Post aus Japan: Genauestens positioniert

Mit dem Start eines zweiten Satelliten eilt Japan auf eine neue Epoche in der Ortung zu: einem zentimetergenauen Positionssystem für Japan.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Weltraumfahrt ist in Japan nicht nur eine Sache des Erkenntnisgewinns oder nationalen Prestiges, sondern hat auch eine erzieherische Funktion. Sie soll Kinder für die Wissenschaft begeistern. Dies demonstrierte am 1. Juni eindrucksvoll der Start des zweiten von vorerst vier Michibiki-Satelliten, die für Japan die Epoche einer allerorts zentimetergenauen Satellitennavigation einläuten soll.

In der Live-Übertragung des Raketenstarts durften Kindergruppen und Schulklassen aus dem ganzen Land in den letzten fünf Minuten den Countdown mitsagen (ab Minute 28:12 in der Aufzeichnung). Alle fünf Sekunden wurde eine andere Gruppe eingeblendet, die den Satelliten eine gute Reise wünschte. Die letzten zehn Sekunden zählten Kinder im Chor auf null hinunter. Dann hob die H-IIA-Rakete ab und transportierte Michibiki 2 in den Orbit.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Damit nähert sich in Japan ein ehrgeiziges Projekt seiner Vollendung: der Aufbau eines eigenen Satellitensystems, das das bisherige globale Positionierungssystem (GPS) ergänzen und damit die Positionsbestimmung in Japan drastisch verbessern soll. 2010 wurde der erste Satellit gestartet. Japan will daher bis März 2018 insgesamt vier Trabanten in eine spezifische Umlaufbahn schießen, die von Japan bis nach Australien reicht. So soll mit dem für April 2018 geplanten Start des neuen Ortungssystems sichergestellt werden, dass immer ein Ortungssatellit direkt über dem Land steht. Ab 2023 soll das System sogar sieben Satelliten umfassen.

Quasi-Zenit-Satelliten-System nennt Japan sein Projekt, für das es eine eigene Homepage gibt. Allein die erste Ausbaustufe soll Menschen wie mir helfen, unseren Weg durch Tokio besser zu finden. Das Problem: Bisher leidet die GPS-Ortung in Japans Hochhausschluchten oder tiefen Bergtälern oft daran, dass nicht genügend Satelliten für eine genaue Ortung in der Sichtlinie von Smartphones oder Autos sind.

Schon für Fußgänger erschwert es die Orientierung. Oft dauert es einige Schritte, bis mein Kartenprogramm mir wenigstens auf einige Meter genau anzeigen kann, wo ich bin. Doch erst recht für Autos ist die Gegenwart manchmal nicht perfekt wie ich erst diese Woche mal wieder erleben konnte.

Im dicht besiedelten Japan liegen auch Straßen, selbst Kreuzungen oft sehr dicht beieinander. Und so wurde mein Auto auf der falschen Straße angezeigt und ich von meiner Navigation auf einen Umweg geleitet. Künftig soll mein Navigationssystem dank der neuen Satelliten meine Position auf wenige Zentimeter genau bestimmen können und so Verwirrung und Verirrung verringern helfen.

Davon sollen vor allem autonome Autos profitieren können, versprechen die Planer. Aber nicht nur die: auch autonome Land- und Baumaschinen, oder die Desaster- oder Terrorbewältigung, die Ortung von Kindern oder die Verfolgung von Laufwegen von Rugbyspielern.

Und das i-Tüpfelchen: Wenn die Satelliten nicht gerade über Japan fliegen, bieten sie ihre Dienste auch in anderen Ländern der Region an. Denn Japan ist seit Jahren bemüht, sein durch einen steten Strom von Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüchen, Taifunen und Überschwemmungen aufgebautes Katastrophenschutz-Knowhow mit den ärmeren Ländern in der Region zu teilen. Ich bin allerdings schon froh, wenn das System mir im Alltag hilft, besser meinen Weg zu finden.

()