Pebble: Gadgetbridge unter Beschuss

Die bei Pebble-Smartwatch-Nutzern beliebte Alternativ-App Gadgetbridge wurde vorerst aus Github verbannt. Der Fall legt eine Schwäche offen: Die Entwicklerplattform sperrt Inhalte schon auf Basis bloßer Behauptungen.

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Pebble

Für die Pebble gibt es eine alternative Software namens Gadgetbridge. Sie ist nun unter Beschuss geraten.

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Michael Link

Die Beschwerde eines App-Entwicklers reichte, um die Projektseite der bei Pebble-Nutzern beliebten Open-Source-App Gadgetbridge vorerst lahmzulegen. Die Codehoster-Plattform Github nahm das Repository offline, nachdem der Entwickler der alternativen Android-App Tools & Mi Band für den Fitnesstracker Mi-Band (Test) einen DMCA-Takedown forderte, und zwar gleich für alle Gadgetbridge-Archive. Github kam dem umgehend nach.

DMCA heißt ausgeschrieben "Digital Millennium Copyright Act". Github will sich durch Anwendung dieses Rechtsrahmens vor Copyright-Klagen schützen. Der tschechische Entwickler Zdeněk Horák sieht in seinem auf Github veröffentlichten Antrag gleich mehrere Copyright-Verletzungen. Der Entwickler hält dem Gadgetbridge-Entwicklerteam vor, geschützte Screenshots veröffentlicht zu haben und wirft ihm außerdem Reverse Engineering seines Codes vor.

Beides erscheint indes wenig stichhaltig: Monierte Screenshots von der Mi-Band-Kauf-App stammen nicht von den Gadgetbridge-Entwicklern, sondern von einem Nutzer, der sie unter den Fehlermeldungen ("Issues") postete – sie waren schon monatelang unbeanstandet dort zu finden. Nach der Github-Regel "Ask Nicely First" hätte der Mi-Band-App-Entwickler zunächst das Gadgetbridge-Team direkt kontaktieren müssen. Das hätte dann Zeit gehabt, die monierten Inhalte zu prüfen und womöglich zu löschen. Nach Angaben der Gadgetbridge-Entwickler war das nicht der Fall und auf Anfrage von heise online äußerte sich Horák dazu nicht.

Der Vorwurf des Reverse Engineering ist umstritten. Der DMCA-Antrag stützt sich auf Mitschnitte der Bluetooth-Kommunikation zwischen dem Mi-Band und dem Smartphone. Mithin träfe er sogar den Macher der Mi-Band-App selbst, wenn er auch seine eigene App auf diese Weise entwickelt hat. Bluetooth-Logs sind aber kein Code, der den Schutz des Copyright nach den US-Copyright-Spielregeln genießen könnte, unter denen der DMCA fungiert. Ein Code-Diebstahl liegt augenscheinlich nicht vor, und nur der sowie der Bytecode wären vom Copyright Act abgedeckt.

Ein von Reddit-Nutzern als Sockenpuppen-Account von Horák bezeichneter Nutzer legte in einem Reddit-Post aber noch nach: Demnach sollen Gadgetbridge-Co-Entwickler sogar aktiv dazu aufgerufen haben, herauszufinden, wie Horáks Mi-Band-App bestimmte Dinge macht, die sich später in der Gadgetbridge wiederfinden. Ähnlich äußerte sich Horák schriftlich heise online gegenüber. Einen Beleg dazu lieferte er nicht, führte aber an, ihn vor Gericht präsentieren zu können, sollte es zu einem Verfahren kommen.

Der gesamte Vorgang wirft Fragen auf: Github sieht in seinen eigenen Richtlinien eine eher langsame Eskalation bei Streitigkeiten vor, hält sich offenbar aber nicht immer selbst daran: Eine direkte Kommunikation zwischen den Entwicklern fand nach einer Reddit-Veröffentlichung des Teams nicht statt und Github hat ebenso wenig von Gadgetbridge verlangt, die in Frage stehenden Screenshots zu entfernen. Stattdessen nahm Github gleich das gesamte Repository offline, ein ungewöhnlich hartes Vorgehen. Womöglich ein Fehler, der allerdings bis dato nicht korrigiert wurde. Eine Anfrage von heise online dazu beantwortete Github bislang noch nicht.

Selbst wenn der Rundumschlag eine Panne war: Zum Lahmlegen des Gadgetbridge-Projektes reichte Github eine bloße Erklärung des Beschwerde-Einreichers aus. Github prüft DMCA-Beschwerden nämlich nicht inhaltlich, sondern nur formal. Die Plattform verweist sogar aktiv auf den Rechtsweg. Gadgetbridge stand nun formal zwar ein Einspruchsrecht zu, danach bleibt aber nur die juristische Auseinandersetzung – mit einem Kostenaufwand, den Hobby-Programmierer sich nicht leisten können oder wollen – oder der Umzug auf eine andere Entwicklerplattform.

Schwacher Trost: Die Download-Seite für die Gadgetbridge-App funktioniert weiterhin.

[Update 27.6.2017, 16.30 Uhr]:

Die Gadgetbridge-Entwickler haben offiziell gegen den Takedown-Akt mit einer Counternote Widerspruch eingelegt, erklärten sich aber bereit, die von anderen Nutzern im Issue-Tracker veröffentlichten Screenshots zu entfernen, obwohl sie darin keinerlei Copyright-Verstöße der User sähen, welche die Screenshots lediglich als Illustration und "Ersatz für tausend Worte" gepostet haben sollen. (mil)