eigenes Essen mitzubringen", fragt Oberholz in einem Beitrag für die Netzpiloten. Dass diese Gäste meinen, das sei völlig in Ordnung, illustriert Oberholz mit dieser Szene aus seinem Berufsleben:

Ein Gast sitzt im Café und mümmelt einen mitgebrachten Döner. Vom Personal darauf hingewiesen, dass das nicht erwünscht ist, kommt die Antwort: "Aber ihr verkauft ja kein Kebap." Auf die nunmehr dringende Bitte, vielleicht was von der Karte zu bestellen, wendet der Gast ein, dass die mitgebrachte Delikatesse dann ja kalt werde und nicht mehr munden wolle. Vor die Wahl gestellt, nun endlich das Ding einzupacken oder herauskomplimentiert zu werden, lenkt der Gast ein – aber nicht ohne den Hinweis, er "habe gestern auch schon einen Kaffee bei Euch gekauft".

Nun kann man derlei ignorantes Verhalten für "typisch Berlin" halten und als authentische Hauptstadterfahrung abhaken (eine Erfahrung, die Anmerkung sei erlaubt, die Touristen in zunehmenden Maße zu ebenfalls schlechtem Benehmen verleitet). Oberholz scheint es aber für eine Verhaltensweise zu halten, die vermehrt bei Besuchern von Co-Working-Cafés auftritt. Das freie WLAN zieht eben auch Schnorrer an. Wegen denen jetzt den Netzzugang für alle beschränken oder das Café für die Öffentlichkeit ganz schließen will Oberholz aber auch nicht.

Oberholz rät seinen Leidensgenossen: "Die Antwort ist verblüffend einfach: Service. Service am Tisch, der perfekt unaufdringlich ist und die Coworker mit ihren Bedürfnissen abholt." Das sei im Prinzip wie Moderation in einem Forum: "Kellner sollten im perfekten Fall auch grundlegende Prinzipien des Community Managements beherrschen, die Nöte und Bedürfnisse erkennen und Menschen miteinander vernetzen."

* natürlich gibt es auch andere Laptops. Man wird auch im Oberholz mit einem Thinkpad (voll 1337) nicht rausgeschmissen. Aber in gewissen Berliner Kreisen ist das Macbook deutlich überrepräsentiert. Wenn schon das Klischee leben, dann eben richtig. (Und nein: dieser Artikel wurde nicht von einem gewissen Computerhersteller aus Cupertino bezahlt). (vbr)