Dataismus
Yuval Noah Harari liefert in seinem neuen Buch einen nachdenklichen Transhumanismus.
- Robert Thielicke
"Was wird mit uns und unserem Planeten passieren, wenn die neuen Technologien dem Menschen gottgleiche Fähigkeiten verleihen?", fragt der Klappentext.
Aber anders als übliche Transhumanisten-Fantasien gibt Harari in "Homo Deus" nachdenkenswerte Antworten. Er braucht dafür allerdings einen langen Anlauf – wie das vielleicht so ist, wenn ein Historiker ein Buch über die Zukunft schreibt. Harari beginnt bei der Menschwerdung vor 70000 Jahren und braucht zwei Drittel des Buches, um schließlich im Morgen anzukommen.
Trotzdem lohnt es sich, dem Autor zu folgen. Er referiert zwar die bekannten Thesen zur biotechnologischen und elektronischen Aufrüstung des Menschen, nennt sie Ausdruck seines Strebens "nach Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit". Aber für ihn führt dieses Streben nicht zu einem Menschen, der seine natürlichen Grenzen hinter sich lässt. Das Ergebnis ist nicht die Vollendung des Humanismus. Sondern seine Abschaffung. Aus Humanismus wird Dataismus, aus individueller Freiheit eine kollektive Steuerung.
Es ist die Stärke des Buches, dass für Harari damit nicht notwendig die Welt untergeht. Die Algorithmen "werden ihre Entscheidungen für uns so gut treffen, dass wir verrückt wären, ihrem Rat nicht zu folgen".
Man muss die Einschätzung nicht teilen. Aber man sollte darüber nachdenken, ob sie nicht mehr Wahrheit enthält, als uns lieb ist.
Yuval Noah Harari: "Homo Deus". C. H. Beck, 576 S., 24,95 Euro (E-Book: 19,99 Euro) (bsc)