Zwischen Himmel und Meer

Reisende sollen bald in Flugzeugen nur wenige Meter über dem Meer ihrem Ziel entgegenrasen. Das Konzept klingt aberwitzig, ist aber vor allem: spritsparend.

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Von
  • Joseph Scheppach

Dieser Text-Ausschnitt ist der aktuellen Print-Ausgabe der Technology Review entnommen. Das Heft ist ab 22.6.2017 im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich.

Im Hafen von Kaspijsk in Dagestan dümpelt eine Konstruktion, die auf Google Earth aussieht wie ein Flugzeug. Doch in den 1980er-Jahren raste das 73 Meter lange Monster, in tosende Wasserwolken gehüllt, im Tiefstflug kilometerweit über das Kaspische Meer. „Lun Ekranoplan“, wie die Russen das Gefährt nannten, ist ein Zwitter aus Boot und Flugzeug. Solche Vehikel jagen rund zwei Meter über der Wasseroberfläche dahin, sind im Schnitt zehnmal so schnell wie ein Schiff gleicher Größe und bis zu 40 Prozent sparsamer als ein Flugzeug gleicher Geschwindigkeit.

Solche Hybride erleben eine erstaunliche Renaissance. „Ingenieurteams in aller Welt arbeiten derzeit an dieser Technologie“, sagt Hanno Fischer aus Wittlich. Der 92-Jährige hat bereits in den 60er-Jahren solche sogenannten Bodeneffekt-Fahrzeuge entwickelt und ist immer noch in seiner Firma Fischer Flugmechanik aktiv. Die Technik macht sich eine physikalische Besonderheit zunutze, die jeder Pilot von der Landephase kennt: den sogenannten Bodeneffekt. Wenn ein Flügel schnell und dicht über eine Ebene gleitet, bildet sich zwischen Tragfläche und Boden beziehungsweise Wasseroberfläche ein Kissen aus gestauter Luft. „Der Überdruck unter dem Flügel wird größer“, erklärt Fischer. „Der Auftrieb nimmt zu, und die Luftwirbel an den Flügelspitzen werden kleiner.“ Dies führt zu einer Verringerung des Luftwiderstands um rund 50 Prozent.“ Der Motor muss also weniger Kraft aufwenden, um das Gerät in der Luft zu halten.

Doch die Technik – englisch Wing-in-ground (WIG) genannt – hat einen Haken: Beim Start aus dem Wasser müssen die Bodeneffekt-Fahrzeuge einen höheren Widerstand überwinden als ein konventionelles Flugzeug auf der Piste. „Der Leistungsbedarf beim Start ist zwei- bis dreimal höher als beim Flug“, sagt Ingenieur Andreas Gronarz vom Europäischen Entwicklungszentrum für Binnen- und Küstenschifffahrt in Duisburg. Dafür benötigen sie starke Motoren. „Das bedeutet: Nach dem Start werden die Motoren kaum noch gefordert; sie laufen unwirtschaftlich und verbrauchen viel.“

Das wurde dem 1986 in Dienst gestellten Lun Ekranoplan zum Verhängnis. Er benötigte wegen seiner enormen Größe eine immense Schubkraft und erwies sich deshalb für die zivile Anwendung als unrentabel. In den 90er-Jahren wurde er eingemottet und ist mittlerweile nur noch ein Industriedenkmal.

Doch Fischer gelang es, den Wasserwiderstand zu verringern. Das patentierte System leitet rund sieben Prozent des Propellerstrahls durch einen Luftkanal nach unten zwischen die Rümpfe. „Dieses Luftkissen trägt etwa 80 Prozent des Gesamtgewichts, sodass durch die geringere Belastung des Schwimmwerks auch der Wasserwiderstand deutlich reduziert wird“, erklärt der Ingenieur. Hinzu kommen S-förmige Flügel. Durch sie wird bei einer Geschwindigkeit von rund 80 Stundenkilometern der aerodynamische Auftrieb so groß, dass der Tiefstflieger vollständig aus dem Wasser abhebt. Im Fachjargon heißt diese Fortbewegung „flaren“ – fliegen und fahren zugleich.

(grh)