Werbedisplays mit Gesichtserkennung: Digitalcourage will gegen Deutsche Post und Real klagen

Sowohl bei Real als auch der Deutschen Post werden Kamerasysteme getestet, die Geschlecht und Alter von Kunden vor Werbedisplays erfassen. Netzaktivisten wollen jetzt dagegen klagen.

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Werbedisplays mit Gesichtserkennung: Digitalcourage will gegen Deutsche Post und Real klagen

(Bild: Echion)

Lesezeit: 3 Min.
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Aktivisten des Vereins Digitalcourage wollen die Deutsche Post und die Supermarktkette Real verklagen, weil diese in ihren Filialen Gesichtserkennungstechnik für Werbezwecke testen lassen. Spezielle Kamerasysteme an Werbedisplays erfassen von davorstehenden Kunden Geschlecht und Alter, damit auf dem Bildschirm aufs Publikum angepasste Werbung gezeigt werden kann. Digitalcourage sieht darin einen groben Übergriff auf die Privatsphäre und einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz.

Bei Real wird die Technik in derzeit 40 Filialen getestet, wobei die Displays von der Firma Echion betrieben werden. Bei der Post wiederum testet man in 100 Partner-Filialen an den Standorten Köln, Hamburg, München und Berlin. In Realläden wird zwar durch ein Schild auf Videoüberwachung hingewiesen – dass es aber um Werbepersonalisierung geht, findet keine Erwähnung. Auch die Deutsche Post sah keine Erfordernis, "Kunden in der Testphase gesondert darüber zu informieren.“

Bei Digitalcourage findet man das mehr als unzureichend, da "Kundinnen nicht vor der Tragweite der Beobachtung gewarnt sind". Der Süddeutschen Zeitung erklärten die Aktivisten, dass sie einen Verstoß gegen Paragraph 6b in Bundesdatenschutzgesetz sehen. Die Videoüberwachung werde zweckentfremdet und diene nicht mehr dem eigentlichen Ziel der Diebstahlsprävention. "Die Kennzeichnung ist auf keinen Fall ausreichend", sagte Padeluun, ein Mitgründer des Vereins, der Zeitung "Die Leute, die das mitbekommen haben, fühlen sich verarscht."

Die Technik dahinter nennt sich Adpack und stammt von dem Berliner Unternehmen Indoor Advertising. Sowohl die Post als auch Real sehen sie als unbedenklich an – es würden nämlich nur Anzahl der Betrachter, Geschlecht, Alter und Blickkontakte in die Werbeoptimierung einfließen. Die Bilder aus den Kameras würden lediglich in einem Mini-Rechner mit Android vor Ort analysiert und dann sofort verworfen – ein Prozess von rund 150 Millisekunden.

Die errechneten Metadaten würden dann verschlüsselt an Server übertragen, die die Werbeausspielung steuern. Die Daten würden nicht an Dritte weitergegeben. Auch gebe es laut Adpack keine Möglichkeit, Bilddaten aus den Rechnern zu extrahieren oder eindeutige Signaturen zu errechnen, um Gesichter wiederzuerkennen.

So werde weder das Recht am eigenen Bild angetastet noch entstünden personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes, argumentieren die Unternehmen unisono. Zur drohenden Klage erklärte ein Sprecher von Real, dass bislang noch keine Klageschrift eingegangen sei, weshalb man keine Stellung dazu nehmen könne. Die Post erklärte: "Die Technik wurde auf datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit geprüft und ist mit dem ePrivacy-Siegel zertifiziert worden. Insofern entspricht der Test datenschutzrechtlich allen gesetzlichen Vorgaben.“

Doch abgesehen von der rechtlichen Seiten sehen die Aktivisten auch noch wirtschaftliche Nachteile für die Unternehmen, die ihre Kunden derartig tracken: "Wenn Führungspersonen im Einzelhandel jedoch entscheiden, das Tracking ins analoge Leben zu holen, machen sie sich ein Alleinstellungsmerkmal kaputt. Für Konsumentinnen mit Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre ist es durchaus attraktiv, beim Kauf mit Bargeld an der Supermarktkasse eben nicht beobachtet und durchleuchtet zu werden.“ Eine Online-Petition hat inzwischen auch die Geschäftsführung von Real zum Stopp der Tests aufgefordert. (axk)