Die Reise hat erst begonnen – zum Tode von Charles P. Thacker

Im Alter von 74 Jahren ist der US-amerikanische Computerpionier Charles (Chuck) P. Thacker gestorben. Mit dem Xerox Alto schuf er den Urahn aller Personal Computer.

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Die Reise hat erst begonnen – zum Tode von Charles P. Thacker

Charles (Chuck) Thacker

(Bild: Marcin Wichary, CC BY 2.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Der Ingenieur Chuck Thacker ist am Montag nach kurzer Krankheit gestorben, meldet die ACM. Im Jahr 2009 hatte er den Turing Award der ACM für seine zahlreichen Systementwürfe von Computern erhalten.

Sein bekanntestes Werk war der Entwurf des Xerox Alto, für den Thacker nur zweieinhalb Monate benötigte. Sein letzter Hardware-Entwurf war das für den Informatik-Unterricht konzipierte Multiprozessorsystem Beehive. Im Jahre 2014 wandte sich Thacker, der die britische Niederlassung von Microsoft Research mit aufbaute und dort ein Tablet entwickelte, gegen die Ansicht, dass das Entwickeln von Computersystemen langweilig geworden ist: "Tagtäglich werden neue physikalische Gesetze entdeckt und viele von ihnen werden das Computern stark beeinflussen. Die Reise hat erst begonnen."

Charles P. Thacker wurde am 23. Februar 1943 im kalifornischen Pasadena geboren. Sein Vater, ein Elektroingenieur, verstarb früh, vererbte seine Bastel-Leidenschaft aber an seinen Sohn. Noch in der Schulzeit arbeitete Thacker in Elektro-Fachgeschäften, reparierte Geräte und konstruierte einen Geigerzähler. Er entschied sich für ein Studium der Experimentalphysik, weil er von den eingesetzten Messgeräten fasziniert war, verließ aber nach einem Bachelor of Science 1967 die Universität von Kalifornien, um für den Erfinder Jack Hawley zu arbeiten. Kurze Zeit später wechselte er zum Projekt Genie, in dem bei der Entwicklung eines großen Time-Sharing-Systems erstmals mit Computer-Hardware-Problemen beschäftigt war. Hier traf er seine späteren Kollegen Butler Lampson, Peter Deutsch und Mel Pirtle. Pirtle gründete 1969 die Berkeley Compouter Corporation, die mit ihrem BCC 500 ein Time-Share-System für 500 Nutzer bauen wollte.

Das anspruchsvolle Projekt scheiterte, weil in der Rezession der 70er Jahre kein Geld für den Bau weiterer Rechner außer dem ersten BCC 500 zu finden war, den die Forschungsagentur ARPA für ihr Projekt ARPANET aufkaufte. Bis auf Pirtle wechselte das Entwicklerteam geschlossen zum Palo Alto Research Center (PARC), das Xerox gerade aufbaute.

Bei der Arbeit an BCC befassten sich Thacker und Lampson erstmals mit Moores Law und schlussfolgerten, dass künftige Computer immer größere Arbeitsspeicher und leistungsfähigere Mikroprozessoren haben werden. In letzter Konsequenz würden Terminals so leistungsfähig mit Prozessoren und Speicher versorgt, dass die Bildschirmausgabe im Arbeitsspeicher des Computers Pixel für Pixel berechnet werden kann. In einem Xeroy-Memo beschrieb Thacker das System 1972 unter dem Titel "A Personal Computer with Microparallel Processing". Thacker ging zudem die Wette ein, ein solches System in drei Monaten entwickeln zu können und begann zusammen mit Butler Lampson mit dem Hardware-Entwurf am 22. November 1972.

Anfang Februar 1973 war der Computer fertig, den Thackers Vorgesetzter Robert Taylor "Alto" nannte. Der Xerox Alto wurde aus dem gebaut, was bei Xerox an Einzelteilen gerade verfügbar war, unter anderem eine Ladung Bildschirme mit 606 × 808 Pixeln. Die Software steuerte eine andere Xerox-Gruppe um Alan Kay hinzu, die Festplattentechnik entwickelte Edward McCreight.

Bekanntlich war dem Rechner kein kommerzieller Erfolg beschieden, obwohl die Xerox-Forscher von ihm begeistert waren. Mit dem Wechsel von Robert Taylor zu DEC im Jahre 1983 wechselte auch Thacker und entwickelte dort das Multiprozessor-System Firefly zu Forschungszwecken. Für DEC wurde Thacker wichtig, weil er es schaffte, im Zuge der Entwicklung des für DEC marktstrategisch sehr wichtigen Alpha-Prozessors Anfang der 90er Jahre eine Alpha Demonstration Unit zu konstruieren, bevor der eigentliche Chip fertig war, der DEC einen Markterfolg bringen sollte.

Als DEC 1998 von Compaq übernommen wurde, wechselte Thacker zu Microsoft und ging außer Landes: zusammen mit Roger Needham baute er das Microsoft Research Centre im britischen Cambridge auf und beschäftigte sich mit der Entwicklung eines Tablet PC, für den Microsoft die Mindest-Spezifikationen vorgab. Die Tablet-Software kam von einem Team unter Leitung seines alten Gefährten Butler Lampson. Als letzte Arbeit für Microsoft schuf Thacker an den neu entstandenen Microsoft Research Lab in Kalifornien in Verbund mit mehreren US-Universitäten mit der Berkeley Emulation Engine (BEE3) eine FPGA-Plattform für die Ausbildung von Informatikern und Ingenieuren. Sein letztes Projekt Beehive, eine vereinfachte und billigere Version von BEE3 entwickelte Chuck Thacker schon als Pensionär, der unverdrossen weiter arbeitete.

Neben dem erwähnten Turing Award des Jahres 2009 erhielt Thacker die John von Neumann-Medaille im Jahre 2007 und schließlich eine Microsoft-Auszeichnung, den Career Achievement Award im Jahre 2014. (anw)