MINT-freundliche Schulen: iPad-Klassen, Avatare und mehr Bandbreite für die Lehrer

In Deutschland dürfen sich zwölf erste Schulen das Prädikat anheften, Jugendlichen Informatik & Co. mit digitalen Mitteln besonders geschickt nahezubringen. Die Zuständigen verrieten: Nur Notebooks ins Klassenzimmer zu stecken, bringt nichts.

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Tablet-PC in der Schule

Die Mehrheit der Befragten fordernt mehr Investition in die technische Ausstattung der Schulen.

(Bild: dpa, Carmen Jaspersen/Archiv)

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Die Fächergruppen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) sind nicht bei allen Schülern beliebt, auch wenn gerade IT-Spezialisten auf dem Arbeitsmarkt von Unternehmen und dem Staat gesucht werden. Um den Bereich attraktiver zu machen und praktisch vorzulegen, haben die Initiative "MINT Zukunft schaffen", die Gesellschaft für Informatik (GI) und der Verband der Internetwirtschaft eco gemeinsam mit weiteren Partnern im November einen Wettbewerb für "MINT-freundliche digitale Schulen" ausgerufen. Nach sechs Monaten gab der Zusammenschluss am Mittwoch in Berlin nun bereits die ersten zwölf Sieger bekannt.

Zu den Gewinnern zählt das Gymnasium in der nordrhein-westfälischen Stadt Würselen, die nicht nur den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz hervorgebracht hat. Die Jury betonte dabei, dass die Schule "insbesondere Konzepte zur informatischen Bildung implementiert, Digitalisierung als Schwerpunkt im Schulprogramm festgeschrieben hat und über verantwortliche Lehrkräfte für die Qualifizierung des Kollegiums verfügt".

In der Praxis räumte der dortige MINT-Koordinator Volker Richterich ein, dass man mit dem ersten Anlauf im Bereich Schule ans Netz "kolossal gescheitert" sei. Den Auftakt sollten ihm zufolge "sechs Notebook-Klassen" bilden, in denen die Geräte aber kaum genutzt worden seien. "Es lag auch an uns", gab Richterich mit Blick auf die Lehrer zu. Ein einschlägiges Konzept habe einfach gefehlt.

Die Ausbildungsstätte hat inzwischen dazugelernt: "Wir haben ein Curriculum entwickelt, das alle Fächer mitnimmt", erzählte Richterich. Damit sei "ganz klar, welcher Lehrer in welchem Fach was zu tun hat". Die Laptops sind durch iPads ersetzt worden: "Die sind leichter und fahren keine sieben Minuten hoch", strich der Physik- und Chemielehrer die Vorteile der Tablets heraus. Auch der Unterricht habe sich verändert, so könnten die Schüler über Apps und umfassender Programme stärker einbezogen werden. Informatik könne ab der 8. Klasse als Wahlpflichtfach oder ab der 10. Klasse als Grundkurs belegt werden. Die Resonanz lasse hier aber noch zu wünschen übrig, sodass sich Richterich auch vorstellen kann, Programmieren zum Pflichtfach zu machen.

Seine Kollegin Stefanie Schäfers berichtete, dass es die Digitaltechnik etwa erlaube, über Avatare auch Schüchterne stärker in den Unterricht einzubeziehen, die das virtuelle Wesen mit ihrer eigenen Sprache bestücken und dieses für sich reden lassen könnten. Wer keine Lust auf Sport habe und "den Turnbeutel zum x-ten Mal vergisst, muss die Videodokumentation machen". Dabei sei bereits herausgekommen, "warum Mädchen immer zu kurz werfen: es liegt am zu kurzen Winkel". Auch die Eltern bekämen nun "mal ein Filmchen gezeigt" etwa zu einem "misslungenen Kugelstoß" des Nachwuchses. Für viele Lehrer selbst bedeute die neue Lernwelt, mehr aus der Hand zu geben und nicht immer einfach den "Kontrolletti" spielen zu können.

Zu den ersten Geehrten gehört auch die Gesamtschule der Gemeinde Marienheide, die ebenfalls in NRW liegt. "Wir haben vor drei oder vier Jahren angefangen und die Infrastruktur geschaffen", erinnerte sich deren Vertreter Heddo Mäder. Die Stadt habe dazu ein "Campus-WLAN" spendiert, die Räume seien digitalisiert, Medienwagen mit Laptops und iPads angeschafft worden. Es gebe zudem aus jedem Fachteam einen Lehrer, der dafür verantwortlich sei, "dass exemplarische Inhalte mit digitalen Medien gestaltet werden". Die Ausbilder verfügten ferner über eine Cloud, "wo wir unsere Arbeitsergebnisse oder Tutorials reinstellen können". Darüber ließen sich auch Sorgen abbauen, "dass wir in diesem Bereich weniger wissen als die Schüler".

Als MINT-freundlich und digital bezeichnen dürfen sich in der ersten Runde ferner die Albertus-Magnus-Realschule St. Ingbert, die Eugen-Bolz-Realschule Ellwangen, die Rüsselsheimer Gustav-Heinemann- und Werner-Heisenberg-Schulen, die Marienschule Fulda, das Gymnasium Mainz Oberstadt, die IGS Thaleischweiler-Fröschen, das Paul-Spiegel-Berufskolleg Dorsten, die Hamburger School of Life Science sowie die Gregor-von-Scherr-Schule in Neunburg vorm Wald. Dass keine Einrichtung aus den neuen Bundesländern dabei ist, erklärten die Organisatoren damit, dass sich Schulen aus östlichen Ländern eher zurückhaltend für öffentliche Ehrungen zur Verfügung stellten und das Bewusstsein dort teils noch nicht so groß sei.

Thomas Sattelberger, Vorsitzender von "MINT Zukunft schaffen", sprach von einer "guten Experimentierphase". Die Ausgezeichneten, die nun ein besonderes "Coaching" erhielten, hätten von fünf Kriterien mit je vier Indikatoren aus dem erstellten Leistungskatalog mindestens zwei von letzteren erfüllen müssen. Als Grundvoraussetzung des undotierten Wettbewerbs nannte der Ex-Telekom-Personalvorstand den "Beutelsbacher Konsens ", wonach "keine Produkt- oder Firmenwerbung, kein subtiles Marketing" erfolgen dürfe.

Das Geld für die technische Ausstattung der gekürten Schulen kam laut Sattelberger bisher "von klugen Kommunen". Der Manager warnte davor, den von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) skizzierten Digitalpakt für Ausbildungsstätten als beschlossen anzusehen: "Wir sprechen über ungelegte Eier." Die vorgesehenen fünf Milliarden Euro seien noch "in keinem Budget enthalten", darüber werde es erst nach der Bundestagswahl ein hartes Ringen geben. (axk)