Post aus Japan: Künstliche Intelligenz, japanischer Stil

Künstliche Intelligenz macht rasante Fortschritte, auch in Japan. Aber die können auch dazu führen, dass Papier länger lebt.

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Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Robotern beim Lernen zuzuschauen, war bisher ein Geduldsspiel. Um zu verstehen, wie Stecker zusammenpassen, testete ein Automat bisher fast eine Stunde alle Möglichkeiten durch. Der japanische Technikkonzern Mitsubishi Electric hat nun eine Methode entwickelt, mit der ein Roboter den gleichen Lernerfolg nach 45 Sekunden erzielt.

Auf der Hausmesse des Konzerns schaute ich mir den schnellen Schüler jüngst persönlich an. Nur ein paar Mal versuchte der Roboterarm die Verbindung der zwei Blöcke herzustellen, dann saß der Handgriff auch schon. Und flugs ging er selbst angeschult daran, die gleiche Aufgabe in einer simulierten Arbeit durchzuführen. Und die Handgriffe gelangen ihm sogar, wenn die Blöcke ein wenig schief lagen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Dies Beispiel unterstreicht nicht nur, welch großes Entwicklungspotenzial Roboter und künstliche Intelligenz noch haben, sondern auch wie rasch die Entwicklung fortschreiten kann: Bei ihnen ist es keine Innovation in kleinen Schritten. Die Entwicklung werde exponentiell verlaufen, meinte der bekannte amerikanische KI-Experte und Chef des Toyota Research Institute Gill Pratt einmal zu mir.

Ein Grund mag sein, dass wir noch ganz am Anfang eines neuen Zeitalters stehen und daher die Früchte der Forschung noch relativ niedrig hängen. Einen anderer ist die Eigenart vernetzter Maschinen und Systeme, dass alles was die einen lernen, umgehend auch die anderen wissen. Im idealtypischen Fall. Der Mensch muss hingegen bisher jeder für sich aufs Neue Geschick und Wissen aufbauen, wenigstens solange Tesla-Gründer Elon Musk noch keine schnurlose Gehirn-Internetschnittstelle erfunden hat, die die Grenzen zwischen unserer beschränkten lokalen Speicherkapazität und dem Wissen im Netz verschwimmen lässt.

Da der schnurlose Wissenstransfer allerdings noch in fernerer Zukunft liegt, kümmern sich die Entwickler zuerst einmal darum, die analoge in die digitale Welt zu transportieren. Und da bietet Mitsubishi Electric eine Lösung für das Ausfüllen von beispielsweise Bankformularen, die ich als zutiefst japanisch empfinde: die papierenen Formulare werden nicht abgeschafft (disruptiver Ansatz), sondern die analoge Be- und Verarbeitung durch neue Technik unterstützt (kooperativer Ansatz).

Hier das Beispiel: Beim Ausfüllen eines Formulars schaut eine Kamera dem Kunden auf die Finger. Das System erkennt, wo noch Einträge fehlen und projiziert dann mit einprogrammierter Hilfsbereitschaft einen roten Rahmen um das entsprechende Feld. Das fertig ausgefüllte Formular kann dann fotografisch eingescannt werden und – das Allerbeste – von einem Roboterarm in die richtige Ablage eingeordnet werden.

Halt, stopp, dachte ich? Ein Roboter ordnet Papier? Ergibt so etwas überhaupt Sinn? So einen Roboter halte ich für genauso überflüssig wie den Wunsch vieler Menschen nach Robotern, die Bügeln oder das Klo putzen können. Schließlich sind bügelfreie Textilien und sich selbst reinigende Klos (auch letztere gibt es hier in Japan schon länger) die weniger komplexe und billigere Lösung. Ich verstehe nicht, dass die Vordenker nicht wenigstens die papierbasierte Lagerung der Formulare abschaffen, wenn sie schon keine zellulosefreie Dateneingabe wollen. Doch vielleicht ist die Liebe der Japaner zum Papier noch zu tief, als dass die Ingenieure sich das trauen würden.

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