Was uns das Blut zu sagen hat

Von einem, der auszog, ein Buch über das Blut schreiben, und einen Band über die Errungenschaften der Genetik und ihren Stellenwert für unser Leben vorlegte.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Seit jeher verrät ein Blick ins Blut eines Menschen unendlich viel über seine Gesundheit: Gibt es irgendwo einen Entzündungsherd? Herrscht Eisenmangel, oder ist der Blutzucker zu hoch? Ganz andere Botschaften dürfen wir künftig erwarten, entwickelt sich die Wissenschaft weiterhin so rasant wie in den vergangenen Jahren. Bereits heute hält die Medizin einen neuartigen Test bereit, dem Ulrich Bahnsen in seinem Buch "Das Leben lesen" viel Platz einräumt. Die spannende Entwicklung jenes Pränataltests, mit dem sich im Blut von Schwangeren frühzeitig die Chromosomenstörungen ihrer ungeborenen Kinder nachweisen lassen, rekapituliert der Hamburger Wissenschaftsjournalist minutiös.

Dabei stellt sich spätestens hier eine der größten Stärken des Autors und seines Buches heraus: Bahnsen gelingen wunderbar lebendige Forscherporträts, etwa wenn er über den in Hongkong ansässigen Dennis Lo schreibt, der den bahnbrechenden Test für die vorgeburtliche Diagnostik entwickelt hat. Oder wenn der "Zeit"-Redakteur von seiner Begegnung mit Craig Venter und dem Wettlauf der Genetiker um die Entschlüsselung des menschlichen Genoms schreibt.

Schade übrigens, dass sich in dem Band nicht nur dank einer mangelnden Schlussredaktion die Grammatikfehler häufen, sondern dass auch noch der Abdruck des ersten entschlüsselten menschlichen Genoms im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit dem 27. Juni 2001 ein Jahr zu spät datiert wird.

Ohnehin geht es zwar vordergründig ums Blut, letztlich aber dreht sich alles um die Genetik, welchen Stellenwert sie einnimmt und was sie alles ermöglicht. Zunächst referiert Bahnsen sehr informativ die Grundlagen, umkreist dann aber unter der Überschrift "Eine Gesellschaft ohne Behinderte?" etwas langatmig die Debatte über die Auswirkungen vorgeburtlicher Gentests. Dabei bleibt unerwähnt, dass grund-sätzliche Fragen schon lange vor dem neuen Verfahren aufgeworfen wurden. "Was will ich mit diesem Test erreichen – und wie will ich mit dem Ergebnis umgehen?" Auf diese Frage muss spätestens seit der Fruchtwasseruntersuchung jedes Paar eine Antwort finden.

Viel interessanter sind die vielen Forschungsprojekte, die Bahnsen im Buch versammelt. Zum Beispiel den nächsten großen Wurf, an dem international gearbeitet wird und auf den viele sehnsüchtig warten: den Bluttest für die häufigsten Krebsarten. Oder er beschreibt die zunächst unglaublich wirkenden Experimente von Tony Wyss-Coray. Der Stanford-Forscher machte in den vergangenen Jahren Furore, indem er alte Mäuse chirurgisch an junge Exemplare koppelte. Inzwischen vermutet der gebürtige Schweizer, dass Proteine im Blut der Jungtiere die Regeneration der alten Mäuse verantworten. Doch das letzte Wort ist nicht gesprochen: Erste Versuche mit Alzheimer-Patienten laufen.

Ulrich Bahnsen: "Das Leben lesen. Was das Blut über unsere Zukunft verrät", Droemer Verlag, 272 Seiten, gebundene Ausgabe und E-Book jeweils 19,99 Euro (bsc)